Der Preis der Mobilität
- Samstag, 7. April 2007 @ 17:05
Von Michael Schmida
Mobilität an sich ist nichts Schlechtes. In Bewegung bleiben, mobil zu sein, nicht einzurosten, Neues entdecken und in Alternativen zu denken, wer könnte dagegen schon was haben. Aber wir reden hier von einer selbst gewählten und nicht aufgedrängten Mobilität, deren wichtiges Merkmal es ist, dass sie eine geistige Mobilität ist. Demgegenüber lassen sich alle derzeit geführten Diskussionen um eine vergrößerte Mobilität als das genaue Gegenteil beschreiben: Nicht die frei wählbare, selbstbestimmte Form der Beweglichkeit steht im Mittelpunkt, sondern der fast naturwüchsige Zwang bei Strafe des Untergangs bzw. Abstiegs mobil bleiben zu müssen. Kurz: Es geht weniger um ein „wollen“, sondern schon eher um ein „müssen“ und „sollen“. Und natürlich geht es auch nicht in erster Linie um geistige Mobilitäten, die schlechtestenfalls noch unter dem Schlagwort „Lebenslanges Lernen“ als ständiger Anpassungsdruck der Arbeitskraft an veränderte Arbeitsplatz- und Ausbildungsanforderungen völlig verkürzt gehandelt werden.
Vielmehr geht es um eine räumliche und soziale Mobilität, die vom Menschen - reduziert auf seine Arbeitskraft - abverlangt werden. Dabei meint räumlich: Er bzw. sie soll seine/ihre Arbeitskraft als Ware möglichst unabhängig vom Wohn- bzw. Lebensmittelpunkt anbieten. Und unter sozialer Mobilität ist zu verstehen: Er/sie soll unabhängig vom Ausbildungs- und Berufsstand auch andere (in der Regel schlechter gestellte) Positionen annehmen. Auf diese zwei Formen der Mobilität beziehen sich die meisten der derzeit eingeforderten oder auch schon in bestimmten Regelungen umgesetzten Vorschläge und Forderungen etwa seitens Industrie- und Wirtschaftsverbände oder aber auch Regierung und AMS. In diesem Licht steht etwa der erst kürzlich zwischen SPÖ und ÖVP ausgehandelte Kompromiss im sog. „Facharbeiterstreit“, der vorsieht, höhere „Mobilitätsprämien“, aber auch verschärfte Zumutbarkeitsbestimmungen einzuführen.
In Österreich arbeiten laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) bereits derzeit 1,9 Millionen Menschen an einem anderen Ort als an jenem, in dem sie wohnen. Das sind um rund 455.000 mehr als vor 15 Jahren, ein Plus von 31 Prozent. Von diesen Pendlern fahren 75 Prozent mit dem Auto zur Arbeit. Insgesamt werden im Autopendlerverkehr täglich rund 55 Millionen Kilometer zurückgelegt. Das verursachte 2006 einen CO2-Ausstoß von 2,7 Millionen Tonnen, was nahezu einer Verdopplung gegenüber dem Jahr 1991 entspricht, rechnet der VCÖ vor. Damit ist eine Grenze der Arbeitsmobilität angesprochen: Durch die, wie kaum woanders vorzufindende, Zersiedelung des Landes in voneinander getrennte Schlaf-/Wohn- und Arbeitsorte bedeutet eine Zunahme der Mobilität an Arbeitskräften auch immer automatisch eine Zunahme an (motorisierten Individual-)Verkehr, mit all seinen schon als bekannt anzunehmenden Auswirkungen.
Eine andere Grenze der Arbeitsmobilität bezieht sich auf das neoliberale Grundverständnis, das den herrschenden Mobilitäts- und Arbeitsvorstellungen zugrunde liegt, und nur durch eine Sicht außerhalb dieses Grundverständnisses angesprochen bzw. angegriffen werden kann: Gegenwärtig haben alle Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsmobilität im Kern das Ziel die Konkurrenz der Arbeitskräfte untereinander zu mobilisieren und „Leistung“ als Bereitschaft zur Übernahme unangenehmer oder schlecht entlohnter Arbeiten zu erzwingen.
Das Gerede vom „leistungsfördernden Staat“ und Maßnahmen beispielsweise längere Anfahrtswege und damit -zeiten zum Arbeitsort als Form unbezahlter Lohnarbeitszeit in Kauf nehmen zu müssen gehen in diese Richtung. Alternative Vorstellungen müss(t)en hingegen neben einer Kritik an diesen Verschlechterungen und Erschwernissen der Lohnarbeitsverhältnisse, ganz allgemein, nach dem Sinn und Zweck von (entlohnter und nicht-entlohnter) Arbeit für die Gesellschaft, sowie die dafür aufgewendete Zeit und Mobilität fragen. Und damit im Grunde Möglichkeiten „grundsätzlich anderer Vergesellschaftungsformen einer neuen sozialen Infrastruktur“ (Joachim Hirsch, www.links-netz.de) thematisieren.
