Zwischen Mindestlohn und Studiengebühren
- Montag, 23. April 2007 @ 11:50
Von Karin Antlanger
Nach sieben Jahren Zwangspause in der Ära der schwarzblau/orangen Regierung kehrte die SPÖ am 11. Jänner 2007 wieder auf die Regierungsbank zurück. Sie stellt mit Alfred Gusenbauer zwar den Bundeskanzler – inhaltlich hat sie sich allerdings weitgehend dem Diktat ihres Koalitionspartners ÖVP unterworfen. Kein Wunder, dass daher das Koalitionsabkommen in der sozialdemokratischen Parteibasis, in Gewerkschaftskreisen sowie bei Studierenden und Jugendlichen sehr umstritten ist. Maßgeblich dafür ist auch die Schwächung der Gewerkschaften im Gefolge der BAWAG-Krise. Der ÖGB ist nach seinem Canossagang am 1. Mai 2006 zu Kanzler Schüssel für eine Bundeshaftung für die BAWAG zum politischen Leichtgewicht geworden. War es früher selbstverständlich, dass SozialministerInnen aus den Reihen der Gewerkschaften kamen, so hatte der ÖGB diesmal nichts mitzureden. Und wo er es trotzdem konnte, ist es höchst kontraproduktiv für die Lohnabhängigen, etwa mit der Übernahme des von den Sozialpartnern formulierten Kapitels Arbeit und Wirtschaft in das Koalitionsabkommen.
Der Unmut über die Neuauflage der großen Koalition entzündete sich im Wesentlichen daran, dass einige zentrale Wahlversprechen der SPÖ bei den Koalitionsverhandlungen ohne Widerstand entsorgt wurden. Das gilt im Besonderen für die Beibehaltung der unsozialen Studiengebühren und den Kauf der Eurofighter. Die wesentlichsten Negativpunkte des Regierungsprogramms sind die Ausdehnung der Höchstarbeitszeit und des Ladenschlusses, die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge und der Mineralölsteuer, die Streichung des Arbeitslosengeldes bei Pfusch und Verschlechterung des Kündigungsschutzes für Lehrlinge. Ebenso hat sich die SPÖ mit den gravierenden Verschlechterungen durch die schwarzblauen „Pensionsreform“ abgefunden.
Die insbesondere von der SPÖ als europaweit innovatives Instrument zur Armutsbekämpfung hochgejubelte Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist de facto nichts anderes als Hartz IV auf österreichisch. Der nicht als Gesetz, sondern per General-Kollektivvertrag geplante Mindestlohn von tausend Euro brutto liegt mit 820 Euro netto unter der aktuellen Armutsgrenze von 848 Euro und mit 5,80 Euro Stundenlohn weit hinter gesetzlichen Regelungen vergleichbarer Länder (Luxemburg 9,08, Irland 8,30, Frankreich 8,27, Niederlande 8,13 Euro pro Stunde).
Völlig fehlen im Koalitionsabkommen jegliche Maßnahmen für die höchst notwendige Umverteilung, wie sie etwa die KPÖ im Wahlkampf unter der Losung „Es ist genug für alle da“ thematisiert hatte: Die Steuerprivilegien von Kapital und Vermögen durch Aufhebung der Vermögenssteuer und Schaffung der Privatstiftungen unter dem seinerzeitigen SPÖ-Finanzminister Lacina sowie Senkung der Körperschaftssteuer und Gruppenbesteuerung unter dem vormaligen Finanzminister Grasser bleiben aufrecht. Eine Wertschöpfungsabgabe ist für die künftige Regierung kein Thema. Eine Steuerreform wurde erst für das Ende der begonnenen Legislaturperiode angekündigt. Als Draufgabe auf das Regierungsprogramm wird nach einer Höchstgerichtsentscheidung außerdem die zuletzt mit 165 Millionen Euro veranschlagte Erbschaftssteuer abgeschafft.
