Trotz Arbeiterbewegung keine wirkliche Veränderung
- Sonntag, 25. Februar 2007 @ 12:51
Von Josef Schmee
Immer schon war es auch die Frau, die an der Produktion von Dingen für den Lebensunterhalt mitgewirkt hat. In Urgesellschaften waren es überhaupt nur die Frauen, die die notwendigen Dinge alleine hergestellt haben. A. Bebel schrieb einmal, dass die Frau das erste menschliche Wesen war, das die Knechtschaft zu spüren bekam, sie war Sklavin, ehe noch der Begriff „Sklave“ existierte. Somit war die Urform der Frauenfrage die Diskriminierung der Frau. Zwar änderte sich mit den Jahrhunderten die Form der Ausbeutung, jedoch der Inhalt blieb letztlich gleich. Für Engels, der sich - wie bekannt - intensiv mit dem Problem der Ausbeutung der Frauen befasst hat, war die den Frauen übergebene Führung des Haushaltes genauso gut eine öffentliche, also eine gesellschaftlich notwendige Industrie wie etwa die Beschaffung der Nahrungsmittel - etwa durch die Jagd - der Männer. Erst durch den Übergang zur monogamen Einzelfamilie wurde die Haushaltsführung ein Privatdienst und die Frau dadurch zur ersten Dienstbotin.
Unabhängig davon, ob man diese Erklärung der Ausgangslage akzeptiert oder nicht, bleibt doch die These, dass der Begriff des Haushalts im Sinne des produktiven Aktivitätsbereiches der Frau ursprünglich sehr weit war und alle Tätigkeiten umfasste, die der Beschaffung des Lebensunterhalts dienten. Das Streben der Menschen, über arbeitsteilige Produktionsprozesse mehr und besser zu produzieren, musste zwangsläufig zur Aufgabe der Autarkie in einem wachsenden Teilbereich des wirtschaftlichen Daseins und damit zu einer Einengung des – autarken – Haushaltsbereiches führen, in dem die Frau traditionell tätig war (Weissel, 1976).
Zwar wurde der Tätigkeitsbereich der Frau außerhalb des Haushaltes nicht als Normalfall angesehen, jedoch ist auch die Ansicht nicht haltbar, so Weissel, dass etwa die Zünfte im Mittelalter von Beginn an gegen weibliche Mitglieder gewesen seien. Für die besitzende Klasse existierte damals kein Frauenproblem, ganz anders war jedoch die Situation der besitzlosen Klasse, die sich etwa nur über die Prostitution über Wasser halten konnte. Nachteilig wirkte sich jedoch später die wachsende Produktion auf die Zünfte und somit auf die Frauen aus: die Zünfte begannen, um der stärker werdenden Konkurrenz Herr zu werden, die Frauen aus den unterschiedlichen Gewerben zu verdrängen, d.h. das Gewerbe mutierte mehr und mehr zu einer ausschließlich den Männern vorbehaltenen Produktionsform. Die Argumentation für das Vorgehen der Frauen war – wie immer – sehr fadenscheinig: es wurden natürliche Gründe ins Feld geführt, um den Aufbau von künstlichen Barrieren zu rechtfertigen.
Es war natürlich nicht so, dass die Frau für die Produktion nicht benötigt wurde, es war nur so, dass sie von der Warenproduktion ausgeschlossen wurde. Die künstlichen Barrieren wurden dann auf zweifache Art und Weise vom vorwärtsstrebenden kapitalistischen System aufgehoben: zum einen entstand die Fabriksproduktion, die einen massiven Einsatz weiblicher Arbeitskräfte benötigte, zum anderen entstand die Hausindustrie, in der ebenfalls massenhaft weibliche Arbeitskräfte zum Einsatz gelangten.
