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Peter Scherz: Umverteilung muss auf die Tagesordnung

  • Donnerstag, 23. November 2006 @ 09:37
Steiermark
Im Rahmen der steirischen AK-Vollversammlung am 23. November 2006 nahm Linksblock-Mandatar Peter Scherz zu Fragen der gesellschaftlichen Umverteilung Stellung und betonte, dass Verteilungsfragen auch Klassenfragen sind: „Wenn man den Menschen etwas geben will, denen es nicht so gut geht, muss man den Superreichen etwas wegnehmen. Deshalb muss die Umverteilung auf die Tagesordnung“. Er verwies darauf, dass wir ein einer zeit steigender Gewinne und sinkender Unternehmenssteuern leben. Außerdem betonte er die Notwendigkeit einer Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich. Die Vollversammlung beschloss gegen die Stimmen des ÖAAB einen Antrag des GLB, in dem wichtige Forderungen an die neue Bundesregierung zusammengefasst werden. Weiters wurden Anträge des GLB beschlossen, in denen gegen die Privatisierung von weiteren Anteilen der ESTAG Stellung genommen und das ÖVP-Vorhaben einer Privatisierung der ÖBB abgelehnt wird.

Weiteres fordert die AK-Steiermark die Gebührenbefreiung von Telefon, Rundfunk, Fernsehen für Menschen mit geringem Einkommen.

Die GLB-Anträge im Wortlaut:

Antrag 1: Forderungen an die Bundesregierung aus Sicht der arbeitenden Menschen

Die AK Steiermark hält es aus der Sicht der arbeitenden Menschen für notwendig, dass die Bundesregierung folgende Anliegen positiv erledigt:

Arbeitszeit: Seit zwei Jahrzehnten fordert die AK die 35-Stundenwoche. Trotzdem weist Österreich mit 44 Stunden die längste reale Wochenarbeitszeit der EU auf. Angesichts der enormen Produktivität, wachsender Arbeitslosenzahlen und steigenden Arbeitsdrucks ist eine deutliche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn daher nicht nur notwendig, sondern auch möglich. Eine klare Absage gilt auch weiterer Flexibilisierung, den von den Unternehmern verlangten Durchrechnungen um Überstundenzuschläge einzusparen sowie Ausweitung von Nacht-, Wochenend- oder Sonntagsarbeit.

Einkommen: Die realen Einkommen der ArbeiterInnen und Angestellten sind heute nicht höher als vor zehn Jahren. Die Lohnquote sinkt seit rund zwei Jahrzehnten ständig, während die Gewinne in ungeahnte Höhen steigen. Daher ist eine aktive Lohn- und Gehaltspolitik notwendig, die nicht nur die Inflation, sondern auch die gestiegene Produktivität abgilt um die Kaufkraft zu erhöhen und damit die Binnennachfrage zu stärken. Notwendig ist auch ein Mindestlohn von 1.300 Euro bzw. acht Euro pro Stunde, wie er in mehreren EU-Ländern bereits existiert.

Sozialstaat: Die Behauptungen von Politik, Wirtschaft und Medien, die Sozialleistungen seien nicht mehr finanzierbar, orientieren auf die Zerschlagung des Sozialstaates und den zwang zur Eigenvorsorge und damit die Auslieferung dieser Bereiche an privates Kapital. Tatsächlich ist das Umlageverfahren für die Pensions-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung verbunden mit der Selbstverwaltung der Sozialversicherungen durch Ausweitung der Finanzierungsgrundlage durch Einhebung einer Wertschöpfungsabgabe sowie einem entsprechenden Staatsbeitrag auch künftig die beste Garantie einer sozialen Absicherung für alle und nicht für jene die genug Geld für Eigenvorsorge haben. Angesichts ständig wachsender Prekarisierung, von welcher vor allem Frauen betroffen sind, ist auch die volle Versicherung für alle prekären und atypischen Arbeitsverhältnisse notwendig.

Steuern: Österreich ist im Ergebnis der Steuerpolitik der letzten Jahrzehnte zu einem Steuerparadies für Kapital und Vermögen in der EU geworden. Für eine Umverteilung ist eine Umkehr in der Steuerpolitik notwendig, deren Kernpunkte die Einhebung einer Vermögenssteuer für große Vermögen, die höhere Besteuerung von Kapital und Vermögen, die Anhebung des Spitzensteuersatzes sowie der Körperschaftssteuer, die Eintreibung Steuer- und Abgabenschulden der Unternehmer und die Aufhebung der Steuerprivilegien der Privatstiftungen beinhaltet.

Bildung: Bildung muss eine öffentliche Aufgabe bleiben und Menschen gleichberechtigt zugänglich sein. Daher sind die Rücknahme des Universitätsgesetzes und vor allem die Abschaffung der unsozialen Studiengebühren erforderlich. Notwendig sind kleinere Schulklassen nicht nur aus pädagogischen Gründen, sondern auch um arbeitslosen LehrerInnen Beschäftigung zu sichern. Notwendig ist die Gesamtschule für alle 10- bis 14-jährigen sowie die Ganztagsschule oder andere Formen der Betreuung.

Frauen: Nach wie vor verdienen Frauen im Schnitt ein gutes Drittel weniger als Männer, gleichzeitig werden auch als Folge des Kindergeldes immer mehr Frauen in Teilzeitbeschäftigungen oder andere Formen der Prekarisierung abgedrängt. Notwendig ist daher vor allem der Ausbau von qualitativ hochwertigen, kostenlosen Kinderbetreuungseinrichtungen im öffentlichen Eigentum. Wir brauchen eine gezielte Förderung für Frauen, die volle einkommensmäßige Gleichstellung und ein gesetzliches Diskriminierungsverbot.

