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Betriebsräte – nur noch vom Finanzmarkt getrieben?

  • Samstag, 14. April 2007 @ 12:40
Meinung Von Oliver Jonischkeit

Nicht nur die BetriebsrätInnen – auch d. ÖGB hat in den letzten Monaten seine Erfahrungen mit dem Finanzmarkt gemacht. Die von ihm gegründete „Bank f. Arbeit und Wirtschaft“, BAWAG, war auf dem Finanzmarkt sehr aktiv, auch auf dem hoch spekulativen. Den Eigentümer ÖGB hat das nicht weiter gestört, solange die Dividenden gestimmt haben – deshalb wurde auch nie gefragt, wie diese eigentlich zustande kommen. Weder von den politisch Verantwortlichen des ÖGB noch von seinen Vertretern im Aufsichtsrat, die dort aufgrund ihrer Funktionen in den Gewerkschaften, nicht jedoch aufgrund ihrer Kenntnisse bzgl. Bankgeschäfte saßen. Wie z.B. mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft HGPD ein gelernter Koch.

Beim Handel mit besonders spekulativen Hedge-Fonds gelang es der BAWAG, Millionen zu verspekulieren – beim Versuch, den Schaden wieder gut zu machen, setzte sie wieder u.a. auf Hedge-Fonds – und damit weitere Millionen in den Sand. Als Eigentümer unterschrieben schließlich der damalige ÖGB-Vorsitzende Fritz Verzetnitsch und der ÖGB-Finanzreferent Günter Weninger eine Haftungserklärung und garantierten damit mit dem Eigentum des ÖGB für die Verluste der BAWAG – sicherheitshalber ohne die zuständigen Gremien im ÖGB zu informieren.

Insgesamt entstand dem ÖGB ein Schaden von ca. 2,3 Mrd. Euro, der daraufhin die Bank verkaufen musste, in der sich auch der sagenumwobene Streikfonds des ÖGB befand, der – wie sich herausstellte – nur aus den BAWAG-Aktien bestand, also real gar nicht existierte. Nun ist der ÖGB nicht nur den – nicht vorhandenen – Streikfonds los, sondern auch seine Bank, die an die US-amerikanische Investmentgruppe Cerberus verkauft wurde.

Deren Konzept für die BAWAG sei ein österreichisches und würde so langfristig die Arbeitsplätze in der Bank sichern, behaupteten unmittelbar darauf der neue ÖGB-Präsident Hundstorfer unisono mit der Zentralbetriebsratsvorsitzenden der BAWAG. Und beide appellierten sogleich an die Betriebsratskörperschaften, etwaige Betriebsratsfonds in der BAWAG liegen zu lassen, die BAWAG sei nach wie vor Hausbank des ÖGB.

Aus aktuellem Anlass sei erwähnt, dass die BAWAG nun aufgrund des neuen Eigentümers alle kubanischen Konten schließen lässt und damit begonnen hat, die internationalem Recht widersprechenden Helmes-Burton-Gesetze umsetzt. Dies obwohl sich der ÖGB immer wieder gegen die Sanktionen gegen Cuba ausgesprochen hat. Pikanterweise war die BAWAG – zumindest bis zum Verkauf – nicht nur die Bank im Eigentum des ÖGB sondern auch die Hausbank der österreichischen Bundesregierung – dies nur am Rand.

Offensichtlich ist weder der Betriebsratsvorsitzenden der BAWAG noch dem ÖGB-Präsidenten klar, dass es Cerberus – wie allen Investmentfonds – vor allem darum geht, selbst ein gutes Geschäft zu machen. Und wenn es dazu förderlich ist, die Bank zunächst auszubauen und in den neuen EU-Ländern über die BAWAG Banken aufzukaufen, wird das gemacht. Wenn es dann an der Zeit ist, die gewinnbringenden Teile zu einem guten Preis loszuwerden, wird das gemacht und Cerberus werden die österreichischen Arbeitsplätze ebenso wenig interessieren wie jetzt.

Das unterscheidet den Finanzmarkt schon von normalen kapitalistischen Betrieben – ihnen geht es v.a. darum, günstig zu kaufen und möglichst gewinnbringend zu verkaufen – es geht ihm nicht darum, in der Produktion tätig zu sein. Um einen möglichst hohen Erlös zu erzielen, wird zunächst das gemacht, was auch bei kapitalistischen Konzernen inzwischen üblich ist. Große Betriebseinheiten werden geteilt, v.a. dann, wenn es möglich ist, KollegInnen dadurch in schlechtere Kollektivverträge (Tarifverträge) zu drängen, wie das z.B. in Österreich bei Siemens passiert – z.B. mit der Auslagerung des Großhandels, für dessen Beschäftigten nun auf einmal nicht mehr der Elektroindustrie-KV sondern der erheblich schlechtere Handels-KV gilt. Weiters hat die Zahl der LeiharbeiterInnen drastisch zugenommen, wobei sich große Konzerne praktischerweise gleich eigene Leiharbeitsfirmen leisten. Für diese gelten in der Regel erheblich schlechtere Bedingungen als für die „Stammbelegschaft“.