Für Lily Braun war die Hausindustrie ein „Bastard, den der Großbetrieb mit seinem Kebsweib, der Not, zeugte“ (Lily Braun, 1901, S. 226). In der Hausindustrie war eine große Anzahl von Frauen erwerbstätig, ohne dass sie formal den Haushaltsbereich verlassen haben. Was immer auch für Gründe ausschlaggebend waren, welchen der beiden Wege die Frauen beschritten haben, so hat sich dort und dort an der Doppelbelastung der Frauen nichts geändert, denn sie waren darüber hinaus auch noch für den Haushalt verantwortlich.
Im 19. Jahrhundert löste diese Entwicklung der Frauenarbeit zwei unterschiedliche Reaktionen aus: Für das christlich-bürgerliche Lager war es klar, dass diese Entwicklung so nicht geduldet wurde. Die Frauen sollten von der Erwerbsarbeit „befreit“ werden und sie sollten sich stärker oder überhaupt ganz auf den Haushalt konzentrieren. Zwar wurde die Erwerbstätigkeit allein stehender Frauen noch als legitim angesehen (von irgendetwas mussten sie ja leben), so wurde jene der Ehefrauen als überflüssig, ja sogar als schädlich angesehen. Hier kristallisierte sich schon sehr gut sichtbar ein Hauptproblem der Frauenfrage heraus: die Konkurrenzbeziehung zu den Männern.
Dieser Standpunkt wurde von der Arbeiterbewegung zunächst geteilt, jedoch mit einer anderen Begründung: viele Resolutionen etc. forderten das Verbot der Frauenarbeit unter Hinweis auf deren lohndrückenden Effekt und gesundheitsschädlichen Wirkung. Letztlich setzte sich dann doch der radikalere Teil der Arbeiterbewegung durch: Die Tätigkeit der Frau in der Warenproduktion wurde nicht abgelehnt, sondern sie wurde als Teil der Emanzipationsbestrebung der Frau angesehen. In diesem Zusammenhang verweist Erwin Weissel auf Clara Zetkin, die zum Problem der Kindererziehung klar sagte, die öffentliche Erziehung soll Bürger erziehen, das Haus starke Persönlichkeiten“ (Weissel, 1976). Dieser Ausspruch, der mehr als 100 Jahre alt ist, harrt immer noch auf seine Verwirklichung.
Es war die Sozialgesetzgebung in der „Ersten Republik“, die den Gewerkschaften endlich eine ihr zustehende Position im wirtschaftlichen und politischen Leben verschaffte. Damit einhergehend verzeichneten die Gewerkschaften einen großen Zulauf an MitgliederInnen: Waren im Jahr 1919 rund 772.000 Personen Gewerkschaftsmitglieder, so stieg die Zahl ein Jahr später auf bereits 900.000 an; davon waren rund ein Viertel Frauen. Diese positive Entwicklung schlug sich jedoch nicht in einer entsprechenden Form im Wahlergebnis nieder: Weissel zeigt auf, dass selbst auch dann, wenn der Mann Arbeiter war und vielleicht auch sozialdemokratisch wählte, viele der Frauen einer bürgerlichen Partei ihre Stimme gaben.
Eine der Schwierigkeiten war, so Weissel, dass die Arbeiterinnen schwer zu organisieren waren, denn sie wurden jahrhundertelang vom politischen Leben ferngehalten. Die zweite Ursache, die Weissel anführt, hat schon mehr Gewicht. Er führt aus, dass die Sozialdemokratische Partei nicht in der Lage war, ihre Vorstellungen als Alternative zur bürgerlich-christlichen Welt „an die Frau“ zu bringen. Diese Ursache trifft auch noch voll auf den heutigen Zustand der Sozialdemokratie zu, nur mit dem einen gewaltigen Unterschied, dass es keine nennenswerten Unterschiede im Parteiprofil von Sozialdemokratie und bürgerlich-autoritären Parteien mehr gibt. Therese Schlesinger hat in diesem Zusammenhang mit Recht die Misserfolge bei den weiblichen Wählern darauf zurückgeführt, dass die Arbeiterinnen von ihren männlichen Kollegen schlicht und einfach im Stich gelassen wurden.
