EU-Politik des ÖGB: Lobbying statt Mobilisierung
- Samstag, 7. April 2007 @ 17:58
Von Oliver Jonischkeit
Der 1. Mai ist der internationale Kampf- und Feiertag der ArbeiterInnenbewegung – Zeit, sich einmal mit der Europapolitik des ÖGB, insbesondere im Rahmen der EU auseinanderzusetzen. Nicht zuletzt hat ja der ÖGB die Werbetrommel für den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union gerührt und auch BetriebsrätInnen in diese Kampagne mit einbezogen. Nach wie vor sieht die ÖGB-Führung in der EU ein großes Friedensprojekt und träumt von der Schaffung einer europäischen Beschäftigungs- und Sozialunion. Dabei unterliegt der ÖGB allerdings der kapitalistischen Wachstumslogik – erreicht werden soll diese nämlich unter anderem durch die Umsetzung der Lissabon-Strategie nach der einfachen Formel „mehr Wirtschaftswachstum bringt mehr Beschäftigung“. Letztlich geht es aber darum, einen großen kapitalistischen Markt zu schaffen, der mit den USA und mit Asien konkurrenzfähig ist. Von mehr Beschäftigung - im Sinne von Vollzeitarbeitsplätzen und nicht prekärer Arbeit, wie sie der ÖGB zu Recht fordert, ist nichts zu bemerken. Die Lissabon-Strategie wird vom ÖGB nach wie vor nicht grundsätzlich in Frage gestellt.
Weiters möchte der ÖGB, dass die europäische Beschäftigungs- und Sozialunion entweder in den bestehenden Verträgen oder in einem neuen Verfassungsentwurf verankert wird. Nach wie vor sieht der ÖGB in einer breiten Zustimmung der Bevölkerung zu einer EU-Verfassung den besten Garanten für seine „Sozialverträglichkeit“. Letzteres ist aufgrund der Erfahrungen mit der gescheiterten EU-Verfassung schwer nachvollziehbar, erkennt der ÖGB doch inzwischen, dass sich die Erwartungen in wesentlichen Punkten nicht erfüllt haben. Auch eine neue EU-Verfassung wird vorrangig das Ziel haben, die neoliberale bzw. kapitalistische Wirtschafts- und Währungspolitik bzw. die Militarisierung Europas festzuschreiben – daher sollten sich die Gewerkschaften durchringen, eine neue EU-Verfassung grundsätzlich abzulehnen.
Richtigerweise fordert der ÖGB von der EU unter dem Titel „nachhaltige Politik statt neoliberaler Ideologie“ ein wirksames Sozialsystem, aktive Arbeitsmarktpolitik, starke Gewerkschaften und gerechte Löhne“ und hält weiters fest, dass die Kapitaleinkommen steigen, während die Löhne der meisten Menschen stagnieren. Letzteres ist vielleicht auch ein bisschen als Selbstkritik zu verstehen – an den Kollektivvertragsabschlüssen in Österreich ist der ÖGB bzw. sind die österreichischen Gewerkschaften ja nicht ganz unbeteiligt und es stimmt nachdenklich, wenn sich Wirtschaftskammerpräsident Leitl ausgerechnet bei der letzten konstituierenden Sitzung der Wiener Arbeiterkammer bei den Gewerkschaften für die moderaten Lohnabschlüsse der vergangenen Jahre bedankt.
In der letzten EU-Erweiterung sieht der ÖGB Vorteile für viele Unternehmen und die österreichische Volkswirtschaft, die Grenzen sollen aber für ArbeiterInnen und Angestellte aus den Nachbarländern nach wie vor geschlossen bleiben. Im auf dem letzten Bundeskongress beschlossenen Leitantrag hält der ÖGB „aufgrund der weiterhin angespannten Arbeitsmarktlage beiderseits der Grenzen und des hohen Lohngefälles zwischen Österreich und den Nachbarstaaten an seiner Forderung nach Beibehaltung der Übergangsbestimmungen zur sozial verträglichen Anpassung des Arbeitsmarktes“ fest. Es soll zu keinen „schockartigen Wanderungen“ kommen. Diese Gefahr sieht nur der ÖGB und jene, die kommen wollen, tun das ohnehin – sind aber so entweder als „Selbstständige“ tätig oder in den illegalen Arbeitsmarkt gedrängt. Unter anderem deswegen kann der GLB diese Forderung nicht mittragen.