Gesundheit: Österreich hat gemessen am BIP hohe Ausgaben für Gesundheit, aber auch einen hohen Anteil von Selbstbehalten. Der Trend zur Zweiklassenmedizin ist deutlich erkennbar. Dagegen ist ein Konzept einer Gesundheitspolitik notwendig, die als Kern einerseits die Vorsorge, andererseits die Abschaffung der unsozialen Selbstbehalte beinhaltet. Die Privatisierung des Gesundheitswesens lehnen wir strikt ab. Arbeit darf nicht krank machen, dem engen Zusammenhang von Arbeitsbedingungen und Krankheit gilt es in beiderlei Richtung Rechnung zu tragen.

Jugend: Jugendliche brauchen eine Perspektive durch Bildung, Ausbildung und entsprechende Arbeitsmöglichkeiten. Gegen die auch in Österreich gestiegene Jugendarbeitslosigkeit ist mit einem Jugend- und Lehrlingseinstellungsgesetzes, Schaffung eines Berufsausbildungsfonds und öffentlicher Lehrwerkstätten sowie Schaffung eines öffentlichen Beschäftigungs- und Ausbildungssektors gegenzusteuern.

Öffentliches Eigentum: Die von allen Regierungen seit 20 Jahren vorgenommenen Privatisierungen waren zum Nutzen des in- und ausländischen Privatkapitals und bedeuteten meist die Vernichtung zahlreicher Arbeitsplätze und damit die Verschärfung für strukturschwache Regionen. Das Privatkapital richtet nun seine Begehrlichkeit vor allem auf kommunale Einrichtungen, die Energiewirtschaft und die Gesundheits- und Pensionsfinanzierung. Gerade diese elementaren Einrichtungen einer funktionierenden Infrastruktur dürfen aber nicht privaten Profitinteressen ausgeliefert werden. Daher lehnen wir die Privatisierung von Post, Bahn, E-Wirtschaft, Kommunalbetriebe, Wasser und Wald, Gesundheitseinrichtungen entschieden ab und fordern den verfassungsmäßigen Schutz des öffentlichen Eigentums. Notwendig ist auch eine demokratische Reform der Verwaltung, Bürgerservice muss vor Bürokratie, öffentliche Kontrolle vor politischen Interventionen und Postenschacherei stehen.

Neutralität und Abrüstung: Rüstung ist immer Vergeudung von Ressourcen. Daher lehnen wir jede Aufrüstung des Bundesheeres, damit auch den Kauf von Abfangjägern, und eine Beteiligung Österreichs an einer EU-Armee und Battle Groups entschieden ab Die Sicherheit Österreichs kann durch eine aktive Neutralitätspolitik wesentlich besser gesichert werden.

Antrag 2: Keine Privatisierung von Anteilen der Energie Steiermark

Die Vollversammlung der steirischen Kammer für Arbeiter und Angestellte wendet sich gegen die Privatisierung von weiteren Anteilen der Energie Steiermark AG. Anlass für diese Festlegung sind Aussagen von Vertretern der Landesregierung, die sich dafür ausgesprochen haben, den Landesanteil an der Energie Steiermark auf 51 Prozent des Aktienkapitals zu senken. Mit jeder verkauften Aktie gibt das Land Gestaltungsmöglichkeiten und Einfluss auf und verspielt eine Einnahmequelle, die für zukünftige Budgets wichtig sein könnte.

Man muss die Diskussion um ESTAG und Verbund auch in einem größeren Zusammenhang sehen. Der Plan einer Fusion von OMV und Verbund, die nur möglich ist, wenn der Nationalrat mit Zweidrittelmehrheit des 2. Verstaatlichtengesetz kippt, ist noch nicht vom Tisch.

Bei Übertragung von 49 Prozent der ESTAG-Anteile an den Verbund würde der steirische Energiekonzern dann zum Spielball eines multinational operierenden Konzerns werden. Das Entscheidungsrecht der öffentlichen Hand über diesen wichtigen Bereich wäre eingeschränkt.

Privatisierung der Energieversorgung bedeutet auch, dass die Versorgungssicherheit in Frage gestellt wird, dass Druck auf die Belegschaften ausgeübt wird und dass die Energiepreise langfristig steigen. Einer derartigen Entwicklung kann die AK Steiermark auf keinen Fall zustimmen.

Antrag 3: Kein Börsegang der ÖBB

Infrastruktur-Staatssekretär Helmut Kukacka kündigte einen Börsegang der ÖBB an. 2009 soll eine erste Tranche von 49 Prozent des ÖBB-Güterverkehrs Rail Cargo über die Börse privatisiert werden. Ein bis zwei Jahre später soll dann die Privatisierung des ÖB-Personenverkehrs in ähnlicher Höhe erfolgen.

Durch die Holding-Struktur wird diese Vorgangsweise erleichtert, indem die profitablen Bereiche dem Privatkapital ausgeliefert werden. Hingegen sollen die nicht-profitablen Infrastrukturbereiche weiterhin zu 100 Prozent in öffentlicher Hand bleiben. Bereits in den Jahren seit 1993 wurden knapp 20.000 Arbeitsplätze bei den ÖBB vernichtet. Mit dem Börsegang ist mit einem weiteren Personalabbau zu rechnen.

Die 7. Vollversammlung der steirischen AK spricht sich entschieden gegen eine Privatisierung der ÖBB aus.

Antrag 4: Gebührenbefreiung von Telefon, Rundfunk, