Vorrang für Gewerkschaftsinteressen oder Parteiräson?
- Sonntag, 4. März 2007 @ 10:52
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Politisch geht es bei der Ausübung solcher Mandate aber um einen tiefgehenden Interessenkonflikt: für alle GewerkschafterInnen in Parlamenten stellt sich nämlich immer wieder die Frage, ob für sie die Interessen der Gewerkschaftsmitglieder und die Beschlüsse von ÖGB und Teilgewerkschaften Vorrang haben oder ob sie sich der Fraktionsdisziplin ihrer jeweiligen Partei unterwerfen und damit aber oft gegen Gewerkschaftsinteressen handeln.
In früheren Jahrzehnten mit einem großen Verteilungsspielraum konnte dieser Konflikt noch mit dem Argument vermeintlich akzeptabler Kompromisse gerechtfertigt werden. Mit zunehmender Verengung des Verteilungsspielraums in der Phase des neoliberalen Kapitalismus und seiner Ideologie, staatliche Leistungen zu reduzieren und öffentliches Eigentum zu privatisieren, gilt das zweifellos nicht mehr.
Als Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB stellen wir daher die Frage an die GewerkschafterInnen, welche Mandate in Parlamenten ausüben, wie sie es mit grundlegenden gewerkschaftlichen Positionen halten:
- Werden sie der Verlängerung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit und der Ladenöffnungszeiten zustimmen?
- Werden sie der geplanten Aufweichung des Kündigungsschutzes von Lehrlingen zustimmen?
- Werden sie einem Pflegemodell zustimmen, das allen elementaren Ansprüchen bezüglich Arbeitszeit Hohn spricht und einen Frontalangriff auf die Arbeitsbedingungen im Gesundheits- und Sozialbereich darstellt?
- Werden sie der sich abzeichnenden Privatisierung von Teilen der ÖBB zustimmen?
- Werden sie einer möglichen Aufhebung des zweiten Verstaatlichtengesetzes, welches eine öffentliche Mehrheit im Energiesektor vorschreibt ihre Stimme geben?
- Werden sie die unsoziale Studiengebühr mit ihrer Stimme weiterhin sanktionieren?
Wir sehen dringenden Erklärungsbedarf in diesen wichtigen sozialen Fragen gegenüber den Gewerkschaftsmitgliedern. Wir fordern daher jene GewerkschafterInnen, die als Abgeordnete im Parlament vertreten sind, auf, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. Wir werden sie bei der Behandlung dieser Fragen und den Abstimmungen darüber an die Beschlüsse der Gewerkschaften, an die Beschlüsse des letzten ÖGB-Bundeskongresses und an die Interessen der Gewerkschaftsmitglieder erinnern.“