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Ein Diskurs über Verteilungsgerechtigkeit ist notwendig

  • Montag, 22. Januar 2007 @ 12:43
Meinung Der ÖGB muss sich auf seine Kernaufgaben besinnen, im neuen Statut heißt es dazu für die „soziale, wirtschaftliche und kulturelle Weiterentwicklung“ einzutreten. Dabei geht es auch um die Verteilung von Lohn, Arbeitszeit und Sozialleistungen. Der ÖGB setzt jedoch auf Flexibilisierung statt auf Arbeitszeitverkürzung und das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Lohn, ganz davon abgesehen, dass die Lohnpolitik des ÖGB nicht gerade optimal ist. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung (BOMS) der neuen Bundesregierung entspricht nicht der Forderung der GPA nach einer Mindestsicherung und schon gar nicht einem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) mit dem sie oft in einem Atemzug genannt oder bewusst verwischt wird. Eine Diskussion darüber wird aber weder im ÖGB noch im GLB geführt, ein theoretischer Diskurs dazu fehlt bislang. Frontalstellungen dazu blockieren das Denken und machen das Thema zu einer Glaubensfrage.

Wir sind in den letzten Jahrzehnten mit einer hohen Massenarbeitslosigkeit konfrontiert. Der klassische Normalarbeiter wird immer mehr zur Minderheit. EU-weit entsprechen bereits 80 Prozent der Arbeitsverhältnisse nicht dem gewohnten Normalarbeitsverhältnis. Wir haben es mit einer Stagnation bei Löhnen und Pensionen zu tun, die Lohnquote sinkt, während gleichzeitig die Profite steigen.

Der ÖGB setzt als Gegenstrategie auf Flexibilisierung. Hundstorfer ist in „Arbeit und Wirtschaft“ stolz darauf, dass im Regierungsprogramm der neuen Regierung das Sozialpartner-Papier zu Arbeit und Wirtschaft aufgenommen wurde. Der ÖGB versucht die Kurve zwischen „Volksmeinung“ und den herrschenden Eliten zu nehmen. Die Grundeinstellung dabei entspricht dem biblischen Spruch „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“. Es gibt genug Argumente für Umverteilung und Verteilungsgerechtigkeit, das Leistungsdenken ist dabei aber dominant.

Es geht aber um eine menschenwürdige Existenz und Teilhabe an der Gesellschaft. Ein Eingriff in das Vermögen wird als Enteignung und daher als unzulässig verstanden. Auch in der Linken wird viel zu sehr rein ökonomistisch gedacht. Der Philosoph Erich Fromm führte schon 1966 eine Auseinandersetzung mit dem Thema eines garantierten Einkommens für alle und ging dabei auch auf den Faktor Angst vor dem Verlust eines Lohneinkommens ein. In der Menschenrechtsdeklaration von 1948 ist jedoch ausdrücklich von einem Existenzrecht jedes Menschen die Rede.

Der Haupteinwand gegen ein arbeitsloses Einkommen geht in Richtung Missbrauch und Untätigkeit. Zu hinterfragen ist jedoch laut Fromm die grenzenlose Gier nach Konsum und der daraus entstandene „Homo Konsumiensis“. Statt maximaler sollte optimaler Konsum angestrebt werden, dazu gehört nach Fromm eine radikale Reduzierung der Werbung und ein Wachstum nach Qualität und nicht nach Quantität. Man muss die Frage aber nicht unbedingt nur in Richtung eines Grundeinkommens richten, sie könnte auch in Richtung einer kostenlosen Versorgung mit elementaren Gütern der Grundversorgung wie etwa der Infrastruktur, Gesundheit oder Verkehrsmittel gestellt werden.

Worum es geht ist über andere Zugänge nachzudenken und auch im GLB eine solche Diskussion zu führen. Sinngemäß gilt es „Manchmal die Küste aus den Augen zu verlieren um neue Ufer zu entdecken“. Gerade linke GewerkschafterInnen müssen über die rein ökonomische traditionelle gewerkschaftliche Sicht hinausdenken. In Deutschland wird diese Debatte bereits intensiv in Gewerkschaften geführt, in Österreich bislang im Wesentlichen nur in christlichen Kreisen, obwohl der erste deutschsprachige Grundeinkommens-Kongress in Wien stattgefunden hat.

Referat bei der Fraktionskonferenz der Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB) zum 16. Bundeskongress des ÖGB am 22. Jänner 2006 in Wien