Sowohl die Beschäftigten wie auch die von ihnen gewählten Betriebsräte stehen inzwischen mit dem Rücken zur Wand, denn während Konzerne oder ausgegliederte Teilbereiche problemlos ins Ausland verlagert werden können, stehen sie vor verschlossener Tür. Beziehungsweise werden Beschäftigte wie Betriebsräte mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Produktionsverlagerung, auf die angeblich so hohen Produktionskosten in Österreich etc. massiv unter Druck gesetzt und setzen dann oft, in Panik geraten, auf die falsche Karte, indem sie sich damit erpressen lassen. Die Folge sind „freiwilliger“ Lohnverzicht bzw. Verzicht auf über dem Kollektivvertrag liegende Zahlungen, Verschlechterungen bei den Betriebsvereinbarungen – ist die Bereitschaft, Opfer zu bringen, um den eigenen Arbeitsplatz zu erhalten.

Diese Rechnung geht für Konzerne immer wieder auf – oft genug bleibt eine wütende Belegschaft zurück, die sich dann mit vom Betriebsrat oder der Gewerkschaft bezahltem Sarg und Trauerkranz vom dann letztlich trotzdem zugesperrten Betrieb verabschiedet wie das z.B. bei Semperit in Traiskirchen der Fall war.

Den Betriebsräten und Beschäftigten geht es natürlich in erster Linie darum, ihren Betrieb vor Ort zu erhalten und laufen dabei Gefahr, der kapitalistischen Standortlogik auf den Leim zu gehen – ganz nach dem Motto „besser unser Konzern sperrt die Produktionsstätten in Finnland als in Österreich“. Solidarität mit den in Finnland um ihre Arbeitsplätze kämpfenden KollegInnen findet dann praktisch nicht statt – Hauptsache, die eigene Haut ist gerettet.

Da die Situation umgekehrt aber in Finnland vermutlich ähnlich wäre, gibt es im umgekehrten Fall auch kaum Solidarität, wenn das eigene Werk geschlossen werden würde. So wichtig die Möglichkeit ist, europäische Betriebsräte zu gründen, wenn diese auch im Augenblick noch eher zahnlos sind, geht es vor allem darum, die Standortlogik zu überwinden und gemeinsam Strategien zu entwickeln, sich zu vernetzen und länderübergreifend Aktionen zu setzen.

Dabei sind aber auch die Gewerkschaften gefordert, die immer noch Einfluss, insbesondere auf Betriebsräte und Beschäftigte haben, auch wenn der Anteil jener, die in Gewerkschaften organisiert sind, geringer wird. Dazu müssen sich aber die Gewerkschaften ihrerseits von ihrer vermeintlich staatstragenden Funktion, in Österreich besonders ausgeprägt, und von der kapitalistischen Wachstumslogik verabschieden – beispielsweise davon, in der Lissabon-Strategie den Weg zu einer Beschäftigungs- und Sozialunion zu sehen.

Ein weiterer Hemmschuh ist die Vorstellung, Betriebsräte und Beschäftigte, also die Mitglieder vertreten zu können, ohne mit diesen gemeinsam zu gehen. In Österreich ist es so, dass Mitglieder in erster Linie als Zahler gerne gesehen sind – ansonsten ist ihre Mitwirkung nicht so sehr erwünscht, ganz nach dem Motto „wir tun eh alles für euch“. Anstatt auf eine in der Realität nicht vorhandene „europäische Sozialpartnerschaft“, auf den „sozialen Dialog“ zu setzen, wird es notwendig sein, sich zu vernetzen, die vorhandene Mobilisierungskraft auch zu nützen und zum Beispiel bei Werksschließungen eines Konzerns in einem Land zu Aktionen in Betrieben des Konzerns in allen Ländern, in denen er vertreten ist, zu kommen.

Meine Hoffnung in die derzeitigen Gewerkschaftsführungen der im EGB bzw. im IGB organisierten Gewerkschaften ist allerdings begrenzt – daher glaube ich, dass die Wiederbelebung des Weltgewerkschaftsbundes u.a. mit dem letzten Kongress in Havanna bzw. die Gründung des europäischen Regionalbüros des WGB ein richtiger Schritt in Richtung Vernetzung kämpferischer Gewerkschaften mit dem Ziel, zu Aktionen in den Ländern aber auch länderübergreifend zu kommen, war. Und – damit auch Werbung in eigener Sache – wir würden uns freuen, wenn wir künftig auch fortschrittliche GewerkschafterInnen aus Deutschland bei unseren Beratungen begrüßen können.

Input von Oliver Jonischkeit bei der 11. Gewerkschaftspolitischen Konferenz der Arbeitsgemeinschaft betrieb & gewerkschaft der Linkspartei.PDS am 14. April 2007 in Hamburg

Oliver Jonischkeit, Bundessekretär des Gewerkschaftlichen Linksblocks im ÖGB und Mitglied der Leitung des Regionalbüros Europa des Weltgewerkschaftsbundes