Auch auf einer anderen gesellschaftlichen Front wurden die Frauen von den Männern nicht unterstützt. In den Konsumvereinen etwa, einem wichtigen Pfeiler der österreichischen Arbeiterbewegung, lagen die Durchschnittslöhne der Frauen erheblich unter jenen der Männer. Engels hat mit seiner Feststellung immer noch Recht, die da lautete: In der Ehe ist der Mann der Bourgeois, während die Frau das Proletariat repräsentierte. Auch die bescheidene Revolution am Beginn der Zwischenkriegszeit änderte nichts daran.
Warum sich an der Frauenfront nichts wirklich Entscheidendes getan hat, hat viele Väter: Ein erster Grund ist darin zu sehen, das zwar die wenigen engagierten Teile der Arbeiterbewegung die Frauenfrage gestellt und die Frauen gleichberechtigt am politischen Geschehen haben teilnehmen lassen; aufgrund der zahlenmäßig bescheidenen gesellschaftlichen Gruppe war der Erfolg jedoch nicht von einem durchschlagenden Erfolg gekrönt.
Ein anderer Grund liegt darin, dass die Sozialdemokratie Frauenfragen nur soweit zugelassen hat, als diese nicht an der Macht der Männer in der Partei gekratzt haben. Ein dritter Grund liegt natürlich auch in der „Naivität“ der Frauen selbst begründet: Zwar schaffen wenige den Aufstieg in machtvolle Positionen - sind sie jedoch doch einmal angekommen, dann agieren sie zwar meist sozialer als ihre männlichen Kollegen; am Ergebnis ändert sich für die betroffene Belegschaft meist dadurch nur sehr wenig. Dies auch deshalb, da sich die Frauen dann selbst oft der gleichen Verhaltensmuster wie jene der Männern bedienen. Dieses geschieht oftmals nicht freiwillig, jedoch verhilft es den Frauen, so glauben sie zumindest, dass sie dadurch leichter im Betrieb überleben können. Welch ein Trugschluss!
Ganz allgemein beginnt eine Frauenpolitik, so sie einen solchen Namen überhaupt verdient, mit einer Teilhabe der Frauen am wirtschafts- und gesellschaftlichen System gemäß den Ergebnissen der Volkszählung: Sie müssten daher mit 53 Prozent in allen wichtigen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Entscheidungssektoren vertreten sein. Ein anderer Hebel zur Umsetzung einer Frauenpolitik ist nach wie vor die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit.
Diese beiden Forderungen haben jedoch nur dann Erfolg, wenn die Frauen endlich aufhören zu glauben, dass irgendjemand das für sie in Angriff nehmen wird. Besonders seien hier die so genannten Volksvertreter im Parlament, aber auch die Vertreter der österreichischen Arbeiterbewegung, genannt. Erstgenannte Gruppe denkt jedoch zuerst nur an sich selbst, und dann kommt lange nichts. Auch die von linker Seite immer wieder (oder auch nicht) geforderte Revolution wird der Frauenfrage nicht dienen, denn viele ihrer AnhängerInnen sind ja selbst Teil des Problems der Frauenfrage.
Ein Anstoß zur Umsetzung wichtiger Frauenfragen könnte etwa durch das „Prinzip der Verweigerung“ gesetzt werden. So wie der Austritt von hunderten Menschen als Mitglieder im ÖGB oder in den politischen Parteien die herrschende Klasse dort unter erheblichen Druck bringen könnte, so würde eine strategische Verweigerung der Teilnahme am gesellschafts- und wirtschaftspolitischen System in Österreich die Frauen ein erhebliches Stück weiter in ihrem berechtigten Kampf bringen. Leicht ist eine solche Politik der strategischen Verweigerung gerade nicht, aber was bekommen die Frauen im Kapitalismus schon umsonst?
Verwendete Literatur:
• Braun, Lily: Die Frauenfrage, Leipzig 1901;
• Weissel, Erwin: Die Ohnmacht des Sieges. Wien 1976.
