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Darf`s ein Bisserl mehr sein…

  • Montag, 5. Februar 2007 @ 11:24
Meinung Von Lilian Stadler

…diese Frage stellen diesmal nicht die VerkäuferInnen an die Kundschaft. Im Gegenteil: es wird den Beschäftigten im Handel per Gesetz verordnet werden. Obwohl sich die Regierungsverhandlungen immens in Länge gezogen haben, gab es bei der Verschlechterung der Arbeitszeiten für die Handelsangestellten keine lange Diskussion. Eines der ersten Gesetze der rosa-schwarzen Koalitionsregierung wird die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten im Handel von 66 auf 72 Stunden pro Woche sein. Ab dem heurigen Sommer sollen die Geschäfte unter der Woche von 6 bis 21 Uhr, am Samstag bis 18 Uhr offen halten können. Sonntag, so wird feierlich versprochen, bleibt der Laden zu.

Mit Ausnahme der Fußball-Europameisterschaft, da soll der Euro auch sonntags klingeln können, meint der alte und neue Wirtschafts- und Arbeitsminister Bartenstein. Es wäre doch wirklich zu peinlich, wenn sich die vielen kaufwütigen Fußballfans die Nase an den Schaufenstern platt drücken müssten, da wird man doch nicht kleinlich sein und eine Ausnahme machen können. (Hoffentlich gehen dann doch noch einige zu den Matches anstatt einkaufen!)

Offensichtlich setzt der Handel nur mehr auf die Kaufkraft der TouristInnen, denn das derzeitige Lohnniveau in Österreich ist auf dem Stand der frühen Neunziger Jahre und wird auch nicht durch die moderaten Lohn- und Gehaltsabschlüsse der Gewerkschaften ausgeglichen. Und dass durch den Euro nichts teurer geworden ist, merken wir ja tagtäglich.

Wie es den Beschäftigten, und das sind in der Mehrzahl Frauen, mit den verlängerten Öffnungszeiten geht, kümmert die Verantwortlichen nicht. Die „Liberalisierung der Ladenöffnung“ hat sich schon bisher am Arbeitsmarkt negativ ausgewirkt: Es gibt kaum mehr Vollzeitarbeitsplätze, Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung boomen wie noch nie.

Durch die Flexibilisierung der Arbeitszeiten bei de facto gleichem Personalstand – wenn auch auf mehrere Köpfe aufgeteilt – verdichtet sich der Arbeitsdruck und belastet das Privatleben. Schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Entlohnung, Probleme mit öffentlichen Verkehrsmitteln in den Abendstunden und fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen runden das Ganze ab. Die im Wahlkampf immer wieder versprochene Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird durch die Realität Lügen gestraft. Die Nichtbezahlung von Überstunden, die Umgehung von Zuschlägen bei Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung, Arbeit auf Abruf, geteilte Dienste führen dazu, dass viele Kolleginnen und Kollegen ihren erlernten Beruf gar nicht mehr ausüben können.

Es ist höchste Zeit, dass die Gewerkschaften und die Arbeiterkammern mehr Druck machen und ihre auf Gewerkschaftskongressen beschlossenen Forderungen nach Verbesserung der Arbeits- und Rahmenbedingungen für die Handelsangestellten auch umsetzen.