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Ein Impuls für die linke Gewerkschaftsbewegung

  • Samstag, 23. Juni 2007 @ 11:30
Meinung Über den Zustand des ÖGB

Vor etwa einem Jahr hatten wir noch die Hoffnung, nämlich dass der ÖGB Konsequenzen aus der mit dem BAWAG-Debakel offenbar gewordenen Krise durch eine Neuorientierung zieht. Diese Hoffnung hat sich dann schon im Herbst 2006 verflüchtigt und ist dann beim 16. Bundeskongress im Jänner 2007 endgültig verschwunden. Beim Bundeskongress des ÖGB wurde nämlich deutlich, dass die Spitze des ÖGB und die politisch maßgebliche FSG sich auch künftig den Wünschen von Kapital und Regierung sozialpartnerschaftlich unterordnen und den ÖGB auch weiterhin als Ordnungsfaktor und nicht als kämpferische Interessenvertretung der Lohnabhängigen verstehen.

Eine Rückblende zeigt, dass der ÖGB auch in den Jahren 2000 bis 2006 – als die SPÖ in die Opposition verbannt war – auf der Bremse stand und beispielsweise die zeitweise sehr massive Protestbewegung gegen die schwarzblaue Regierung im Stich gelassen hat, etwa bei den Donnerstag-Demos. Erst als es um eine direkte Betroffenheit der ÖGB-Spitzenfunktionäre ging, wie z.B. die Absetzung Sallmutters im Hauptverband der Sozialversicherung, wurde der ÖGB aktiv. Und obwohl das Aufbegehren gegen die Pensionsreform 2003 die Bereitschaft hunderttausender Menschen gegen die unsoziale Regierungspolitik deutlich machte, blieb es eine Eintagsfliege und nach einem einzigen halbherzigen Streiktag erfolgte schon wieder der Rückzug. Die Entwicklung einer vom ÖGB mitgetragenen heftigeren Protestbewegung war offensichtlich nicht gewünscht, denn schließlich wollte es sich die SP bzw. FSG-Spitze nicht mit einem allfälligen Partner für eine aus damaliger Sicht künftige große Koalition vertun.

Nun haben wir seit Jänner dieses Jahres diese große Koalition und allen seriösen Einschätzungen zufolge setzt diese genau jene neoliberale Politik der Umverteilung, des Sozialabbaus und der Privatisierung fort, die schon in den 90er Jahren unter der vormaligen rotschwarzen Regierung begonnen und von der schwarzblau/orangen fortgesetzt und gesteigert wurde. In der Führung des ÖGB hat man jedoch die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt und noch immer keine Umorientierung zu einer Politik eingeschlagen, die sich ausschließlich den Interessen der Berufstätigen, Erwerbslosen und Prekarisierten verpflichtet ist. Ein Beispiel ist das Sozialpartnerpapier, welches nach alter Schule zwischen WKÖ-Vertreter und Leutner vorbesprochen wird und dann „unter Präsidenten“ abgezeichnet wird.

Es ist geradezu beschämend und Ausdruck einer fortgesetzten Selbstdemontage des ÖGB, dass ein wesentlicher Teil der Maßnahmen der neuen Regierung sogar ausdrücklich aus der Vorlage der Sozialpartner eins zu eins in das Regierungsabkommen übernommen wurde, wie das beim Kapitel Arbeit und Wirtschaft der Fall ist.

Nun zu einigen gewerkschaftsrelevante Regierungsthemen und zur Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit als wichtigste gewerkschaftliche Aufgabe.

Thema Arbeitszeit

Ein Kernstück bei den gewerkschaftlich relevanten Regierungsthemen ist zweifellos die Arbeitszeit: es besteht nun die straffreie Möglichkeit der Anhebung der Höchstarbeitszeit (zwölf Stunden bzw. 60 Stunden) auf Überstundenbasis für max. 24 Wochen im Jahr, davon jeweils acht Wochen zusammenhängend, dann müssen wieder zwei Wochen ohne zusätzliche Überstunden. gearbeitet werden. Das Ganze bei arbeitsmedizinischer Unbedenklichkeit nur mit Zustimmung des Betriebsrates und dort, wo es keinen gibt, auf Basis einer schriftlichen Einzelvereinbarung!!!