• Zetkin, Clara: Die Arbeiterinnen- und Frauenfrage der Gegenwart, Berlin 1889.
Immer schon war es auch die Frau, die an der Produktion von Dingen für den Lebensunterhalt mitgewirkt hat. In Urgesellschaften waren es überhaupt nur die Frauen, die die notwendigen Dinge alleine hergestellt haben. A. Bebel schrieb einmal, dass die Frau das erste menschliche Wesen war, das die Knechtschaft zu spüren bekam, sie war Sklavin, ehe noch der Begriff „Sklave“ existierte. Somit war die Urform der Frauenfrage die Diskriminierung der Frau. Zwar änderte sich mit den Jahrhunderten die Form der Ausbeutung, jedoch der Inhalt blieb letztlich gleich. Für Engels, der sich - wie bekannt - intensiv mit dem Problem der Ausbeutung der Frauen befasst hat, war die den Frauen übergebene Führung des Haushaltes genauso gut eine öffentliche, also eine gesellschaftlich notwendige Industrie wie etwa die Beschaffung der Nahrungsmittel - etwa durch die Jagd - der Männer. Erst durch den Übergang zur monogamen Einzelfamilie wurde die Haushaltsführung ein Privatdienst und die Frau dadurch zur ersten Dienstbotin.
Unabhängig davon, ob man diese Erklärung der Ausgangslage akzeptiert oder nicht, bleibt doch die These, dass der Begriff des Haushalts im Sinne des produktiven Aktivitätsbereiches der Frau ursprünglich sehr weit war und alle Tätigkeiten umfasste, die der Beschaffung des Lebensunterhalts dienten. Das Streben der Menschen, über arbeitsteilige Produktionsprozesse mehr und besser zu produzieren, musste zwangsläufig zur Aufgabe der Autarkie in einem wachsenden Teilbereich des wirtschaftlichen Daseins und damit zu einer Einengung des – autarken – Haushaltsbereiches führen, in dem die Frau traditionell tätig war (Weissel, 1976).
Zwar wurde der Tätigkeitsbereich der Frau außerhalb des Haushaltes nicht als Normalfall angesehen, jedoch ist auch die Ansicht nicht haltbar, so Weissel, dass etwa die Zünfte im Mittelalter von Beginn an gegen weibliche Mitglieder gewesen seien. Für die besitzende Klasse existierte damals kein Frauenproblem, ganz anders war jedoch die Situation der besitzlosen Klasse, die sich etwa nur über die Prostitution über Wasser halten konnte. Nachteilig wirkte sich jedoch später die wachsende Produktion auf die Zünfte und somit auf die Frauen aus: die Zünfte begannen, um der stärker werdenden Konkurrenz Herr zu werden, die Frauen aus den unterschiedlichen Gewerben zu verdrängen, d.h. das Gewerbe mutierte mehr und mehr zu einer ausschließlich den Männern vorbehaltenen Produktionsform. Die Argumentation für das Vorgehen der Frauen war – wie immer – sehr fadenscheinig: es wurden natürliche Gründe ins Feld geführt, um den Aufbau von künstlichen Barrieren zu rechtfertigen.
Es war natürlich nicht so, dass die Frau für die Produktion nicht benötigt wurde, es war nur so, dass sie von der Warenproduktion ausgeschlossen wurde. Die künstlichen Barrieren wurden dann auf zweifache Art und Weise vom vorwärtsstrebenden kapitalistischen System aufgehoben: zum einen entstand die Fabriksproduktion, die einen massiven Einsatz weiblicher Arbeitskräfte benötigte, zum anderen entstand die Hausindustrie, in der ebenfalls massenhaft weibliche Arbeitskräfte zum Einsatz gelangten.
Für Lily Braun war die Hausindustrie ein „Bastard, den der Großbetrieb mit seinem Kebsweib, der Not, zeugte“ (Lily Braun, 1901, S. 226). In der Hausindustrie war eine große Anzahl von Frauen erwerbstätig, ohne dass sie formal den Haushaltsbereich verlassen haben. Was immer auch für Gründe ausschlaggebend waren, welchen der beiden Wege die Frauen beschritten haben, so hat sich dort und dort an der Doppelbelastung der Frauen nichts geändert, denn sie waren darüber hinaus auch noch für den Haushalt verantwortlich.
