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Resolution Pflege

  • Samstag, 23. Juni 2007 @ 23:22
Positionen In Würde älter werden

Österreich bei Pflege Entwicklungsland

Auch wenn wir die Selbstbehalte und die Verschiebung des Solidaritätsprinzips zu Ungunsten der Werktätigen kritisieren, sehen wir doch, dass Österreichs Gesundheitssystem als eines der besten der Welt gilt. Ist jemand krank, erhält er medizinische Leistung, ohne dass vorweg die Frage gestellt wird, wer die Behandlung bezahlt oder ob er sich die Behandlung selbst leisten kann. Niemand enthält in Österreich einer/m Mittellosen die notwendige medizinische Versorgung vor. Ist mensch aber in Österreich pflegebedürftig gilt dieses Prinzip nicht. Die Pflegebedürftigen werden in einigen Bundesländern selbst verantwortlich gemacht, sich um einen Heimplatz umschauen. Da Pflegegeld und Pension bei weitem für eine menschenwürdige, den Bedürfnissen gerecht werdende Pflege und Betreuung reicht werden sie zu Sozialhilfefällen degradiert.

Durch die Regressbestimmungen in den neun unterschiedlichen Sozialhilfegesetzen wird je nach Bundesland ihr Vermögen bis auf 3000 bis 7000 Euro für die Pflegeheimkosten herangezogen. In den meisten Bundesländern wird auch noch das Einkommen der Angehörigen ersten Grades zur Pflegeheimfinanzierung herangezogen. Die Pflegeversorgung in Österreich, beziehungsweise richtiger gesagt, der Pflegenotstand ist ein sozialpolitisches Armutszeugnis für den siebtreichsten Staat der Welt.

Vor der Wahl versprochen, nach der Wahl ge(ver)brochen

Im Vorjahr, im Nationalratswahlkampf wurde der Pflegenotstand zum Thema. Ausgelöst wurde sie durch Anzeigen gegen illegal beschäftigte PflegerInnen und des Bekanntwerdens, dass sich auch die Verwandtschaft namhafter PolitikerInnen der illegalen Pflegedienste bedient haben. Nach der Wahl und der Regierungsfindung haben SPÖ und ÖVP im Regierungsübereinkommen "leistbare Pflege und Betreuung" vorgenommen und eine Lösung möglichst bis zum Sommer 2007 in Aussicht gestellt.

Dazu bedarf es laut Koalitionseinkommen der Einrichtung einer Arbeitsgruppe aus Vertretern von Bund, Ländern und Gemeinden, um ein umfassendes Modell auszuarbeiten. Gleichzeitig wurde bis Ende Juni eine Übergangsregelung, mit dem der Einsatz illegaler PflegerInnen straffrei gestellt wurde, abgesegnet.

Diese nunmehr bis Jahresende verlängerte Möglichkeit wurde weiters durch die Erlassung eines sog. Hausbetreuungsgesetzes (in Kraft ab 1. Juli 2007) erweitert. Der betroffenen Bevölkerung wird dabei vorgegaukelt, dass nach schwierigen Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP jetzt schon Pflegebedürftige der Pflegestufe drei und vier finanzielle Hilfe bekommen.

Leiser verkündigt wird, aber nur, wenn eine 24-Stunden-Betreung nachgewiesen werden kann. Und das betrifft hauptsächlich Demenzkranke und da nur jene, die ein entsprechendes fachärztliches Gutachten dafür haben. Laut Sozialministerium dürfte jedenfalls nur etwa jeder Zehnte der 140.000 Pflegegeld-Bezieher der Stufen drei bis sieben diese Förderung tatsächlich erhalten.

Im Hausbetreuungsgesetz wird die arbeitsrechtliche Basis für ein zweiwöchiges Durcharbeiten geschaffen. Damit wird die legalisiert, dass Betreuungspersonen alle 14 Tage ausgetauscht werden. Neu ist, dass Personenbetreuung auch auf selbstständiger Basis ausgeübt werden kann, sodass damit die sozialversicherungsrechtliche Verpflichtung des Pfleglings seine Betreuungspersonen anzumelden, entfällt.

Aber es gibt noch andere gravierende Fallen, so beispielsweise die „Hartz IV-Regelung“ mit einer Vermögensgrenze von 5.000 Euro. Ähnlich den Sozialhilfegesetzen der Länder ist vorgesehen, dass jene, die ein höheres Vermögen haben, zuerst dieses Vermögen bis auf 5000 Euro für die Pflege verbrauchen müssen, bevor sie eine öffentliche Pflegeförderung bekommen.