Damit wird aber die Büchse der Pandora geöffnet und der Gewerkschaft ergeht es wie Goethes Zauberlehrling, wie bereits der Beispiel Wegfall der Samstag-Zuschläge im BAGS-KV gezeigt hat. Im Bewusstsein „hängen geblieben ist lediglich die Anhebung der Höchstarbeitsgrenzen. Weiters wurde der Einstieg geschafft, wesentliche Arbeitszeitfragen auch ohne Betriebsrat und Gewerkschaft regeln zu können.

Eine solche Maßnahme wäre unter einem Kanzler Schüssel nicht möglich gewesen, unter Kanzler Gusenbauer wird sie bei willfähriger Einbindung der Gewerkschaftsführung umgesetzt. Bezeichnend ist dabei auch, dass in den Aussendungen der Gewerkschaften nur die Rede vom Erfolg durch den keineswegs sicheren Zuschlag für Mehrarbeit bei Teilzeitbeschäftigten war. Das Faktum einer Ausweitung der Arbeitszeit aber schamvoll unter den Tisch fallen gelassen oder mit zahlreichen Windungen beschönigt wurde.

Der ÖGB beschließt seit 1986, also seit über zwanzig Jahren bei jedem Kongress die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung. Aber statt einer 35-Stundwoche wird real heute in Österreich 44,1 Stunden pro Woche gearbeitet, wir sind damit Europameister mit der längsten realen Arbeitszeit. GMTN-Vorsitzender Erich Foglar meine in der Arbeitsgemeinschaft „Wirtschaft“ zum ÖGB-Kongress, dass er das Thema Arbeitszeitverkürzung bzw. 35-Stundenwoche gar nicht mehr als Forderung aufnehmen wolle, „weil wir das eh nicht derheben, wo in Deutschland schon die Verlängerung der Arbeitszeit ansteht…“ Dazu fällt mir ein Zitat von Clara Zetkin an die österreichischen Sozialdemokraten ein: „Wo gibt`s denn das, dass man eine Forderung nicht mehr stellt, nur weil man glaubt, dass sie nicht gleich durchsetzbar ist?“

Würden die heute geleisteten 7,04 Millionen Überstunden wöchentlich umgerechnet auf eine 40-Stundenwoche, so würden damit 175.900 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Damit wird auch in aller Schonungslosigkeit der Widerspruch deutlich, dass auf der einen Seite immer mehr Menschen ohne Erwerbsarbeit sind, auf der anderen aber ein großer Teil der Erwerbstätigen zu regelmäßigen überstunden gezwungen ist.

Besonders makaber bei der jetzigen Verlängerung der Tages- und Wochenarbeitszeit ist zudem, dass diese durch Einzelvereinbarung auch in Betrieben ohne Betriebsrat möglich wird. Die Gewerkschaft entmachtet sich damit selbst. Damit erfüllt der ÖGB in vorauseilendem Gehorsam die zwei Eckpunkte des Grünbuches der EU zum Arbeitsrecht. Dieses mit dem Schlagwort Flexicurity verbrämte Werk zielt nämlich auf zweierlei: und zwar erstens auf die Aushebelung des Normalarbeitsverhältnisses zugunsten einer umfassenden Flexibilisierung und damit Prekarisierung und zweitens auf die Entmachtung der Gewerkschaften. Dass wir diesem Grünbuch daher eine klare Absage erteilen, liegt auf der Hand.

Thema Ladenöffnungszeiten

Eine weitere „Glanzleistung“ der Sozialpartner ist auch die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten im Handel von 66 auf 72 Stunden. Dabei ist das Ende der Fahnenstange keineswegs erreicht. Der Handelsverband als Sprachrohr der großen Handelskonzerne fordert bekanntlich 96 Stunden bzw. eine völlige Freigabe. Damit ist auch die Sonntagsöffnung wieder verstärkt in die Diskussion gekommen.

