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Der Bart ist ab - was kommt als Nächstes?

  • Dienstag, 13. Februar 2007 @ 11:40
Meinung Von Karin Antlanger

Kaum ist der Advent vorbei, wo sich die ÖsterreicherInnen für soziale Zwecke bei jedem Punschstand die Leber zu Stein gesoffen haben, da spielt der neue Sozialminister Erwin Buchinger Trendsetter für „Haareschneiden für soziale Zwecke“. Nach dem Abgang von Karl Heinz Grasser braucht das Seitenblicke-Publikum einen neuen Regierungs-Liebling, was bei Gusenbauers Kabinett nicht viele Möglichkeiten offen lässt. Als der bayrische Kabarettist Gerhard Polt im Jänner im Linzer Landestheater gastierte, hatte er in seinem Programm eine Szene, in der ein von Hartz IV betroffener Arbeitsloser eine Niere gespendet hatte, um zu Geld zu kommen. Ich fand diese Szene damals ein wenig zu knapp an der Grenze zur Geschmacklosigkeit. Seit der öffentlichen Schur von Sozialminister Buchinger weiß ich wieder einmal mehr, dass die Realität weitaus geschmackloser ist.

Für Buchinger war das öffentliche Haarelassen bislang auch die einzige soziale Tat in seiner noch kurzen Amtszeit. Die im Regierungsübereinkommen angekündigte Mindestsicherung ist schließlich nach langem Verhandeln unter seiner Federführung zu einer österreichischen Variante von Hartz IV verkommen. Um in den Genuss einer Mindestsicherung zu kommen, muss zuerst absolute Armut hergestellt werden, d.h., auch das Auto verkauft werden, das man dann vielleicht zwei Monate später wieder zum Arbeit fahren braucht. Die Verantwortung für die Bekämpfung der Armut wird alleine durch die Regressforderungen wieder an die Familie abgegeben, anstatt sie als gesellschaftliche Aufgabe zu erkennen.

Bezeichnenderweise hatte es Buchinger als Soziallandesrat in Salzburg auch zugelassen, dass in diesem Bundesland mit bekanntlich hohen Lebenshaltungskosten die niedrigste Sozialhilfe im Bundesvergleich bezahlt wird.

Als Arbeitsminister Bartenstein Anfang Februar ein wahnwitziges Modell für die Pflege rund um die Uhr zu Hause vorstellte, welches auf Basis der Bestimmungen des Hausangestelltengesetzes arbeitsrechtlich abgesichert werden sollte, waren des Sozialministers Reaktion darauf einzig und allein Bedenken hinsichtlich der Finanzierbarkeit! Buchinger hatte keine Bedenken hinsichtlich der unerträglichen Arbeitszeitregelungen, die dem Bartenstein-Vorschlag zu Grunde lagen: pro Woche ein halber freier Tag und jeder zweite Sonntag frei!

Brusthaare epilieren für ein Pflegeheim? Schamhaare für einen guten Zweck? Wenn Buchinger die Unfinanzierbarkeit der Rund-um-die-Uhr-Pflege daheim sieht, so könnte er ja seine Brusthaare für die Bezahlung eines Pflegeplatzes versteigern. Da aber Pflege bekanntlich teuer ist, können da die Achselhaare und notfalls die Schamhaare gleich mitgehen.

Die schwarz-blau-orangen Regierungen haben gerade die Sozialvereine, die den Großteil der Arbeit mit sozial Schwachen, Kranken, Pflegebedürftigen, Behinderten, Benachteiligten, MigrantInnen und sogenannten Randgruppen bewerkstelligen, ausgehungert. Viele Vereine wissen gegen Jahresende oft nicht, ob sie im nächsten Jahr noch die Gehälter zahlen können, ob es sie weiter geben wird, ob ihre Arbeit mit den Schwächsten der Gesellschaft von den Mächtigen noch weiter finanziert wird.

Eine öffentliche Rasur des Sozialministers für ein paar Tausend Euro, die er dann einer Obdachloseneinrichtung spendet, ist das falsche Signal! Bedeutet es doch, dass der Sozialminister mehr auf private Charity setzt, anstatt soziale Arbeit budgetär solide abzusichern.

Karin Antlanger ist Juristin und Sozialpädagogin in Linz, Betriebsratsvorsitzende von EXIT-sozial Linz und GLB-Bundesvorsitzende