Der 16. ÖGB-Bundeskongress im Jänner 2007 war daher im doppelten Sinne eine Enttäuschung für die mittlerweile auf 1,3 Millionen geschrumpften Mitglieder. Trotz mancher Kritik kann sich der ÖGB nicht dazu aufraffen auf eindeutige Distanz zur neoliberalen Regierungspolitik zu gehen. Gerade für einige weiterhin im Parlament vertretenen SpitzengewerkschafterInnen wird das Verhalten zu den anstehenden unsozialen Entscheidungen damit zu einer Gretchenfrage. Der GLB hat in einem „Offenen Brief“ die Frage aufgeworfen, ob für diese GewerkschafterInnen die Interessen der Mitglieder und Beschlüsse von Gewerkschaftskonferenzen oder die Parteiräson vorrangig sein werden und wird diese Abgeordneten damit entsprechend konfrontieren.
Die zweite Enttäuschung lieferte der Kongress damit, dass die nach dem Platzen der BAWAG-Bombe im Vorjahr virulent gewordene Krise nicht zu einem Neubeginn in Form eine radikalen Reform geführt hatte, sondern es der Gewerkschaftsbürokratie gelang die Wünsche der Basis so zu kanalisieren, dass sich im Prinzip nichts ändert und weiterhin die bekannte sozialpartnerschaftliche Stellvertreterpolitik gefahren wird. Geht es nach dem GLB, der für eine offensive Gewerkschaftspolitik steht, darf sich der ÖGB nicht mehr wie früher üblich dafür hergeben mit den „Sozialpartnern“ Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung im Auftrag der Regierung unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen. Die Gewerkschaften müssen sich nur den Interessen ihres Klientels verpflichtet sehen und bereit sein, diese auch im Widerstand gegen die Regierung durchzusetzen.
Karin Antlanger, Juristin und Sozialpädagogin, Betriebsratsvorsitzende von EXIT-sozial Linz, Bundesvorsitzende der Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB)
Beitrag für die Ausgabe Mai 2007 von „betrieb & gewerkschaft“, Zeitung der Arbeitsgemeinschaft betrieb & gewerkschaft der Linkspartei.PDS
Nach sieben Jahren Zwangspause in der Ära der schwarzblau/orangen Regierung kehrte die SPÖ am 11. Jänner 2007 wieder auf die Regierungsbank zurück. Sie stellt mit Alfred Gusenbauer zwar den Bundeskanzler – inhaltlich hat sie sich allerdings weitgehend dem Diktat ihres Koalitionspartners ÖVP unterworfen. Kein Wunder, dass daher das Koalitionsabkommen in der sozialdemokratischen Parteibasis, in Gewerkschaftskreisen sowie bei Studierenden und Jugendlichen sehr umstritten ist. Maßgeblich dafür ist auch die Schwächung der Gewerkschaften im Gefolge der BAWAG-Krise. Der ÖGB ist nach seinem Canossagang am 1. Mai 2006 zu Kanzler Schüssel für eine Bundeshaftung für die BAWAG zum politischen Leichtgewicht geworden. War es früher selbstverständlich, dass SozialministerInnen aus den Reihen der Gewerkschaften kamen, so hatte der ÖGB diesmal nichts mitzureden. Und wo er es trotzdem konnte, ist es höchst kontraproduktiv für die Lohnabhängigen, etwa mit der Übernahme des von den Sozialpartnern formulierten Kapitels Arbeit und Wirtschaft in das Koalitionsabkommen.
Der Unmut über die Neuauflage der großen Koalition entzündete sich im Wesentlichen daran, dass einige zentrale Wahlversprechen der SPÖ bei den Koalitionsverhandlungen ohne Widerstand entsorgt wurden. Das gilt im Besonderen für die Beibehaltung der unsozialen Studiengebühren und den Kauf der Eurofighter. Die wesentlichsten Negativpunkte des Regierungsprogramms sind die Ausdehnung der Höchstarbeitszeit und des Ladenschlusses, die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge und der Mineralölsteuer, die Streichung des Arbeitslosengeldes bei Pfusch und Verschlechterung des Kündigungsschutzes für Lehrlinge. Ebenso hat sich die SPÖ mit den gravierenden Verschlechterungen durch die schwarzblauen „Pensionsreform“ abgefunden.
