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Gemeinsamer Antrag gegen Sozialbetrug

  • Dienstag, 7. November 2006 @ 14:38
Wien
In einem gemeinsamen Antrag von FSG, FA, GA, BM und GLB wurde bei der 145. AK-Vollversammlung in Wien am 7. November 2006 eine „Umfassende Bekämpfung systematischen Sozialbetrugs durch Unternehmer“ verlangt. Dieser Sozialbetrug existiert in Österreich in verschiedenen Formen, wie etwa der „klassischen“ Schwarzarbeit, Anmeldung auf der Grundlage eines zu niedrigen Entgelts, vorsätzlich unterlassene Beitragsabfuhr oder Einsatz von Scheinselbständigen. Das „Sozialbetrugsgesetz“ setzt fast nur auf strafrechtliche Lösungen, was erstens angesichts der großen Gewinnmöglichkeiten und der Schwierigkeit, die Täter zu finden, zu kurz greift. Zweitens sind die Straftatbestände so formuliert, dass sie kaum anwendbar sind. Drittens bleibt die an sich anerkennenswerte Einführung der Meldepflicht vor Beginn des Arbeitsverhältnisses zahnlos, weil ertappten Arbeitgebern kaum Sanktionen drohen.

Zugewiesen wurde ein Antrag des GLB, in welchem die Bundesregierung aufgefordert wird, für alle Kinder ein verpflichtendes Vorschuljahr einzuführen. Ein solches verpflichtendes Vorschuljahr, sichert die Gewährleistung der Ausbildung der sozialen und kognitiven Fähigkeiten in Hinblick auf die weitere Schulbildung – siehe PISA Studie.

Die Anträge im Wortlaut:

Gemeinsamer dringlicher Antrag von FSG, FA, GA, BM und GLB „Umfassende Bekämpfung systematischen Sozialbetrugs durch Unternehmer“: Systematischer Sozialbetrug durch Unternehmen existiert in Österreich in verschiedenen Formen:

Die „klassische“ Schwarzarbeit: Die Beschäftigten werden nicht zur Sozialversicherung gemeldet. Die Folgen: Fehlende Versicherungszeiten für die Arbeitnehmerinnen, fehlende Beitragseinnahmen für das Sozialsystem, das Ober Umwege vielfach doch wieder zur sozialen Absicherung der Betroffenen herangezogen wird (zB Mitversicherung in der Krankenversicherung, Ausgleichszulage, Sozialhilfe).

Anmeldung auf der Grundlage eines zu niedrigen Entgelts: Der Arbeitgeber meldet die Beschäftigten zwar an, jedoch auf geringerer Beitragsgrundlage, als es dem ausgezahlten Nettoentgelt und den arbeitsrechtlichen Ansprächen (zB kollektivvertraglicher Mindestlohn) entspricht. Den Arbeitnehmerinnen drohen Leistungsverluste zB bei Pension und Arbeitslosengeld, die Sozialversicherung erleidet Beitragsausfälle. Sowohl bei der klassischen Schwarzarbeit als auch bei der Anmeldung auf zu niederer Beitragsgrundlage besonders bemerkenswert: Der Arbeitgeber bleibt nicht nur seine Dienstgeberbeiträge schuldig, sondern unterschlägt auch die ja einen Bestandteil des Bruttolohns bildenden Dienstnehmerbeiträge.

Korrekte Anmeldung, vorsätzlich unterlassene Beitragsabfuhr Systematisch insbesondere im Baubereich, wo Kriminelle über Scheinfirmen Arbeitnehmer anmelden und dann an Bauunternehmen überlassen ohne jemals einen Cent an Beiträgen zu entrichten. Bis die Krankenkasse die Schwindelfirma in Konkurs treiben kann, vergehen Monate einer beitragsfreien Sozialversicherung; nach dem Konkurs – Vermögen existiert nicht, Hintermänner sind meist nicht greifbar - wird die nächste Scheingesellschaft eingesetzt. Gearbeitet wird oft auf den Baustellen großer und renommierter Baufirmen als Generalunternehmer. Fazit: enormer Einnahmenentgang und Verwaltungsaufwand für die Sozialversicherung.

Einsatz von Scheinselbständigen: Zur Umgehung arbeitsrechtlicher Ansprüche und von Sozialabgaben (häufig auch des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) bezeichnen Arbeitgeber abhängig Beschäftigte als selbständige Unternehmer, an die sie „Aufträge“ vergeben. Neben den arbeitsrechtlichen Einbußen verlieren die Arbeitnehmerinnen auch wichtige sozialrechtliche Ansprüche und übernehmen Beitragslasten des Arbeitgebers.

Das „Sozialbetrugsgesetz“ hat wenig Abhilfe gebracht: Erstens setzt es fast nur auf strafrechtliche Lösungen, was angesichts der großen Gewinnmöglichkeiten und - bei den kriminellen Scheinfirmen - der Schwierigkeit, die Täter zu finden, zu kurz greift. Zweitens sind die neuen Straftatbestände so formuliert, dass sie kaum anwendbar sind. Drittens bleibt die - an sich anerkennenswerte Einführung der Meldepflicht vor Beginn des Arbeitsverhältnisses zahnlos, weil ertappten Arbeitgebern („Der arbeitet erst seit gestern bei mir“) kaum Sanktionen drohen.

Die Vollversammlung der AK Wien fordert daher von der künftigen Bundesregierung ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der dargestellten Spielarten systematischen Sozialbetrugs. So ein Paket hat insbesondere zu enthalten:
• Spürbare Folgen bei Feststellung nicht angemeldeter Arbeitsverhältnisse (insbesondere Rechtsvermutung einer mehrmonatigen vorangegangenen Beschäftigung)
• Zugriff auf die Honorarflüsse von Generaluntemehmem zu ihren Sub- und Subsubfirmen, um sicher zu stellen, dass der Einsatz von Scheinfirmen zwecks Beitragshinterziehung keinen wirtschaftlichen Vorteil bringen kann
• Schließung von Schlupflöchern für Schwarzunternehmer im Gesellschafts-, Steuer- und Gewerberecht
• Ein wirksames Sanktionssystem für die verschiedenen Formen des Sozialbetrugs von gerichtlichen Strafen über Einziehung des erzielten Gewinns (zB im Zusammenhang mit gewonnenen Ausschreibungen auf Basis zu gering kalkulierter Arbeitskosten) bis hin zu Formen negativer Publizität für systematische Sozialbetrugsunternehmen (Auftragnehmerkataster, Veröffentlichung)
• Aufstockung der Ressourcen und Verbesserung der rechtlichen Möglichkeiten der Kontrollbehörden (Vereinfachung der Feststellung der Dienstnehmereigenschaft, Beschlagnahme von Beweismitteln, Betriebseinstellung usw)

Antrag des GLB: Verpflichtendes Vorschuljahr (wurde zugewiesen)

Die 145. Vollversammlung der AK fordert die künftige Bundesregierung auf, für alle Kinder ein verpflichtendes Vorschuljahr einzuführen. Ein solches verpflichtendes Vorschuljahr, sichert die Gewährleistung der Ausbildung der sozialen und kognitiven Fähigkeiten in Hinblick auf die weitere Schulbildung – siehe PISA Studie.