Gewerkschaften zwischen Wiederaufbau und Bürgerkrieg
- Montag, 26. März 2007 @ 11:56
Von Thomas Schmidinger
Irakische Gewerkschaften konnten sich in den letzten Jahren zwar reorganisieren, leiden jedoch wie die gesamte Gesellschaft unter dem Klima des Terrors und der Unsicherheit und den damit verbundenen ökonomischen Problemen. Der Sturz Saddam Husseins durch die Invasion internationaler Truppen unter Führung der USA brachte auch für viele irakischen Linke – trotz des fahlen Beigeschmacks ausgerechnet vom „imperialistischen Feind“ befreit werden zu müssen – neue Hoffnung. Nach der blutigen Zerschlagung und Unterdrückung aller unabhängigen Gewerkschaften und anderer Organisationen der einst starken ArbeiterInnenbewegung des Irak, sahen sie nun aber zumindest eine Chance diese wieder aufzubauen und als Arbeiterinnen und Arbeiter eigenständige Interessensvertretungen aufzubauen. Im irakischen Untergrund aktiv gebliebene ArbeiterInnen – vielfach Mitglieder der Irakischen Kommunistischen Partei – trafen nach dem April 2003 erstmals auf Rückkehrer aus dem Exil, die Willens waren wieder am Aufbau von unabhängigen Gewerkschaften mitzuarbeiten.
Dabei kam es teilweise auch zu neuen Allianzen alter Feinde, die im Dezember 2005 in der Gründung der General Federation of Iraqi Workers (GFIW) mündeten. In ihr hatten sich die Iraqi Federation of Trade Unions (IFTU), eine aus dem linken Untergrund unter Beteiligung von Funktionären der KP hervorgegangene Gewerkschaft, die General Federation of Trade Unions (GFTU), die ehemalige pro-baathistische Staatsgewerkschaft und die General Federation of Iraq Trade Unions (GFITU), eine Abspaltung der GFTU, zusammengeschlossen.
Neben der GFIW blieb die Federation of Workers´ Councils and Unions (FWCUI), eine im Dezember 2003 gegründete den linksradikalen Arbeiterkommunisten nahe stehende Gewerkschaftsföderation, als linke Richtungsgewerkschaft bestehen. Daneben sind heute mit der Iraq Teachers Union (ITU), der General Union of Oil Employees (GUOE) oder der Iraqi Journalists Union einige weitere unabhängige Berufsverbände aktiv. In Irakisch-Kurdistan konnten sich bereits nach dem Aufstand von 1991 mit der Kurdistan General Workers Syndicate Union und der Iraqi Kurdistan Workers Syndicate Union zwei Gewerkschaften etablieren, die jeweils einer der großen kurdischen Parteien PUK und KDP nahe stehen.
Dem Erfolg überhaupt wieder eigene Gewerkschaften gründen zu können, steht insbesondere seit 2004 jedoch das Problem gegenüber, dass auch gewerkschaftliche Aktivitäten stark unter der Bedrohung durch Anschläge und schließlich durch die fortschreitende Ethnisierung der Konflikte im Irak bedroht sind. Zwar gibt es deutliche Lebenszeichen einer neuen ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung, wie der Streik von 15.000 Ölarbeiter der Southern Oil in Basra vom 7. Juli 2005, in dem die Arbeiter der GUOE u.a. die Entfernung von Baathisten aus Leitungspositionen und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen forderten, der Streik von Arbeitern der Pipelinegesellschaft vom August 2006, dem sich auch Arbeiter aus der Gasförderung anschlossen, Demonstrationen für die Interessen der ArbeiterInnen, der Frauen oder StudentInnen. Zugleich kommen jedoch insbesondere linke GewerkschafterInnen zunehmend in das Fadenkreuz von Terrorgruppen, aber auch von islamistischen Milizen, denen jedes Engagement jenseits der eigenen Strukturen ein Dorn im Auge ist.
Unabhängige Gewerkschaften sind für den Irak aber nichts Neues. Gewerkschaftsarbeit kann im Irak auf einer langen Tradition von Interessens- und Klassenkämpfen aufbauen. Bereits 1927 kam es in Bagdad zum ersten großen Streik der Eisenbahner, die ein Arbeitsrecht und Organisationsfreiheit für Gewerkschaften forderten. Zwei Jahre später gründeten eben diese Eisenbahner die erste offizielle Gewerkschaft des Irak. Nach der formalen Unabhängigkeit des Irak bildete sich die Workers Trade Union unter dem legendären Gewerkschaftsführer Salih al-Qazzaz, die bereits 1933 einen Monat lang einen Boykott der britischen Elektrizitätsgesellschaft in Bagdad organisierte um damit gegen Preiserhöhungen zu protestieren.