Die Forderung, dass es zu keiner weiteren Liberalisierung öffentlicher Dienste kommen darf, dagegen schon. Auch die geplanten Verschlechterungen bei der Arbeitszeitrichtlinie werden abgelehnt, kritische Positionen gibt es auch zur Dienstleistungsrichtlinie und zu anderen Bereichen.
Der ÖGB hat richtig erkannt, dass die Europäische Union in ihrer derzeitigen Verfassung nicht unser Europa ist und sich das Ziel gesetzt, die Entwicklung zu einem sozialen, demokratischen, ökologischen und solidarischen Europa mit einem Aktionsprogramm zu fördern, mit dem er seine Vision der EU gemeinsam mit den Menschen in Europa vorantreiben will.
Ein hochgestecktes Ziel – bei den Schritten, die der ÖGB setzen will, wird gleich als erstes die Verstärkung des Lobbying genannt. Das ist kein Wunder, schließlich ist auch auf europäischer Ebene der „Verhandlungspartner“ des Kapitals abhanden gekommen und damit das Erreichen einer „Sozialpartnerschaft“ auf europäischer Ebene schwierig – der „soziale Dialog“, auf den der ÖGB ebenso wie der Europäische Gewerkschaftsbund so viel Hoffnung setzt, stockt.
Erst als letzter Punkt werden auch Mobilisierung und Kampfmaßnahmen aufgeführt – von Straßenaktionen, Kundgebungen oder Betriebsversammlungen bis hin zu grenzüberschreitenden Aktionen. Gerade letztere haben zum Beispiel die von der EU geplante Hafenrichtlinie, die den Beschäftigen massive Verschlechterungen gebracht hätten, zu Fall gebracht. Das zeigt, wie notwendig die Vernetzung der Gewerkschaften untereinander, aber auch mit anderen kapitalismuskritischen Kräften ist – um in den einzelnen Ländern, aber auch gemeinsam für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu kämpfen.
Oliver Jonischkeit ist GLB-Bundessekretär im ÖGB und Mitglied des Europäischen Regionalbüros des WGB
Der 1. Mai ist der internationale Kampf- und Feiertag der ArbeiterInnenbewegung – Zeit, sich einmal mit der Europapolitik des ÖGB, insbesondere im Rahmen der EU auseinanderzusetzen. Nicht zuletzt hat ja der ÖGB die Werbetrommel für den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union gerührt und auch BetriebsrätInnen in diese Kampagne mit einbezogen. Nach wie vor sieht die ÖGB-Führung in der EU ein großes Friedensprojekt und träumt von der Schaffung einer europäischen Beschäftigungs- und Sozialunion. Dabei unterliegt der ÖGB allerdings der kapitalistischen Wachstumslogik – erreicht werden soll diese nämlich unter anderem durch die Umsetzung der Lissabon-Strategie nach der einfachen Formel „mehr Wirtschaftswachstum bringt mehr Beschäftigung“. Letztlich geht es aber darum, einen großen kapitalistischen Markt zu schaffen, der mit den USA und mit Asien konkurrenzfähig ist. Von mehr Beschäftigung - im Sinne von Vollzeitarbeitsplätzen und nicht prekärer Arbeit, wie sie der ÖGB zu Recht fordert, ist nichts zu bemerken. Die Lissabon-Strategie wird vom ÖGB nach wie vor nicht grundsätzlich in Frage gestellt.
Weiters möchte der ÖGB, dass die europäische Beschäftigungs- und Sozialunion entweder in den bestehenden Verträgen oder in einem neuen Verfassungsentwurf verankert wird. Nach wie vor sieht der ÖGB in einer breiten Zustimmung der Bevölkerung zu einer EU-Verfassung den besten Garanten für seine „Sozialverträglichkeit“. Letzteres ist aufgrund der Erfahrungen mit der gescheiterten EU-Verfassung schwer nachvollziehbar, erkennt der ÖGB doch inzwischen, dass sich die Erwartungen in wesentlichen Punkten nicht erfüllt haben. Auch eine neue EU-Verfassung wird vorrangig das Ziel haben, die neoliberale bzw. kapitalistische Wirtschafts- und Währungspolitik bzw. die Militarisierung Europas festzuschreiben – daher sollten sich die Gewerkschaften durchringen, eine neue EU-Verfassung grundsätzlich abzulehnen.