Im 19. Jahrhundert löste diese Entwicklung der Frauenarbeit zwei unterschiedliche Reaktionen aus: Für das christlich-bürgerliche Lager war es klar, dass diese Entwicklung so nicht geduldet wurde. Die Frauen sollten von der Erwerbsarbeit „befreit“ werden und sie sollten sich stärker oder überhaupt ganz auf den Haushalt konzentrieren. Zwar wurde die Erwerbstätigkeit allein stehender Frauen noch als legitim angesehen (von irgendetwas mussten sie ja leben), so wurde jene der Ehefrauen als überflüssig, ja sogar als schädlich angesehen. Hier kristallisierte sich schon sehr gut sichtbar ein Hauptproblem der Frauenfrage heraus: die Konkurrenzbeziehung zu den Männern.
Dieser Standpunkt wurde von der Arbeiterbewegung zunächst geteilt, jedoch mit einer anderen Begründung: viele Resolutionen etc. forderten das Verbot der Frauenarbeit unter Hinweis auf deren lohndrückenden Effekt und gesundheitsschädlichen Wirkung. Letztlich setzte sich dann doch der radikalere Teil der Arbeiterbewegung durch: Die Tätigkeit der Frau in der Warenproduktion wurde nicht abgelehnt, sondern sie wurde als Teil der Emanzipationsbestrebung der Frau angesehen. In diesem Zusammenhang verweist Erwin Weissel auf Clara Zetkin, die zum Problem der Kindererziehung klar sagte, die öffentliche Erziehung soll Bürger erziehen, das Haus starke Persönlichkeiten“ (Weissel, 1976). Dieser Ausspruch, der mehr als 100 Jahre alt ist, harrt immer noch auf seine Verwirklichung.
Es war die Sozialgesetzgebung in der „Ersten Republik“, die den Gewerkschaften endlich eine ihr zustehende Position im wirtschaftlichen und politischen Leben verschaffte. Damit einhergehend verzeichneten die Gewerkschaften einen großen Zulauf an MitgliederInnen: Waren im Jahr 1919 rund 772.000 Personen Gewerkschaftsmitglieder, so stieg die Zahl ein Jahr später auf bereits 900.000 an; davon waren rund ein Viertel Frauen. Diese positive Entwicklung schlug sich jedoch nicht in einer entsprechenden Form im Wahlergebnis nieder: Weissel zeigt auf, dass selbst auch dann, wenn der Mann Arbeiter war und vielleicht auch sozialdemokratisch wählte, viele der Frauen einer bürgerlichen Partei ihre Stimme gaben.
Eine der Schwierigkeiten war, so Weissel, dass die Arbeiterinnen schwer zu organisieren waren, denn sie wurden jahrhundertelang vom politischen Leben ferngehalten. Die zweite Ursache, die Weissel anführt, hat schon mehr Gewicht. Er führt aus, dass die Sozialdemokratische Partei nicht in der Lage war, ihre Vorstellungen als Alternative zur bürgerlich-christlichen Welt „an die Frau“ zu bringen. Diese Ursache trifft auch noch voll auf den heutigen Zustand der Sozialdemokratie zu, nur mit dem einen gewaltigen Unterschied, dass es keine nennenswerten Unterschiede im Parteiprofil von Sozialdemokratie und bürgerlich-autoritären Parteien mehr gibt. Therese Schlesinger hat in diesem Zusammenhang mit Recht die Misserfolge bei den weiblichen Wählern darauf zurückgeführt, dass die Arbeiterinnen von ihren männlichen Kollegen schlicht und einfach im Stich gelassen wurden.