Der liberale Abgeordnete Alexander Zach – von Gusenbauer der SPÖ als Kuckucksei in den Parlamentsklub gelegt – aber auch „gestandene“ SozialdemokratInnen wie die Wiener Vizebürgermeisterin Brauner und der Villacher Bürgermeister Manzenreiter machen sich zum Sprachrohr für die Konzerne und fordern Sonntagsöffnung. Das Zauberwort dabei lautet „Eventregelung“ und die Anlässe sind die Fußball-Europameisterschaft 2008 oder die Kulturhauptstadt Linz 2009. Und die GPA springt auf diesen Zug mit einem geplanten „Event-KV“ auf. Auch hier wird wieder eine Büchse der Pandora geöffnet. Alles Leben ist bald nur noch ein Event!

Thema Lehrlinge

Eine Verschlechterung steht auch für die Lehrlinge an, wo sozialpartnerschaftlich abgesegnet laut Regierungsabkommen der Kündigungsschutz gelockert wird. Anstatt die Unternehmen zu einer zeitgemäßen Ausbildung etwa durch ein Lehrlingseinstellungsgesetz bzw. deren Finanzierung durch eine Berufsausbildungsabgabe zu verpflichten, sollen Jugendliche nach dem Prinzip „Hire and Fire“ noch flexibler einsetzbar und bei Bedarf schnell wieder gekündigt werden. Interessanterweise soll dieser Kündigungsschutz erst ab dem 2. Lehrjahr gelockert werden – klar, weil im 1. Lehrjahr bekommen die Unternehmen meist hohe Förderungen für Lehrlinge, da wollen sie eh noch nicht kündigen. Erst wenn die Förderungsgelder weniger werden oder gar versiegen, will man sich der Lehrlinge entledigen.

Thema Mindestlohn

Was von der Sozialpartnerschaft zu halten ist, wurde auch am Beispiel Mindestlohn deutlich. Im Regierungsübereinkommen war vorgesehen, dass ein solcher durch einen General-Kollektivvertrag durchgesetzt werden sollte. Dabei ist das Ziel ohnehin sehr bescheiden, ganze 1.000 Euro brutto, das sind 820 Euro netto oder magere 5,68 Euro Bruttostundenlohn bei einer 40-Stundenwoche, weniger als Gusenbauers Tarif von sechs Euro für Studierende die sich die Studiengebühr durch „Sozialarbeit“ abarbeiten sollten, sind geplant.

Aber nicht einmal das war dem „Sozialpartner“ Kapital zumutbar, nur in Branchen-KVs und gestreckt auf mehrere Jahre sollen die tausend Euro kommen. Unsere Kritik ging von Anfang an in die Richtung, dass ein General-KV all denjenigen nichts nützt, die unter keinen KV fallen. Die GPA betreibt seit kurzem die Kampagne 1.100 Euro plus für Angestellte in Arztpraxen.

Daher sind wir als GLB der Meinung, dass eine gesetzliche Regelung wie sie in 20 der 27 EU-Ländern bereits besteht notwendig ist und fordern acht Euro pro Stunde, das wären rund 1.400 Euro monatlich bei einer 40-Stundenwoche, wobei anzumerken ist, dass es im Metallbereich einen Mindestlohn in dieser Größenordnung schon gibt.

Ein solcher gesetzlicher Mindestlohn wäre auch kein Kompetenzverlust für die Gewerkschaften, d.h., sie brauchen nicht um ihre Kollektivvertragsfähigkeit fürchten – im Gegenteil - es würde ein solcher gesetzlicher Mindestlohn eine wesentliche Rückenstärkung für die Lohnpolitik bedeuten. Was machbar ist, zeigen Beispiele in mit Österreich vergleichbaren EU-Ländern wie Luxemburg (9,08 Euro pro Stunde), Irland (8,30), Frankreich (8,27), den Niederlanden (8,13), Großbritannien (7,96) und Belgien (7,93). Aber im fünftreichsten EU-Land soll das nicht möglich sein?

Von Leutner wurde im ÖGB-Bundesvorstand diese Forderung abgelehnt, von Claudia Krahl-Bast im GPA-Bundesvorstand mit Hinweis auf Bulgarien. Dem Scheinargument mancher GewerkschafterInnen, nämlich dass ein gesetzlicher Mindestlohn nicht jedes Jahr angepasst werde, so wie es jedes Jahr KV-Erhöhungen gibt, entgegnen wir damit, dass wir eine jährliche Teuerungsabgeltung per Gesetz fordern. Außerdem ist nicht gesagt, dass alle KVs automatisch eine jährliche Teuerungsabgeltung erfahren. Vergleichen wir dazu die KVs für die Beschäftigten bei Ärzten, die oft jahrelang nicht verhandelt wurden, weil die Ärztekammern es verweigerten.