Obwohl 1936 gewerkschaftliche Organisationen wieder verboten wurden, kam es im März 1937 zu einem Streik der Hafenarbeiter von Basra, der sich zu einer Streikwelle, die auch die Eisenbahner, die Zigarettenarbeiter in Bagdad, die Textilarbeiter in Najaf und die Ölindustrie in Kirkuk erfasste. In den folgenden Jahren spielte die zunehmend erstarkte Kommunistische Partei des Irak eine wichtige Rolle in der Gewerkschaftsbewegung, die ständig neue Berufsgruppen erfasste und weiter mit Streiks und lokalen Aufständen auf sich aufmerksam machte. Die einzelnen Berufsgruppen fanden nach der Revolution von 1958 schließlich in der stark kommunistisch beeinflussten General Federation of Trade Unions (GFTU) zusammen.
Der ersten Putsch der Baath-Partei 1963, der mit Unterstützung des CIA zu einer blutigen Verfolgung von KommunistInnen und anderen Linken führte, kostete auch hunderten GewerkschafterInnen das Leben aber erst nach dem zweiten Militärputsch der Baathisten von 1968 und dem von Moskau erzwungenen Eintritt der Irakischen Kommunistischen Partei in eine Koalitionsregierung mit der Baath-Partei gelang des dem neuen Regime die GFTU schrittweise gleichzuschalten. Als die Kommunistische Partei und mit ihr jede Aktivität der ArbeiterInnenbewegung endgültig verboten wurde, konnten unabhängige Gewerkschafter dem nichts mehr entgegen setzen. Jeder Versuch einer unabhängigen Organisierung der Arbeiterklasse wurde seither vom Regime unterdrückt, die GFTU zu einer von vielen regimetreuen Massenorganisationen und Repressionsinstrumente gegen die irakischen ArbeiterInnen.
Erst der Sturz des Baath-Regimes 2003 ermöglichte wieder den Aufbau von Gewerkschaften die diesen Namen auch verdienen. Ob diese die Interessen der irakischen Arbeiterklasse auch effektiv vertreten können, wird jedoch auch von der gesamtpolitischen Entwicklung des Irak abhängen.
Webtips:
General Federation of Iraqi Workers (GFIW): www.iraqitradeunions.org
Federation of Workers´Councils and Unions (FWCUI): www.uuiraq.org
Solidaritätsaktion mit irakischen Gewerkschaften: www.tuc.org.uk/iraqappeal
Österreichisch-Irakischer Freundschaftsverein IRAQUNA: www.iraquna.at
Wadi: im Irak tätige Hilfsorganisation: www.wadinet.at
Buchtipp: Abdullah Muhsin / Alan Johnson: Hadi Never Died. Hadi Saleh and the Iraqi Trade Unions, London, 2006, TUC-Trade Union Congress House, ISBN: 1 85006 761 9, Preis: £ 10
Hadi Saleh war einer jener engagierten linken irakischen Gewerkschafter, die nach dem Sturz Saddam Husseins die Rückkehr in den Irak wagten um dort an die Tradition der linken ArbeiterInnenbewegung anzuknüpfen und beim Aufbau unabhängiger Gewerkschaften mitzuarbeiten. Nach seiner bestialischen Ermordung durch islamistische Terroristen im Jänner 2005, beschlossen seine Freunde und Genossen Abdullah Mushin von der Federation of Iraqi Workers und Alan Johnson, der Herausgeber von www.democratiya.com und Mitarbeiter der „Labour Friends of Iraq“ ein Gedenkbuch für den 1949 geborenen Gewerkschafter herauszubringen, das sie in Anlehnung an ein Gedicht von Alfred Hayes über Joe Hill „Hadi Never Died“ nannten. Das Buch erzählt jedoch nicht nur die Geschichte dieses mutigen Kämpfers für die irakische ArbeiterInnenbewegung, sondern die Geschichte dieser Bewegung selbst, von den Anfängen unter britischer Protektoratsherrschaft über die Verfolgungen unter Saddam Hussein bis zum Wiederaufbau der Gewerkschaften seit 2003.
Thomas Schmidinger ist Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien, Flüchtlingsbetreuer, Obmann der im Irak tätigen Hilfsorganisation WADI und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für kritische Antisemitismusforschung und des Österreichisch-Irakischen Freundschaftsvereins IRAQUNA.