Richtigerweise fordert der ÖGB von der EU unter dem Titel „nachhaltige Politik statt neoliberaler Ideologie“ ein wirksames Sozialsystem, aktive Arbeitsmarktpolitik, starke Gewerkschaften und gerechte Löhne“ und hält weiters fest, dass die Kapitaleinkommen steigen, während die Löhne der meisten Menschen stagnieren. Letzteres ist vielleicht auch ein bisschen als Selbstkritik zu verstehen – an den Kollektivvertragsabschlüssen in Österreich ist der ÖGB bzw. sind die österreichischen Gewerkschaften ja nicht ganz unbeteiligt und es stimmt nachdenklich, wenn sich Wirtschaftskammerpräsident Leitl ausgerechnet bei der letzten konstituierenden Sitzung der Wiener Arbeiterkammer bei den Gewerkschaften für die moderaten Lohnabschlüsse der vergangenen Jahre bedankt.
In der letzten EU-Erweiterung sieht der ÖGB Vorteile für viele Unternehmen und die österreichische Volkswirtschaft, die Grenzen sollen aber für ArbeiterInnen und Angestellte aus den Nachbarländern nach wie vor geschlossen bleiben. Im auf dem letzten Bundeskongress beschlossenen Leitantrag hält der ÖGB „aufgrund der weiterhin angespannten Arbeitsmarktlage beiderseits der Grenzen und des hohen Lohngefälles zwischen Österreich und den Nachbarstaaten an seiner Forderung nach Beibehaltung der Übergangsbestimmungen zur sozial verträglichen Anpassung des Arbeitsmarktes“ fest. Es soll zu keinen „schockartigen Wanderungen“ kommen. Diese Gefahr sieht nur der ÖGB und jene, die kommen wollen, tun das ohnehin – sind aber so entweder als „Selbstständige“ tätig oder in den illegalen Arbeitsmarkt gedrängt. Unter anderem deswegen kann der GLB diese Forderung nicht mittragen.
Die Forderung, dass es zu keiner weiteren Liberalisierung öffentlicher Dienste kommen darf, dagegen schon. Auch die geplanten Verschlechterungen bei der Arbeitszeitrichtlinie werden abgelehnt, kritische Positionen gibt es auch zur Dienstleistungsrichtlinie und zu anderen Bereichen.
Der ÖGB hat richtig erkannt, dass die Europäische Union in ihrer derzeitigen Verfassung nicht unser Europa ist und sich das Ziel gesetzt, die Entwicklung zu einem sozialen, demokratischen, ökologischen und solidarischen Europa mit einem Aktionsprogramm zu fördern, mit dem er seine Vision der EU gemeinsam mit den Menschen in Europa vorantreiben will.
Ein hochgestecktes Ziel – bei den Schritten, die der ÖGB setzen will, wird gleich als erstes die Verstärkung des Lobbying genannt. Das ist kein Wunder, schließlich ist auch auf europäischer Ebene der „Verhandlungspartner“ des Kapitals abhanden gekommen und damit das Erreichen einer „Sozialpartnerschaft“ auf europäischer Ebene schwierig – der „soziale Dialog“, auf den der ÖGB ebenso wie der Europäische Gewerkschaftsbund so viel Hoffnung setzt, stockt.
Erst als letzter Punkt werden auch Mobilisierung und Kampfmaßnahmen aufgeführt – von Straßenaktionen, Kundgebungen oder Betriebsversammlungen bis hin zu grenzüberschreitenden Aktionen. Gerade letztere haben zum Beispiel die von der EU geplante Hafenrichtlinie, die den Beschäftigen massive Verschlechterungen gebracht hätten, zu Fall gebracht. Das zeigt, wie notwendig die Vernetzung der Gewerkschaften untereinander, aber auch mit anderen kapitalismuskritischen Kräften ist – um in den einzelnen Ländern, aber auch gemeinsam für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu kämpfen.
Oliver Jonischkeit ist GLB-Bundessekretär im ÖGB und Mitglied des Europäischen Regionalbüros des WGB