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Für einen gesetzlichen Mindestlohn!

  • Freitag, 8. Dezember 2006 @ 17:53
Positionen In zahlreichen Branchen sind in Österreich nach wie vor Löhne bzw. Gehälter von weniger als tausend Euro brutto üblich, in vielen davon sogar weniger als 900 Euro – und dies für Vollzeitarbeitsplätze. Die niedrigsten Mindestlöhne gibt es für ZeitungszustellerInnen (670), SkilehrerInnen (683) und FußpflegerInnen (705). Gerade in Branchen die gewerkschaftlich wenig organisiert sind (Ärzte, Rechtsanwälte, Freiberufler, Gastgewerbe, Dienstleistungen etc.) sind teilweise auch die niedrigsten Verdienste zu finden. Laut der Lohnsteuerstatistik 2003 wurde für 1,81 von 5,78 Millionen Steuerpflichtigen ein Einkommen von unter 10.000 Euro im Jahr – das sind monatlich weniger als 800 Euro – ausgewiesen, wobei der Großteil davon allerdings PensionistInnen sind. Laut Wirtschaftskammer verdienten 2003 zwischen 90.000 und 110.000 Vollzeitbeschäftigte weniger als tausend Euro im Monat. Inklusive jener Teilzeitbeschäftigten, die anteilsmäßig ebenfalls unter diesen Wert fallen, waren es rund 200.000 Beschäftigte. Bei Einreichung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse verdienen sogar rund 600.000 Beschäftigte weniger als tausend Euro.

Durch Niedriglöhne werden immer mehr Menschen in die Armut getrieben, da die Preisentwicklung BezieherInnen kleiner Einkommen weitaus stärker belastet als dies die offizielle Inflationsrate zum Ausdruck bringt, zumal es ohnehin einen anhaltenden Teuerungsschub seit der Einführung des Euro gibt. NiedrigverdienerInnen müssen nämlich ihr gesamtes Einkommen für eine einfache Lebensfhrung, also für Wohnen, Energie und andere Grundbedürfnisse (Nahrung, Reinigung, Kleidung) ausgeben, die wiederum seit Jahren weit über dem Verbraucherpreisindex steigen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass KV-Abschlüsse durchwegs prozentuell erfolgen und nicht etwa durch Sockelbeträge oder Fixbeträge die Schere zwischen kleinen und großen Einkommen ausgeglichen wird.

Derart niedrige Einkommen sind daher vor dem Hintergrund einer auch in Österreich zunehmenden Armut zu sehen. Bereits 1,04 Millionen Menschen – davon 571.000 Frauen – oder 13,2 Prozent der Bevölkerung gelten als armutsgefährdet, weil sie mit monatlich weniger als 848 Euro auskommen müssen. 235.000 Menschen sind als „working poor“ trotz Arbeit armutsgefährdet, 91.000 von ihnen gelten explizit als arm. Betroffen sind vor allem Frauen, Alleinerziehende und MigrantInnen.

Die Forderung nach einem Mindestlohn von 1.300 Euro brutto für alle Vollzeitarbeitsverhältnisse bzw. acht Euro pro Stunde für Teilzeitbeschäftigungen ist daher nicht nur in Hinblick auf die gestiegene Produktivität und Leistung der Betroffenen gerechtfertigt, sondern auch volkswirtschaftlich sinnvoll. Damit soll den realen Einkommensverhältnisse in vielen Branchen entgegengewirkt werden, damit kann aber auch die schwache Inlandsnachfrage durch seit Jahren stagnierende Löhne gestärkt werden

In 18 der 25 EU-Staaten gibt es bereits gesetzlich festgelegte Mindestlöhne. In mit Österreich vergleichbaren Ländern wie in Luxemburg (1.467 Euro), den Niederlanden (1.265), Belgien (1.210) und Großbritannien (1.197) gibt es bereits gesetzliche Mindestlöhne. Österreich als viertreichstes Land der EU ist hingegen trotz seit Jahren anhaltender Diskussionen von Bundesregierung und Sozialpartnern noch weit von einem allgemein geltenden Mindestlohn entfernt.

Die Durchsetzung eines gesetzlichen Mindestlohns ist kein Widerspruch zur Kollektivvertragshoheit der Gewerkschaften. Die Erfahrungen von KV-Verhandlungen zeigen, dass zwar in gutorganisierten Branchen auch Mindestlöhne durchgesetzt werden konnten – so gibt es etwa in der Metallindustrie bereits ein Mindestlohn von derzeit 1.354 Euro. Hingegen ist die geringe Organisationsdichte der Gewerkschaft in den Niedriglohnbranchen eine der Ursachen dafür, dass dort keine vergleichbaren Mindestlöhne durchgesetzt werden konnten.

Ein gesetzlicher Mindestlohn wäre daher nicht nur eine Unterstützung bei KV-Verhandlungen sondern würde auch der Entsolidarisierung zwischen den Branchen entgegenwirken. Davon abgesehen werden auch andere Vereinbarungen für die Lohnabhängigen wie etwa die Arbeitszeit oder das ASVG nicht per Kollektivvertrag, sondern per Gesetz geregelt ohne dass dies zum Nachteil für die Gewerkschaften wäre.

GLB-Bundesleitung 8. Dezember 2006