Irakische Gewerkschaften konnten sich in den letzten Jahren zwar reorganisieren, leiden jedoch wie die gesamte Gesellschaft unter dem Klima des Terrors und der Unsicherheit und den damit verbundenen ökonomischen Problemen. Der Sturz Saddam Husseins durch die Invasion internationaler Truppen unter Führung der USA brachte auch für viele irakischen Linke – trotz des fahlen Beigeschmacks ausgerechnet vom „imperialistischen Feind“ befreit werden zu müssen – neue Hoffnung. Nach der blutigen Zerschlagung und Unterdrückung aller unabhängigen Gewerkschaften und anderer Organisationen der einst starken ArbeiterInnenbewegung des Irak, sahen sie nun aber zumindest eine Chance diese wieder aufzubauen und als Arbeiterinnen und Arbeiter eigenständige Interessensvertretungen aufzubauen. Im irakischen Untergrund aktiv gebliebene ArbeiterInnen – vielfach Mitglieder der Irakischen Kommunistischen Partei – trafen nach dem April 2003 erstmals auf Rückkehrer aus dem Exil, die Willens waren wieder am Aufbau von unabhängigen Gewerkschaften mitzuarbeiten.
Dabei kam es teilweise auch zu neuen Allianzen alter Feinde, die im Dezember 2005 in der Gründung der General Federation of Iraqi Workers (GFIW) mündeten. In ihr hatten sich die Iraqi Federation of Trade Unions (IFTU), eine aus dem linken Untergrund unter Beteiligung von Funktionären der KP hervorgegangene Gewerkschaft, die General Federation of Trade Unions (GFTU), die ehemalige pro-baathistische Staatsgewerkschaft und die General Federation of Iraq Trade Unions (GFITU), eine Abspaltung der GFTU, zusammengeschlossen.
Neben der GFIW blieb die Federation of Workers´ Councils and Unions (FWCUI), eine im Dezember 2003 gegründete den linksradikalen Arbeiterkommunisten nahe stehende Gewerkschaftsföderation, als linke Richtungsgewerkschaft bestehen. Daneben sind heute mit der Iraq Teachers Union (ITU), der General Union of Oil Employees (GUOE) oder der Iraqi Journalists Union einige weitere unabhängige Berufsverbände aktiv. In Irakisch-Kurdistan konnten sich bereits nach dem Aufstand von 1991 mit der Kurdistan General Workers Syndicate Union und der Iraqi Kurdistan Workers Syndicate Union zwei Gewerkschaften etablieren, die jeweils einer der großen kurdischen Parteien PUK und KDP nahe stehen.
Dem Erfolg überhaupt wieder eigene Gewerkschaften gründen zu können, steht insbesondere seit 2004 jedoch das Problem gegenüber, dass auch gewerkschaftliche Aktivitäten stark unter der Bedrohung durch Anschläge und schließlich durch die fortschreitende Ethnisierung der Konflikte im Irak bedroht sind. Zwar gibt es deutliche Lebenszeichen einer neuen ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung, wie der Streik von 15.000 Ölarbeiter der Southern Oil in Basra vom 7. Juli 2005, in dem die Arbeiter der GUOE u.a. die Entfernung von Baathisten aus Leitungspositionen und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen forderten, der Streik von Arbeitern der Pipelinegesellschaft vom August 2006, dem sich auch Arbeiter aus der Gasförderung anschlossen, Demonstrationen für die Interessen der ArbeiterInnen, der Frauen oder StudentInnen. Zugleich kommen jedoch insbesondere linke GewerkschafterInnen zunehmend in das Fadenkreuz von Terrorgruppen, aber auch von islamistischen Milizen, denen jedes Engagement jenseits der eigenen Strukturen ein Dorn im Auge ist.
Unabhängige Gewerkschaften sind für den Irak aber nichts Neues. Gewerkschaftsarbeit kann im Irak auf einer langen Tradition von Interessens- und Klassenkämpfen aufbauen. Bereits 1927 kam es in Bagdad zum ersten großen Streik der Eisenbahner, die ein Arbeitsrecht und Organisationsfreiheit für Gewerkschaften forderten. Zwei Jahre später gründeten eben diese Eisenbahner die erste offizielle Gewerkschaft des Irak. Nach der formalen Unabhängigkeit des Irak bildete sich die Workers Trade Union unter dem legendären Gewerkschaftsführer Salih al-Qazzaz, die bereits 1933 einen Monat lang einen Boykott der britischen Elektrizitätsgesellschaft in Bagdad organisierte um damit gegen Preiserhöhungen zu protestieren.