Der Kampf um einen Mindestlohn ist vor dem Hintergrund einer seit Ende der 70er Jahre sinkenden Lohnquote zu sehen: Bezeichnenderweise erfolgte damals auch die letzte allgemeine Arbeitszeitverkürzung. Wir sind heute durch eine jahrelange falsche Zurückhaltung in der Lohnpolitik verbunden mit einer explodierenden Prekarisierung und anhaltend hoher Arbeitslosigkeit mit einem immer stärkeren Zurückbleiben der Einkommen für immer mehr Menschen konfrontiert.

Während die Wirtschaft durch die Exporterfolge boomt, wird den Lohnabhängigen der ihnen zustehende Anteil am Wachstum vorenthalten. Die Reallöhne sind in Österreich in den letzten zehn Jahren um magere 2,8 Prozent gestiegen, zum Vergleich in Schweden um 25,4 Prozent. Eine offensivere Lohnpolitik des ÖGB, wie wir sie in unseren Grundsätzen zur KV-Politik formuliert haben und die nicht nur die Inflationsabgeltung, sondern auch einen möglichst hohen Anteil am Produktivitätswachstum beinhaltet ist daher unabdingbar.

Thema Mindestsicherung

Zur Auseinandersetzung um existenzsichernde Einkommen gehört auch die von der Regierung propagandistisch verkaufte Bedarfsorientierte Mindestsicherung von 726 Euro monatlich. Dass dies Bestandteil des Regierungsabkommens ist, drückt die Brisanz der Verteilungsfrage aus, die bereits im Wahlkampf deutlich wurde und seither nicht mehr vom Tisch zu wischen ist. Was die Regierung plant ist freilich ein Schwindelpaket, nämlich das berüchtigte deutsche Hartz IV auf österreichisch, vielleicht dann als Buchinger I bezeichnet.

Geplant ist nämlich durch Vereinheitlichung von Notstandshilfe und Sozialhilfe ein äußerst restriktives Modell mit Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen und Verwertung privaten Vermögens. Keineswegs zufällig hat Sozialminister Buchinger vor kurzem auch eine Negativsteuer für BezieherInnen kleiner Einkommen in die Diskussion gebracht. Allen seriösen Analysen zufolge werden mit einem solchen Modell Frauen noch stärker aus dem Berufsleben verdrängt, wie die Erfahrung aus den USA verdeutlicht. Hingegen begrüßen ausgerechnet jene die einen Mindestlohn für unzumutbar halten, die Orientierung, dass der Wirtschaft geringe Löhne durch einen Staatszuschuss stützen soll, damit die Unternehmen noch mehr Extraprofit herausschinden können.

Thema Pflegereform

Hier gilt es zunächst die begriffliche Konfusion zu Pflege – Betreuung – persönliche Assistenz – Begleitung usw. zu klären. In der Causa Pflegereform hat sich die Regierung in ein ziemliches Desaster hineintheatert: Staatliche Zuschüsse für Pflege im häuslichen Bereich soll es nur für wenige tausend Fälle geben, die Finanzierung ist offen, der Bund schiebt diese wie eine heiße Kartoffel den Ländern zu, die wiederum mit Verweis auf ihre Finanzlage abblocken. Was droht ist ein dubioses Modell das weiterer Einschnitte in das Arbeitsrecht bedeutet und damit nach dem BAGS-KV den Druck auf Einkommen und Sozialleistungen im Gesundheits- und Sozialbereich weiter verstärkt. Das Hausangestelltengesetz dumpt alles nieder, was es an KVs im Sozialbereich gibt – HeimhelferInnen werden zu halb leibeigenen Hausangestellten, wie dies zu einer Zeit der hochherrschaftlichen Hausbediensteten üblich war.