Michael Schmida ist HTL-Lehrer in Traun und lebt in Linz.
Mobilität an sich ist nichts Schlechtes. In Bewegung bleiben, mobil zu sein, nicht einzurosten, Neues entdecken und in Alternativen zu denken, wer könnte dagegen schon was haben. Aber wir reden hier von einer selbst gewählten und nicht aufgedrängten Mobilität, deren wichtiges Merkmal es ist, dass sie eine geistige Mobilität ist. Demgegenüber lassen sich alle derzeit geführten Diskussionen um eine vergrößerte Mobilität als das genaue Gegenteil beschreiben: Nicht die frei wählbare, selbstbestimmte Form der Beweglichkeit steht im Mittelpunkt, sondern der fast naturwüchsige Zwang bei Strafe des Untergangs bzw. Abstiegs mobil bleiben zu müssen. Kurz: Es geht weniger um ein „wollen“, sondern schon eher um ein „müssen“ und „sollen“. Und natürlich geht es auch nicht in erster Linie um geistige Mobilitäten, die schlechtestenfalls noch unter dem Schlagwort „Lebenslanges Lernen“ als ständiger Anpassungsdruck der Arbeitskraft an veränderte Arbeitsplatz- und Ausbildungsanforderungen völlig verkürzt gehandelt werden.
Vielmehr geht es um eine räumliche und soziale Mobilität, die vom Menschen - reduziert auf seine Arbeitskraft - abverlangt werden. Dabei meint räumlich: Er bzw. sie soll seine/ihre Arbeitskraft als Ware möglichst unabhängig vom Wohn- bzw. Lebensmittelpunkt anbieten. Und unter sozialer Mobilität ist zu verstehen: Er/sie soll unabhängig vom Ausbildungs- und Berufsstand auch andere (in der Regel schlechter gestellte) Positionen annehmen. Auf diese zwei Formen der Mobilität beziehen sich die meisten der derzeit eingeforderten oder auch schon in bestimmten Regelungen umgesetzten Vorschläge und Forderungen etwa seitens Industrie- und Wirtschaftsverbände oder aber auch Regierung und AMS. In diesem Licht steht etwa der erst kürzlich zwischen SPÖ und ÖVP ausgehandelte Kompromiss im sog. „Facharbeiterstreit“, der vorsieht, höhere „Mobilitätsprämien“, aber auch verschärfte Zumutbarkeitsbestimmungen einzuführen.
In Österreich arbeiten laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) bereits derzeit 1,9 Millionen Menschen an einem anderen Ort als an jenem, in dem sie wohnen. Das sind um rund 455.000 mehr als vor 15 Jahren, ein Plus von 31 Prozent. Von diesen Pendlern fahren 75 Prozent mit dem Auto zur Arbeit. Insgesamt werden im Autopendlerverkehr täglich rund 55 Millionen Kilometer zurückgelegt. Das verursachte 2006 einen CO2-Ausstoß von 2,7 Millionen Tonnen, was nahezu einer Verdopplung gegenüber dem Jahr 1991 entspricht, rechnet der VCÖ vor. Damit ist eine Grenze der Arbeitsmobilität angesprochen: Durch die, wie kaum woanders vorzufindende, Zersiedelung des Landes in voneinander getrennte Schlaf-/Wohn- und Arbeitsorte bedeutet eine Zunahme der Mobilität an Arbeitskräften auch immer automatisch eine Zunahme an (motorisierten Individual-)Verkehr, mit all seinen schon als bekannt anzunehmenden Auswirkungen.
Eine andere Grenze der Arbeitsmobilität bezieht sich auf das neoliberale Grundverständnis, das den herrschenden Mobilitäts- und Arbeitsvorstellungen zugrunde liegt, und nur durch eine Sicht außerhalb dieses Grundverständnisses angesprochen bzw. angegriffen werden kann: Gegenwärtig haben alle Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsmobilität im Kern das Ziel die Konkurrenz der Arbeitskräfte untereinander zu mobilisieren und „Leistung“ als Bereitschaft zur Übernahme unangenehmer oder schlecht entlohnter Arbeiten zu erzwingen.
Das Gerede vom „leistungsfördernden Staat“ und Maßnahmen beispielsweise längere Anfahrtswege und damit -zeiten zum Arbeitsort als Form unbezahlter Lohnarbeitszeit in Kauf nehmen zu müssen gehen in diese Richtung. Alternative Vorstellungen müss(t)en hingegen neben einer Kritik an diesen Verschlechterungen und Erschwernissen der Lohnarbeitsverhältnisse, ganz allgemein, nach dem Sinn und Zweck von (entlohnter und nicht-entlohnter) Arbeit für die Gesellschaft, sowie die dafür aufgewendete Zeit und Mobilität fragen. Und damit im Grunde Möglichkeiten „grundsätzlich anderer Vergesellschaftungsformen einer neuen sozialen Infrastruktur“ (Joachim Hirsch, www.links-netz.de) thematisieren.
Michael Schmida ist HTL-Lehrer in Traun und lebt in Linz.