Obwohl 1936 gewerkschaftliche Organisationen wieder verboten wurden, kam es im März 1937 zu einem Streik der Hafenarbeiter von Basra, der sich zu einer Streikwelle, die auch die Eisenbahner, die Zigarettenarbeiter in Bagdad, die Textilarbeiter in Najaf und die Ölindustrie in Kirkuk erfasste. In den folgenden Jahren spielte die zunehmend erstarkte Kommunistische Partei des Irak eine wichtige Rolle in der Gewerkschaftsbewegung, die ständig neue Berufsgruppen erfasste und weiter mit Streiks und lokalen Aufständen auf sich aufmerksam machte. Die einzelnen Berufsgruppen fanden nach der Revolution von 1958 schließlich in der stark kommunistisch beeinflussten General Federation of Trade Unions (GFTU) zusammen.
Der ersten Putsch der Baath-Partei 1963, der mit Unterstützung des CIA zu einer blutigen Verfolgung von KommunistInnen und anderen Linken führte, kostete auch hunderten GewerkschafterInnen das Leben aber erst nach dem zweiten Militärputsch der Baathisten von 1968 und dem von Moskau erzwungenen Eintritt der Irakischen Kommunistischen Partei in eine Koalitionsregierung mit der Baath-Partei gelang des dem neuen Regime die GFTU schrittweise gleichzuschalten. Als die Kommunistische Partei und mit ihr jede Aktivität der ArbeiterInnenbewegung endgültig verboten wurde, konnten unabhängige Gewerkschafter dem nichts mehr entgegen setzen. Jeder Versuch einer unabhängigen Organisierung der Arbeiterklasse wurde seither vom Regime unterdrückt, die GFTU zu einer von vielen regimetreuen Massenorganisationen und Repressionsinstrumente gegen die irakischen ArbeiterInnen.
Erst der Sturz des Baath-Regimes 2003 ermöglichte wieder den Aufbau von Gewerkschaften die diesen Namen auch verdienen. Ob diese die Interessen der irakischen Arbeiterklasse auch effektiv vertreten können, wird jedoch auch von der gesamtpolitischen Entwicklung des Irak abhängen.
Webtips:
General Federation of Iraqi Workers (GFIW): www.iraqitradeunions.org
Federation of Workers´Councils and Unions (FWCUI): www.uuiraq.org
Solidaritätsaktion mit irakischen Gewerkschaften: www.tuc.org.uk/iraqappeal
Österreichisch-Irakischer Freundschaftsverein IRAQUNA: www.iraquna.at
Wadi: im Irak tätige Hilfsorganisation: www.wadinet.at
Buchtipp: Abdullah Muhsin / Alan Johnson: Hadi Never Died. Hadi Saleh and the Iraqi Trade Unions, London, 2006, TUC-Trade Union Congress House, ISBN: 1 85006 761 9, Preis: £ 10
Hadi Saleh war einer jener engagierten linken irakischen Gewerkschafter, die nach dem Sturz Saddam Husseins die Rückkehr in den Irak wagten um dort an die Tradition der linken ArbeiterInnenbewegung anzuknüpfen und beim Aufbau unabhängiger Gewerkschaften mitzuarbeiten. Nach seiner bestialischen Ermordung durch islamistische Terroristen im Jänner 2005, beschlossen seine Freunde und Genossen Abdullah Mushin von der Federation of Iraqi Workers und Alan Johnson, der Herausgeber von www.democratiya.com und Mitarbeiter der „Labour Friends of Iraq“ ein Gedenkbuch für den 1949 geborenen Gewerkschafter herauszubringen, das sie in Anlehnung an ein Gedicht von Alfred Hayes über Joe Hill „Hadi Never Died“ nannten. Das Buch erzählt jedoch nicht nur die Geschichte dieses mutigen Kämpfers für die irakische ArbeiterInnenbewegung, sondern die Geschichte dieser Bewegung selbst, von den Anfängen unter britischer Protektoratsherrschaft über die Verfolgungen unter Saddam Hussein bis zum Wiederaufbau der Gewerkschaften seit 2003.
Thomas Schmidinger ist Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien, Flüchtlingsbetreuer, Obmann der im Irak tätigen Hilfsorganisation WADI und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für kritische Antisemitismusforschung und des Österreichisch-Irakischen Freundschaftsvereins IRAQUNA.