Es muss uns bewusst sein, dass es beim Thema Pflege konträre Interessen zwischen Personal und Pflegepersonen bzw. deren Angehörige gibt und dass eine 24-Stunden-Pflege zuhause zu regulären Bedingungen kaum möglich ist. Wovon freilich nicht gesprochen wird, ist eine kräftige Erhöhung des Pflegegeldes. Dieser laut dem damaligen Kanzler Vranitzky „sozialpolitische Meilenstein“ wurde seit der Einführung 1993 nur dreimal geringfügig erhöht, real ist das Pflegegeld heute um fast ein Viertel weniger wert als bei seiner Einführung.

Thema Steuerpolitik

Eine weitere Kernfrage der politischen Auseinandersetzung ist und bleibt immer die Steuerpolitik: Wir sind heute nicht nur in Österreich sondern weltweit damit konfrontiert, dass die Kluft zwischen einer kleinen Schicht von Reichen mit wachsendem Vermögen und einer immer größeren Zahl von armen oder armutsgefährdeten Menschen ständig wächst. In Österreich besitzt ein Prozent der Bevölkerung ein Drittel des Vermögens, weitere neun Prozent das zweite Drittel, während sich die restlichen 90 Prozent das dritte Drittel teilen müssen. Auf der einen Seite stehen 67.700 MillionärInnen, auf der anderen 1,2 Millionen armutsgefährdete die mit weniger als 848 Euro im Monat auskommen müssen, darunter 235.000 „working poor“, also Menschen die trotz Vollarbeit als arm gelten.

Was aber tut die Regierung? Sie schafft die Erbschaftssteuer ab, trotz mancher Sonntagsreden des Sozialministers ordnet sich die SPÖ voll der ÖVP unter und Gusenbauer empfiehlt in Deutschland dieses Rezept über die „Bildzeitung“ mit dem lockeren Sager „Steuern runter macht Österreich munter - und sicher auch Deutschland“ auch dem großen Nachbarn.

165 Millionen Erbschafts- und Schenkungssteuer laut Budget 2006 – das sind mehr als die Studiengebühren eines Jahres – werden als vernachlässigbar bezeichnet. Warum werden nicht die Studiengebühren als „vernachlässigbare“ Einnahme bezeichnet? – Weil sie eine „quasi pädagogische Maßnahme“ sind: sie sollen den Menschen das neoliberale Denken in die Köpfe einhämmern, nämlich, dass Schluss ist mit freiem Bildungszugang, dass alles was zu kosten hat nichts mehr gratis ist.

Gleichzeitig erhöht die Regierung die Mineralölsteuer, nicht etwa als Lenkungseffekt zugunsten des öffentlichen Verkehrs, sondern ausschließlich um Budgetlöcher zu stopfen. Und weitere Steuern sind im Visier des Kapitals: Eine Reform der Grundsteuer steht an – mit Auswirkungen auf die Mieten. Die Werbeabgabe wird als Wettbewerbshindernis bezeichnet. Wenn diese abgeschafft wird, werden wir noch mehr mit Werbung zugemüllt werden, deren Kosten auf die Produkte sowieso draufgeschlagen wird und sogar die Kommunalsteuer gerät immer wieder ins Visier der Kapitalvertretungen.

Hingegen verteidigt auch diese Regierung die 1993 vom damaligen Finanzminister Lacina eingeführten steuerschonenden Privatstiftungen – in bereits über 2.900 solcher Stiftungen sind heute schätzungsweise 55 Milliarden Euro (das sind 756,8 Mrd. ATS) steuerschonend deponiert – und die Studiengebühren, die de facto nichts anders sind als eine Studierendensteuer. Die Begünstigungen der Vermögenden durch Abschaffung der Vermögenssteuer und der Unternehmen durch Senkung der Körperschaftssteuer werden hingegen eisern verteidigt.

Als GLB treten wir für eine radikale Umkehr in der Steuerpolitik ein: Kapital und Vermögen müssen höher besteuert werden, die Finanzierung von Pensionen und Gesundheit muss auf Wertschöpfungsbasis umgestellt werden um der Rationalisierung Rechnung zu tragen, dafür muss die Steuerbelastung der kleinen und mittleren Einkommen gesenkt werden um die reale Kaufkraft der Menschen zu erhöhen, was nach dem kleinen Einmaleins der Volkswirtschaft bekanntlich auch eine Belebung der Wirtschaft und damit Sicherung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen bedeutet.

