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„Wir werden immer mehr ausgepresst“

  • Mittwoch, 16. Mai 2007 @ 12:26
Meinung Arbeiten in der Autoindustrie am Beispiel von Magna-Steyr: Peter Scherz ist Arbeiterkammerrat des Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB) und Arbeiterbetriebsrat bei Magna-Steyr Graz. Als langjähriger Mitarbeiter des Unternehmens erlebte Peter Scherz, Arbeiterbetriebsrat bei Steyr-Magna Graz, die sich ab Mitte der 1990er-Jahre stetig verschärfende Situation für Arbeitnehmer in der Automobilbranche hautnah. Wie alles begann...

Wurde beim ÖGB-Kongress 1987 noch die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche mehrheitlich beschlossen, änderten sich alles rasch, als man Mitte der 1990er-Jahre in Vorbereitung auf die EU die so genannte Flexibilisierung einleitete. „Mit dem Aufkommen der Flexibilisierung auf Wunsch der Wirtschaft war die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ein Begräbnis erster Klasse“, erinnert sich Peter Scherz.

„Flexibilisierung aus volkswirtschaftlicher Sicht bedeutet“, erklärt Peter Scherz, „dass derjenige, der arbeitet, immer mehr ausgepresst werden soll, während diejenigen, die arbeitslos sind, erst recht keine Arbeit bekommen!“

Betriebe wollen keinen Betriebsrat

Waren bereits bisher bei Produktionsengpässen 10-Stunden-Schichten über einen längeren Zeitraum erlaubt, sieht das neue Regierungsübereinkommen dafür bis zu 12 Stunden lange Schichten vor. „Vor allem in Betrieben, wo es keinen Betriebsrat gibt, muss mit einer Verschärfung der Arbeitsbedingungen gerechnet werden“, warnt Peter Scherz. Fordert ein Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung ein, so muss der Arbeitgeber dieser Forderung nachgeben. „Daher will man auch in vielen Betrieben keinen Betriebsrat haben.“

Druck auf Arbeitnehmer wächst

Selbst wenn sich für Magna aufgrund der Betriebsvereinbarungen auch künftig nicht viel ändern wird, so wächst doch der Druck permanent. „Die EU-Erweiterung hat den Druck auf die Arbeitenden zusätzlich vergrößert. Man muss mehr leisten für weniger Geld, flexibler sein und zugleich zunehmend um den Verlust des Arbeitsplatzes fürchten.“ Teile der Produktion wurden auch bei Magna in Länder verlagert, wo billiger produziert werden kann.

Arbeiter als Katalogware

Perfekt ins Bild der Flexibilisierung passen die Leiharbeiter. Schon jeder siebente Arbeitnehmer bei Magna Steyr ist nur geliehen. Selbst wenn Leiharbeiter zu gleichen Bedingungen beschäftigt werden müssen wie die Stamm-Mitarbeiter und auch voll in den Betrieb integriert sind, gibt Peter Scherz zu bedenken: „Als Betriebsrat kann ich bei auftretenden Problemen nur für werkseigene Beschäftigte intervenieren. Hinzu kommt, dass gute Kollektivverträge durch den Leiharbeiter-Kollektivvertrag zunehmend unterwandert werden. Die heutigen Leiharbeiter sind die modernen Sklaven unserer Zeit! Bei Leiharbeitern kann der Arbeitgeber die Verleihfirma anrufen und sie einfach abbestellen.“ Wie ein Produkt aus einem Versandhauskatalog.

„Ich appelliere an die Solidarität!“

„Der soziale Sprengstoff, den die Materie birgt“, meint Peter Scherz, „ist der Gewerkschaft noch gar nicht bewusst!“ Denn: Ist ein Leiharbeiter krank, trägt der Unternehmer keinerlei Risiko. Die höchste Kündigungsfrist bei Leiharbeitern – selbst bei jahrelanger Beschäftigung – beträgt 7 Wochen. Ein Sprecher von Magna Steyr sagte vor einiger Zeit: „Leihkräfte sind unsere Manövriermasse. Damit schützen wir das Stammpersonal.”

„Der Applaus an dieser Stelle war nicht angebracht“, zeigt sich Peter Scherz enttäuscht, denn: „Auch bei Magna werden bestehende Arbeitskräfte sukzessive gegen Leiharbeiter ausgetauscht. Ich appelliere an den Solidaritätsgedanken unter den Beschäftigten, denn wir sitzen alle in einem Boot und haben die gleichen Interessen, egal, wo wir herkommen“, so sein Aufruf.

Quelle: Steirische Volksstimme, Nummer 4/2007, Mai 2007