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Wie schaut´s aus?

  • Mittwoch, 7. Februar 2007 @ 10:01
Meinung Von Selma Schacht, Betriebsratsvorsitzende „Wiener Kinder- und Jugendbetreuung“, Vorsitzende des GLB/GPA-DJP

Nicht erst seit dem Bawag-Skandal sind die finanziellen Mittel des ÖGB eingeschränkt, schon länger lebte der Gewerkschaftsbund über seinen Verhältnissen. Erst das Bekannt werden der Machenschaften rund um die BAWAG zwang die Verantwortlichen, reinen Tisch innerhalb der Organisation zu machen. Leider nur durch die finanzielle Frage werden der ÖGB und die Teilgewerkschaften gezwungen, das kontinuierliche Sinken des Mitgliederstands seit den Achtzigerjahren als großes Problem zu sehen. Doch das Werben um Mitglieder alleine um den Mitgliedsbeitrag kassieren zu können, ist zu wenig, um Menschen zum Beitritt zu überzeugen. Mitglied in einer Gewerkschaft zu werden, muss mehr sein können, als monatlich einen Geldbetrag abzuliefern!

Doch die vom ÖGB - Kongress abgesegnete Organisations“reform“ ist vergleichbar mit dem Zutapezieren einer schimmligen Wand. Kosmetische Korrekturen, die in keinster Weise in Richtung kämpferische Gewerkschaften und demokratischer Vertretung der Interessen von Arbeitenden gehen.

Wer macht Geschichte?

Die heutigen Rahmenbedingungen gewerkschaftlicher Arbeit zeichnen sich durch Zersplitterung von Betrieben auf der einen Seite und der Monopolisierung von Konzernen andererseits aus. Dazu kommen Produktionsweisen und -methoden, die sich gegenüber den 70er und 80er Jahren weit reichend verändert haben. Die gesellschaftlichen Veränderungen werden von einem immer internationaler und brutaler agierendem Kapital hin zu besseren Verwertungsbedingungen vorangetrieben.

Motor der Veränderung in die Gegenrichtung, hin zu sozialeren Lebens- und Arbeitsbedingungen in Österreich wie auch weltweit, kann die lohnabhängige Bevölkerung sein. Notwendig dazu ist jedoch, dass die Arbeitenden Auseinandersetzungen darum führen! Einheitliches Handeln in einer breitesten Einheit ist dafür Voraussetzung, das heißt auch das Organisieren in den Gewerkschaften als Massenorganisationen der Arbeiterklasse. Jede und jeder, der diese Veränderungen vorantreiben will, muss dafür auch in den Gewerkschaften aktiv sein und Einfluss nehmen.

Der ÖGB heute

Im ÖGB, aber auch in anderen großen Gewerkschaften Europas, fehlt eine selbständige grundlegende Analyse des heutigen Kapitalismus, der Weltmarktsituation und der politischen Bedingungen sowie eine autonome Strategiebildung. Der ÖGB bewegt sich, wie im soeben am Bundeskongress beschlossenen wirtschaftspolitischen Leitantrag nachzulesen, fast ausschließlich innerhalb der derzeitigen neoliberalen Logik. Ein Beispiel dafür ist die Gefangenheit in der so genannten „Standortlogik“, also die Verteidigung der österreichischen Wirtschaft in der EU oder jener der EU am Weltmarkt. Doch: Eine Gewerkschaft sollte nie Wirtschaftsinteressen vertreten, sondern die hier tätigen ArbeitnehmerInnen, und auch gleichzeitig die Interessen der Lohnabhängigen anderer Länder!

„Partnerschaft“ mit Fesseln

Der ÖGB darf sich nicht von sozialpartnerschaftlichen Vermittlungsinstituten wie WIFO & Co./1/ vorgeben lassen, wohin er wirtschaftspolitisch gehen will, genauso wenig dürfen wir uns durch Sozialpartnerpapiere den Rahmen von Forderungen einschränken lassen, wie es derzeit jedoch passiert. Schon im Dezember 2006 setzte ÖGB-Präsident Hundstorfer seine Unterschrift unter das gemeinsame (!) Papier von ÖGB, AK und Wirtschaftskammer, welches eins zu eins ins Regierungsprogramm übernommen wurde - inklusive der Lehrlingskündigung und der Ausweitung der Normalarbeitszeit auf bis zu 12 Stunden am Tag!

Das erklärt, warum nun von Seiten des ÖGB kein Widerstand gegen die arbeitnehmerInnenfeindliche Politik der neuen Regierung organisiert wird. In Österreich hat die institutionalisierte Sozialpartnerschaft zu weitgehendem Opportunismus und zum einem Entstehen einer „Arbeiteraristokratie“ geführt. Grund dafür wie auch die Folge davon ist, dass der in kapitalistischen Ländern bestehende Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit nicht erkannt oder schlichtweg geleugnet wird.

Die Sozialpartnerschaft in ihrer bisherigen jahrzehntelangen institutionalisierten Form ist Geschichte, doch auch als politisches und ideologisches Konzept - Verhandlungsergebnisse um jeden Preis, kämpferische Auseinandersetzungen auf keinen Fall - muss sie ad acta gelegt werden. Die Verteilungsfrage, also die Umverteilung von oben nach unten, muss gemeinsam mit der Eigentumsfrage in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen gestellt werden. Eine autonome Vertretung der Interessen der Arbeitenden muss Maßstab gewerkschaftlicher Politik sein!

Notwendigkeiten erkennen!

Wenn wir nicht wollen, dass der ÖGB zu einem „ÖAMTC“ der Arbeitenden wird, aber die Interessensvertretung vom derzeitigen Co-Management zu einer kämpferischen Durchsetzung der Anliegen der Arbeitenden werden soll, müssen wir Veränderungen herbeiführen. Die Beschäftigten müssen zum kollektiven und solidarischen Handeln für ihre Interessen aktiviert werden. Dies schafft Selbstbewusstsein und Einsicht in die eigene Lage, wie auch in jene der KollegInnen.

Dazu müssen jedoch die bestehenden Widersprüche zwischen den Interessen der Arbeitenden und jenen des Kapitals vorangetrieben werden, statt sie durch Geheimverhandlungen zu übertünchen und beiseite zu schieben. Auch die lähmende Stellvertreterrolle, die die Gewerkschaften und auch Betriebsräte ausüben, muss zurückgenommen werden. Nicht für oder statt, sondern MIT den Betroffenen agieren, soll in Zukunft die Devise heißen!

Der ÖGB-Kongress zeigt vor allem eines: Massiver Druck von links, innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften, ist so notwenig wie eh und je! Denn unser Ziel ist, den ÖGB in eine strategisch und politisch autonome, klassenkämpferische Interessensorganisation zu transformieren.

/1/ Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), Institut für höhere Studien (IHS)