Das neu geplante Pflegemodell der großen Koalition wirkt dem Pflegenotstand in keinster Weise entgegen. Vielmehr drehen, die in den Medien als „beträchtliche Schwachstellen“ genannten Bezugsvoraussetzungen, die Armutsspirale in Österreich deutlich nach unten.

Pflegenotstand ist mehr als ungeregelte „Rund-um-die-Uhr-Betreuung

Dem vorherrschenden Pflegenotstand wird mit dem neuen Pflegemodell in keinster Weise entgegengewirkt. Es geht dabei eben nicht um die so genannte - rund um die Uhr – Betreuung, das stellt nur einen Teilaspekt dar. Der herrschende Pflegenotstand ist eine Kombination aus...
• dem Abschieben der Pflegebedürftigen in die Sozialhilfe,
• einem mangelnden Pflegeangebot,
• nicht leistbaren Pflegekosten,
• einem jährlich wertvermindertem Pflegegeld,
• zu wenig ausgebildetem Pflegepersonal
• krankmachenden, zu gering dotierten Pflegearbeitsplätzen
• und einigen mehr.

Die Bundeskonferenz des Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB) stellt fest:

Das so genannte neue Pflegemodell ist zu viel kurz gegriffen, um einen Lösungsansatz für die Beendigung des Pflegenotstandes darzustellen. Mit der Begleiterscheinung der Vermögensgrenze von 5.000 Euro ist es eine weitere Armutsfalle für ältere Menschen. Es ist unsozial und wir lehnen es daher ab.

Ohne rasches Handeln wird sich der Pflegenotstand zu einem „Pflegeinfarkt“ auswachsen. Als ersten Schritt verlangen wir im Interesse der Pflegebedürftigen, die deutliche Erhöhung des Pflegegeldes, das seit der Einführung durch die jährliche Nichterhöhung um ein Viertel weniger wert ist.

Darüber hinaus verlangen wir, dass die gesamte Pflegeversorgung in die Bundeskompetenz übergeht, ein gesamtösterreichischer Pflegebedarfsplan erstellt wird und anlog der Krankenversorgung ein entsprechendes öffentliches Netz von Altenwohn- und Pflegeheimen, Tagesbetreuungsstätten (mit ausreichenden Angeboten für geistige und körperlichen Tätigkeiten und einer speziellen Betreuung für Demenzkranke) und Hauspflegeeinrichtungen geschaffen wird.

Für die in der Altenpflege Beschäftigten verlangen eine gesellschaftliche, arbeitsrechtliche und gehaltsrechtliche Aufwertung ihrer Berufsbilder und zur Entlastung der derzeitigen knappen Personalsituation eine Ausbildungsoffensive. Die Berufsbilder sind zwischen pflegerischer Tätigkeit, Betreuungstätigkeit und hauswirtschaftlichen Tätigkeiten zu trennen.

Jeder dieser Tätigkeiten bedarf einer qualitativen Ausbildungshebung. Die Ausbildung für Diplomiertes Pflegekräfte muss mit Maturaniveau enden, um auch übergangslos einen akademischen Berufsweg bei der Pflege einlegen zu können. Die derzeitige Ausbildung zur PflegerhelferIn und AltenbetreuerIn muss so aufgewertet und verbessert werden, dass aus „HelferInnen bzw. BetreuerInnen“ eine „PflegerInnen“ werden, denen übergangslos ein Berufsweg zur Diplomausbildung Personal ermöglicht wird. Die Arbeiten für betreuungs- und hauswirtschaftliche Tätigkeiten dürfen nicht weiter als HilfsarbeiterInnenjobs angesehen werden. Wir könnten uns in diesem Bereich beispielsweise eigene Lehrberufe, z.B. PflegebetreuerIn, vorstellen.

Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld?

Dazu sei einleitend erwähnt, eine Ausbildungsoffensive gepaart mit einem ausreichenden öffentlichen Pflegeangebot würde einen arbeitsmarkt- und wirtschaftsördernden Effekt haben was sich positiv auf die Volkswirtschaft auswirkt.

Insgesamt ist für uns linken GewerkschafterInnen die Finanzierung der Pflege, eine gesellschaftliche Verteilungsfrage. So können wir uns die Finanzierung entweder über höhere, bzw. einen neuen wertschöpfungsorientierten Sozialversicherungsbeitrag für Pflege, als auch über Umverteilung über den Steuerweg vorstellen. Zum Beispiel eine für Pflegegeld zweckgebundene Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 50 auf 60 Prozent bei Jahreseinkommen über 70.000 Euro oder eine Vermögensbesteuerung der Euromillionäre, oder einer Erbschaftsteuer für Geldvermögen über 70.000 Euro vor. Obligat ist schon die Forderung nach der sofortigen Einhebung aller offenen Steuerschulden.

GLB-Bundeskonferenz 23. Juni 2007