Thema öffentliches Eigentum

Auch wenn im Regierungsabkommen nicht explizit weitere Privatisierungen stehen, wächst der Druck auf öffentliches Eigentum weiter. Keineswegs zufällig hat sich Minister Faymann für einen Börsegang der ÖBB ausgesprochen und SPÖ-Energiesprecher Eder forderte eine weitere Privatisierung beim Verbund, der ohnehin nur mehr zu 51 Prozent im Staatsbesitz steht. Damit verbunden wäre freilich auch die Aufhebung des 2. Verstaatlichungsgesetzes von 1947, das eine öffentliche Mehrheit bei den Energieversorgungsunternehmen von Bund und Ländern vorschreibt. Ein erster Probegalopp dafür scheiterte mit dem Versuch der Fusion von Verbund und OMV bekanntlich, jetzt aber hat die Koalition die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament, Wachsamkeit ist also angesagt. Während dessen wird ohnehin fleißig weiterprivatisiert, etwa durch den Verkauf der Hypo Alpe Adria in Kärnten oder den von schwarzgrünblau betriebenen Börsegang der Energie AG in Oberösterreich.

Der GLB vertritt dazu eine konträre Position: Wir sagen, dass alle Leistungen der Grundversorgung, Strom, Gas, Wasser, Post, Bahn, Nahverkehr, Bildung, Müllabfuhr, Gesundheit, Pensionsvorsorge usw. im öffentlichen Eigentum bleiben müssen, weil nur dadurch eine maximale Versorgungssicherheit zu einigermaßen sozialen Kriterien und auch die entsprechenden politischen Gestaltungsmöglichkeiten gesichert sind.

Thema Liberalisierung

Neuerdings klagen Arbeiterkammern und ÖGB über die Auswirkungen der Liberalisierung. Eine späte Einsicht könnte man sagen, erinnern wir uns doch noch gut daran, wie gerade AK und ÖGB bei ihrem Trommeln für den EU-Beitritt bei der Volksabstimmung im Jahre 1994 sich für mehr Wettbewerb und mehr Liberalisierung stark gemacht haben. Freilich, die Bilanz ist sehr ernüchternd. Die Früchte der Privatisierung hat durchwegs das Kapital geerntet, für die KonsumentInnen gab es kaum Vorteile, für die Beschäftigten im Gefolge der Auswirkungen dieser Liberalisierung und Deregulierung die in letzter Konsequenz vor allem Privatisierung öffentlichen Eigentums und öffentlicher Leistungen bedeutet hingegen massive Einschnitte in Form von wachsendem Druck auf Löhne, Sozialleistungen und Arbeitsplätze. Und auch Druck auf die öffentlichen Haushalte.

Speziell die Arbeit kommt immer mehr unter Druck. Dazu der linke deutsche Ökonom Elmar Altvater: „Es gibt so etwas wie eine Verachtung der Arbeit – wer ist denn noch so blöd und arbeitet, wenn man das Geld für sich arbeiten lassen kann?“ Die Finanzmärkte konkurrieren mit möglichst hohen Renditen und treiben diese nach oben. Zweistellige Renditen können aber nur bezahlt werden aus der Substanz, d.h., wenn Druck auf die Arbeitszeit, die Arbeitseinkommen, die Löhne, die Sozialleistungen gemacht wird und schlussendlich auf die Arbeitsplätze als solche.

Dabei ist es keineswegs so, dass abgehobene EU-Instanzen in Brüssel aus Jux und Tollerei ihre Liberalisierungsrichtlinien ausarbeiten, sondern diese Liberalisierung erfolgt mit aktiver und kräftiger Mitwirkung der österreichischen Politik. Die Politik der Liberalisierung und Privatisierung wird entsprechend dem globalen Trend des Neoliberalismus national betrieben und durch EU-Richtlinien abgesichert.

Ein besonderes Kapitel dabei ist die Rolle einiger SpitzengewerkschafterInnen im Parlament, weil bei diesen unweigerlich immer ein enormer Interessenskonflikt vorgegeben ist. Handeln sie entsprechend den Interessen der Gewerkschaftsmitglieder und der Lohnabhängigen und auf Basis der geltenden Beschlüsse, dann müssten sie eigentlich viele Gesetze und Maßnahmen ablehnen. Realpolitisch siegen allerdings letztlich immer die Parteiräson und die Fraktionsdisziplin.

