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Frau-Sein als besonderes Handicap bei ÖGB-Wahlen

  • Sonntag, 28. Januar 2007 @ 19:58
Meinung Von Karin Antlanger, GLB-Bundesvorsitzende

Renate Csörgits durchgefallen

Bei der Fraktionskonferenz der Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen am ersten Tag des ÖGB-Bundeskongresses erhielt die Frauenvorsitzende aus den eigenen Reihen lediglich eine Zustimmung von etwa 70 Prozent. Bereits hier war absehbar, dass es unter Umständen knapp werden könnte für Csörgits bei der Wahl zur Vizepräsidentin. Als sie am darauf folgenden Tag beim KandidatInnenhearing die Höhe ihres Gesamteinkommens wieder nicht wusste bzw. wissen wollte, war dann für so manche zusätzliche FraktionskollegInnen der Ofen endgültig aus. Sie erhielt lediglich 49 Prozent der abgegebenen Stimmen. Csörgits steht stellvertretend für jene Führungsriege des ÖGB, die als MultifunktionärInnen mehrere hochdotierte Ämter und Posten bekleiden, die als MandatarInnen in gesetzgebenden Körperschaften (sie ist Mitglied des Nationalrates) das Problem der Unvereinbarkeit von Gewerkschaftsfunktion und politischem Mandat verkörpern und die auch zu jenen gezählt wird, die in der Vergangenheit immer brav alles „abgenickt“ haben – eine „Parteisoldatin“ eben.

Roswitha Bachner neue ÖGB-Vizepräsidentin – warum nicht gleich?

Die bisherige leitende Sekretärin des ÖGB ist dann – ebenfalls aus Nibelungentreue – in die Bresche gesprungen. Sie war ja schon vor einigen Monate immer wieder mal als mögliche Kandidatin für das Amt der ÖGB-Präsidentin in verschiedenen Chats genannt worden, hat dies aber immer abgelehnt. Na klar – das hätte ihr ja in der Fraktion gleich den Kopf gekostet, hätte sie sich erdreistet, gegen Hundstorfer als Alternativkandidatin anzutreten.

Bachner ist bei allen Minderheitenfraktionen als „umgänglich, bodenständig, praktisch veranlagt und – welch Frauenschicksal – immer unterschätzt“ angeschrieben. Frau darf gespannt sein, wie sie mit ihren Vielfachfunktionen umgehen wird, welche sie davon zurücklegen wird. So ist sie nicht nur Mitglied des Bundesrates sondern auch AK-Rätin in Wien und Mitglied des AK-Vorstandes.

Kaiser Hu wird noch viele Nachhilfestunden in Demokratie brauchen

Offiziell wurde zwar Roswitha Bachner vom Frauenpräsidium des ÖGB vorgeschlagen – dies aber erst nachdem dieses quasi auf Linie gebracht worden war: gleich nach Bekanntgabe des Ergebnisses des ersten Wahldurchgangs, in dem Renate Csörgits nicht die erforderliche Mehrheit erhalten hatte, schlug der frisch gewählte Präsident Hundstorfer vor, Roswitha Bachner als Kandidatin für den erforderlichen zweiten Wahldurchgang zu nominieren. Erst anschließend trat das ÖGB-Frauenpräsidium zu einer Beratung zusammen und unterbreitete einige Zeit später diesen Vorschlag Hundstorfers als Beschluss des Frauenpräsidiums.

Der auch sonst recht absolutistisch veranlagte Kaiser Hu hat offensichtlich bei Gusenbauer billige sechs Euro Nachhilfestunden in Sachen Demokratie erhalten, denn noch hat er nicht gecheckt, dass das ÖGB-Frauenpräsidium auch selbst in der Lage wäre, einen Vorschlag für eine Kandidatin zu erstellen.

Dwora Stein: Akademikerin, GPA-Funktionärin und Frau – drei Feindbilder auf einmal?

Drei Handicaps auf einmal – das haut die stärksten Metaller, Bauarbeiter und viele mehr um bzw. veranlasst sie zu Streichungen. Entsprechend dieser Logik erhielt Dwora Stein nur 67 Prozent der Stimmen.

Stein verkörpert für viele Gewerkschafter des alten Schlags das, was sie als bedrohliche Konkurrenz wahrnehmen: analytisch denkend, korrekt agierend, aktiv und passiv kritikfähig, distanziert wo nötig und ohne weibchenhafter Macken. Damit ist sie so manchen Herren haushoch überlegen, was in deren Verzweiflung ihr den Ruf der Arroganz einbringt.

Aber auch die Tatsache, dass sie gemeinsam mit Wolfgang Katzian das Modell eines einheitlichen, starken ÖGB, gegliedert in Wirtschaftsbereiche dem Modell der Blöcke gegenüber gestellt hat, macht sie als GPA-Bundesgeschäftsführerin zum Feindbild so mancher anderer Arbeitergewerkschaften, die die größte Teilgewerkschaft GPA am liebsten filetieren und untereinander aufteilen würden.

Jedenfalls wird von Dwora Stein noch einiges an interessanten Inputs in der weiteren Entwicklung des ÖGB zu erwarten sein.