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Vom Knickpunkt

  • Dienstag, 27. Februar 2007 @ 11:09
Meinung Von Rudi Hieblinger, Magistrat Wien, MA 13 Städtische Büchereien

Es hätte eine der üblichen Bücherei-Abendveranstaltungen werden können: Viel Organisation im Vorhinein bei peinlichster Einhaltung sämtlicher dienstrechtlicher Vorschriften, viel Reklame, banges Zittern um zahlreichen Besuch, danach eine mit dreckigem Geschirr voll gestopfte Büchereibüroküche, wenig Dank & Anerkennung von Seiten der Dienststellenleitung im Nachhinein, Zeitausgleichsstunden, gutgeschrieben für den Sankt Nimmerleinstag. Am 20. Februar 2007 aber ist es anders gekommen. Die Bücherei Penzing hatte den bekannten Journalisten & Polemiker Henryk M. Broder eingeladen, sein neuestes Buch „Hurra, wir kapitulieren. Von der Lust am Einknicken“ vorzustellen & daraus zu lesen.

In diesem Buch kritisiert Broder die Politik des Zurückweichens westlicher Regierungen, politischer Institutionen, von Konzernen, aber auch Nicht-Regierungsorganisationen aller Art vor dem Druck religiöser Vereinigungen & Institutionen, namentlich muslimischer. Diese Appeasement-Politik, die der Autor mit zahlreichen Beispielen aus der jüngsten Vergangenheit belegt, sei nichts anderes als falsch verstandene Toleranz & könne zu einem Rückfall Europas hinter die noch verbliebenen Errungenschaften der europäischen Aufklärung führen.

Die „Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen“ intervenierte daraufhin bei der Dienststellenleitung der für die Büchereien Wien & deren Aktivitäten zuständigen Magistratsabteilung (MA) 13 & erreichte von dieser kurz vor Beginn der Veranstaltung offensichtlich die Zusage, dass aus der Buchpräsentation & Lesung eine Podiumsdiskussion zwischen dem Autor & dem obersten Repräsentanten der muslimischen Vereinigung DI Tarafa Baghajati gemacht werden müsse.

Die Leiterin der Bücherei Penzing weigerte sich (wie auch der geladene Autor), eine solche abrupte Programmänderung hinzunehmen. Anstatt dem beleidigten Vertreter einer sich beleidigt fühlenden religiösen Organisation einen Platz auf dem Podium einzuräumen, wies sie ihm einen Sessel in der ersten Reihe zu, von dem aus er sich nach der stattgefundenen Lesung an der Diskussion beteiligen konnte.

Das genügte ihm aber nicht, & so intervenierte er telefonisch abermals bei der Dienststellenleitung der MA 13, welche im Gegenzug heftig auf die widerstrebende Büchereileiterin einzuwirken versuchte & mit Konsequenzen für diese drohte, auch nachdem die Veranstaltung wie geplant in Gang gekommen war. Dank der Zivilcourage der Büchereileiterin wurde die Veranstaltung aber nicht zu dem gemacht, was sich die religiöse Institution vorgestellt hatte.

Es bleibt aber trotzdem ein gehöriges Maß an Unbehagen darüber, dass eine säkulare Einrichtung wie eine Magistratsabteilung den Begehrlichkeiten religiöser Gruppierungen nachgibt & gegen die eigenen Bediensteten vorgeht. & natürlich halten politische Gruppierungen wie die Wiener FPÖ mit Hilfe solcher Vorgaben ihr eigenes Süppchen namens „daham statt Islam“ am Köcheln.

Im Übrigen wurde der Umstand, dass die Leiterin der Bücherei Penzing mit Konsequenzen irgendwelcher Art bedroht worden ist, entschieden bestritten. Es hatte ja nur eine telefonische, niemals jedoch eine schriftliche Weisung gegeben. Vorsichtshalber wurde der Büchereileiterin aber untersagt, irgendwelche Informationen oder Stellungnahmen zu diesem Fall abzugeben. Die Mitarbeiter & Mitarbeiterinnen des Magistrats können sich also für die nähere Zukunft auf so einiges gefasst machen.