Wir haben im Februar 2007 in einem „Offenen Brief“ die GewerkschafterInnen im Nationalrat und Bundesrat aufgefordert alle Maßnahmen abzulehnen, die gegen die Interessen der Lohnabhängigen gerichtet sind, und das sind laut Regierungsprogramm nicht wenige. Das Schweigen der Betroffenen zu unserer Aufforderung ihr Abstimmungsverhalten zu erklären sagt aber wohl alles. Auf Initiative der Frauen, Csörgits und Bachner soll es am 28.6. nach dem ÖGB Buvo eine Aussprache mit Haberzettel und GenossInnen geben.

Es haben sich freilich auch die Zeiten und die Bedingungen geändert: vielleicht war eine Vereinbarkeit in den 70er oder 80er Jahren noch gegeben - durch den damals vorhandenen größeren Verteilungsspielraum. Heute ist er ganz sicher nicht mehr vorhanden. Und wenn Regierung und Parlament wieder eine Reform ankündigen, so bedeutet das in der Regel eine massive Drohung für die Bevölkerung. Denn mittlerweile haben wir die absurde Situation, dass im Parlament regelmäßig von den Abgeordneten Entscheidungen gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung getroffen werden wie etwa jüngst die Wahlrechtsreform mit der Verlängerung der Legislaturperiode.

Zum Selbstverständnis des GLB

Es gäbe noch viele wichtige Themen der aktuellen Regierungspolitik zu beleuchten, wie die Milliardenverschwendung für den Kauf neutralitätswidriger Eurofighter, die Entdemokratisierung durch Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre, die Bildungsmisere, das unmenschliche Fremdenrechtsgesetz usw. – gemeinsam ist aber allen, dass diese Themen keineswegs in Österreich allein von Bedeutung sind, sondern als Ausdruck der Globalisierung und des weltweit dominierenden neoliberalen Modells in einem wachsenden Zusammenhang mit den Entwicklungen in anderen Ländern stehen.

Die Kapitalorganisationen sind hervorragend international aufgestellt, was man bei den Gewerkschaften keineswegs behaupten kann. Der Neoliberalismus hat in die Köpfe und Herzen der Menschen Eingang gefunden – viel mehr als wir uns eingestehen wollen. Das Primat des Wettbewerbs steht über allem: Ein globaler Wettbewerb der Steuersysteme und der Sozialsysteme bedeutet aber auf Perspektive einen Niedergang für alle diese Steuersysteme und Sozialsysteme auf nationaler Ebene.

Als GLB sehen wir uns dem Internationalismus verpflichtet. Ein Beitrag dazu ist die Mitgliedschaft im Weltgewerkschaftsbund und die Mitarbeit im Gewerkschaftsnetzwerk der Europäischen Linken. Wichtig dabei sind freilich nicht verbale Bekenntnisse, sondern konkrete Maßnahmen. Dafür gibt es einige gute Beispiele, etwa den Kampf gegen die EU-Verfassung, gegen die Dienstleistungsrichtlinie, gegen die Hafenrichtlinie. Es wird darum gehen, auch für künftige grenzüberschreitende Kämpfe und Aktionen solche konkreten Themen zu finden.

Im Selbstverständnis des GLB, das wir 2005 als Ergebnis der letzten Bundeskonferenz beschlossen haben heißt es unter anderem: „Der GLB sieht sich ausschließlich den Interessen der Lohnabhängigen verpflichtet und lehnt daher jede Unterordnung unter Kapitalinteressen und Regierungspolitik ab. Er lehnt die von der ÖGB-Führung weiterhin verfolgte Politik der Sozialpartnerschaft ebenso ab wie eine Einordnung unter die Standortinteressen des Kapitals und die Politik der Sachzwänge. Der GLB vertritt ein breites Verständnis der ArbeiterInnenklasse als alle direkt oder indirekt Lohnabhängigen. Er ist bestrebt, der zunehmenden Entwicklung vom „normalen“ Arbeitsverhältnis hin zur prekären Beschäftigung Rechnung zu tragen. Maßstab der Gewerkschaftspolitik müssen alle Formen von Erwerbsarbeit sein. Der Kampf für die Gleichstellung der Frauen und von MigrantInnen ist für den GLB keine Frage einer fernen Zukunft, sondern eine ständig aktuelle Aufgabe.“

Ich denke, dass wir als GLB in den letzten zwei Jahren in diesem Sinne gehandelt haben. Der GLB ist eine kleine Fraktion und wir müssen uns immer unserer beschränkten Möglichkeiten bewusst sein. Vergleicht man unsere Präsenz bei Demonstrationen, Kundgebungen oder Konferenzen mit der Rolle in den Gewerkschaften, dann wird deutlich, dass unser politischer Einfluss weit größer ist als die zahlenmäßige Stärke.