Auch auf einer anderen gesellschaftlichen Front wurden die Frauen von den Männern nicht unterstützt. In den Konsumvereinen etwa, einem wichtigen Pfeiler der österreichischen Arbeiterbewegung, lagen die Durchschnittslöhne der Frauen erheblich unter jenen der Männer. Engels hat mit seiner Feststellung immer noch Recht, die da lautete: In der Ehe ist der Mann der Bourgeois, während die Frau das Proletariat repräsentierte. Auch die bescheidene Revolution am Beginn der Zwischenkriegszeit änderte nichts daran.
Warum sich an der Frauenfront nichts wirklich Entscheidendes getan hat, hat viele Väter: Ein erster Grund ist darin zu sehen, das zwar die wenigen engagierten Teile der Arbeiterbewegung die Frauenfrage gestellt und die Frauen gleichberechtigt am politischen Geschehen haben teilnehmen lassen; aufgrund der zahlenmäßig bescheidenen gesellschaftlichen Gruppe war der Erfolg jedoch nicht von einem durchschlagenden Erfolg gekrönt.
Ein anderer Grund liegt darin, dass die Sozialdemokratie Frauenfragen nur soweit zugelassen hat, als diese nicht an der Macht der Männer in der Partei gekratzt haben. Ein dritter Grund liegt natürlich auch in der „Naivität“ der Frauen selbst begründet: Zwar schaffen wenige den Aufstieg in machtvolle Positionen - sind sie jedoch doch einmal angekommen, dann agieren sie zwar meist sozialer als ihre männlichen Kollegen; am Ergebnis ändert sich für die betroffene Belegschaft meist dadurch nur sehr wenig. Dies auch deshalb, da sich die Frauen dann selbst oft der gleichen Verhaltensmuster wie jene der Männern bedienen. Dieses geschieht oftmals nicht freiwillig, jedoch verhilft es den Frauen, so glauben sie zumindest, dass sie dadurch leichter im Betrieb überleben können. Welch ein Trugschluss!
Ganz allgemein beginnt eine Frauenpolitik, so sie einen solchen Namen überhaupt verdient, mit einer Teilhabe der Frauen am wirtschafts- und gesellschaftlichen System gemäß den Ergebnissen der Volkszählung: Sie müssten daher mit 53 Prozent in allen wichtigen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Entscheidungssektoren vertreten sein. Ein anderer Hebel zur Umsetzung einer Frauenpolitik ist nach wie vor die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit.
Diese beiden Forderungen haben jedoch nur dann Erfolg, wenn die Frauen endlich aufhören zu glauben, dass irgendjemand das für sie in Angriff nehmen wird. Besonders seien hier die so genannten Volksvertreter im Parlament, aber auch die Vertreter der österreichischen Arbeiterbewegung, genannt. Erstgenannte Gruppe denkt jedoch zuerst nur an sich selbst, und dann kommt lange nichts. Auch die von linker Seite immer wieder (oder auch nicht) geforderte Revolution wird der Frauenfrage nicht dienen, denn viele ihrer AnhängerInnen sind ja selbst Teil des Problems der Frauenfrage.
Ein Anstoß zur Umsetzung wichtiger Frauenfragen könnte etwa durch das „Prinzip der Verweigerung“ gesetzt werden. So wie der Austritt von hunderten Menschen als Mitglieder im ÖGB oder in den politischen Parteien die herrschende Klasse dort unter erheblichen Druck bringen könnte, so würde eine strategische Verweigerung der Teilnahme am gesellschafts- und wirtschaftspolitischen System in Österreich die Frauen ein erhebliches Stück weiter in ihrem berechtigten Kampf bringen. Leicht ist eine solche Politik der strategischen Verweigerung gerade nicht, aber was bekommen die Frauen im Kapitalismus schon umsonst?
Verwendete Literatur:
• Braun, Lily: Die Frauenfrage, Leipzig 1901;
• Weissel, Erwin: Die Ohnmacht des Sieges. Wien 1976.
• Zetkin, Clara: Die Arbeiterinnen- und Frauenfrage der Gegenwart, Berlin 1889.