Die insbesondere von der SPÖ als europaweit innovatives Instrument zur Armutsbekämpfung hochgejubelte Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist de facto nichts anderes als Hartz IV auf österreichisch. Der nicht als Gesetz, sondern per General-Kollektivvertrag geplante Mindestlohn von tausend Euro brutto liegt mit 820 Euro netto unter der aktuellen Armutsgrenze von 848 Euro und mit 5,80 Euro Stundenlohn weit hinter gesetzlichen Regelungen vergleichbarer Länder (Luxemburg 9,08, Irland 8,30, Frankreich 8,27, Niederlande 8,13 Euro pro Stunde).
Völlig fehlen im Koalitionsabkommen jegliche Maßnahmen für die höchst notwendige Umverteilung, wie sie etwa die KPÖ im Wahlkampf unter der Losung „Es ist genug für alle da“ thematisiert hatte: Die Steuerprivilegien von Kapital und Vermögen durch Aufhebung der Vermögenssteuer und Schaffung der Privatstiftungen unter dem seinerzeitigen SPÖ-Finanzminister Lacina sowie Senkung der Körperschaftssteuer und Gruppenbesteuerung unter dem vormaligen Finanzminister Grasser bleiben aufrecht. Eine Wertschöpfungsabgabe ist für die künftige Regierung kein Thema. Eine Steuerreform wurde erst für das Ende der begonnenen Legislaturperiode angekündigt. Als Draufgabe auf das Regierungsprogramm wird nach einer Höchstgerichtsentscheidung außerdem die zuletzt mit 165 Millionen Euro veranschlagte Erbschaftssteuer abgeschafft.
Der 16. ÖGB-Bundeskongress im Jänner 2007 war daher im doppelten Sinne eine Enttäuschung für die mittlerweile auf 1,3 Millionen geschrumpften Mitglieder. Trotz mancher Kritik kann sich der ÖGB nicht dazu aufraffen auf eindeutige Distanz zur neoliberalen Regierungspolitik zu gehen. Gerade für einige weiterhin im Parlament vertretenen SpitzengewerkschafterInnen wird das Verhalten zu den anstehenden unsozialen Entscheidungen damit zu einer Gretchenfrage. Der GLB hat in einem „Offenen Brief“ die Frage aufgeworfen, ob für diese GewerkschafterInnen die Interessen der Mitglieder und Beschlüsse von Gewerkschaftskonferenzen oder die Parteiräson vorrangig sein werden und wird diese Abgeordneten damit entsprechend konfrontieren.
Die zweite Enttäuschung lieferte der Kongress damit, dass die nach dem Platzen der BAWAG-Bombe im Vorjahr virulent gewordene Krise nicht zu einem Neubeginn in Form eine radikalen Reform geführt hatte, sondern es der Gewerkschaftsbürokratie gelang die Wünsche der Basis so zu kanalisieren, dass sich im Prinzip nichts ändert und weiterhin die bekannte sozialpartnerschaftliche Stellvertreterpolitik gefahren wird. Geht es nach dem GLB, der für eine offensive Gewerkschaftspolitik steht, darf sich der ÖGB nicht mehr wie früher üblich dafür hergeben mit den „Sozialpartnern“ Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung im Auftrag der Regierung unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen. Die Gewerkschaften müssen sich nur den Interessen ihres Klientels verpflichtet sehen und bereit sein, diese auch im Widerstand gegen die Regierung durchzusetzen.
Karin Antlanger, Juristin und Sozialpädagogin, Betriebsratsvorsitzende von EXIT-sozial Linz, Bundesvorsitzende der Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB)
Beitrag für die Ausgabe Mai 2007 von „betrieb & gewerkschaft“, Zeitung der Arbeitsgemeinschaft betrieb & gewerkschaft der Linkspartei.PDS