Es geht darum, unsere Funktion im ÖGB möglichst exakt zu definieren. Wir können keine Bäume ausreißen, aber sehr wohl die Rolle als ein kritisches Ferment erfüllen, als Salz in den Wunden des ÖGB. Dabei ist der GLB immer auch offen für die Zusammenarbeit mit allen anderen kritischen Gruppen im ÖGB, die sich für eine fortschrittliche Gewerkschaftspolitik engagieren.

Die 2006 in aller Deutlichkeit zutage getretene Krise des ÖGB hat uns in vielen Einschätzungen bestätigt und uns einen gewissen Respekt verschafft, wenngleich es angesichts des Beharrungsvermögens der im ÖGB tonangebenden Kräfte nicht gelungen ist, hier eine Kursänderung zu erreichen. Wir werden also weiterhin in den verschiedenen Sektoren der Gewerkschaftsbewegung für eine andere, nämlich offensivere, kämpferische Gewerkschaftspolitik kämpfen müssen.

Als Kernforderungen für eine solche andere Gewerkschaftspolitik sehe ich eine Arbeitszeitverkürzung, einen gesetzlichen Mindestlohn, eine aktive Lohn- und Gehaltspolitik, die Umverteilung durch eine andere Steuerpolitik und den Kampf um die Erhaltung des öffentlichen Eigentums.

Dabei geht es auch um eine andere politische Kultur im ÖGB. Wenn der ÖGB Zukunft haben soll, ist ein Wandel von einer FunktionärInnengewerkschaft hin zu einer Mitgliedergewerkschaft unumgänglich. Dazu gehört etwa, dass bei wichtigen Entscheidungen, bei KV-Verhandlungen usw. Mitgliederbefragungen und Urabstimmungen selbstverständlich werden, wie das in anderen Ländern wie etwa in Deutschland selbstverständlich ist.

Der GLB ist einerseits Teil des überparteilichen ÖGB zu dem wir uns nach wie vor bekennen, weil es derzeit dazu auch keine realistische Alternative gibt. Andererseits sind wir aber innerhalb des ÖGB eine linke Opposition und müssen diesem Widerspruch in unserer Arbeit ständig Rechnung tragen. Wesentlich ist freilich, dass für uns nicht die Präsenz in Gremien vorrangig ist, sondern die Basis des GLB vor Ort in den Betrieben liegt. Die Erhaltung vorhandener und die Gewinnung neuer Positionen in Betriebsräten und Personalvertretungen ist das Um und Auf. Nur gestützt auf eine möglichst breite Präsenz in vielen Betrieben und Branchen kann unsere Position auch im ÖGB und in den Arbeiterkammern gesichert werden.

Im Jahre 2003 hat der GLB in einem Kurzprogramm mit dem Titel „Wofür steht der GLB?“ seine wichtigsten Positionen dargelegt. Unserer heutigen Bundeskonferenz liegt eine aktualisierte und etwas erweiterte Fassung dieses Forderungsprogramms vor. Damit wollen wir für alle an einer linken Gewerkschaftsarbeit interessierten Kolleginnen und Kollegen kurz und prägnant unsere Schwerpunkte und Vorstellungen präsentieren. Mit diesem Programm wollen wir in den nächsten Jahren für soziale, demokratische und gewerkschaftliche Fortschritte tätig sein. Machen wir in diesem Sinne die heutige Bundeskonferenz zu einem weiteren fortschrittlichen Impuls für die linke Gewerkschaftsbewegung.

Rede von Karin Antlanger bei der GLB-Bundeskonferenz am 23. Juni 2007. Es gilt das gesprochene Wort.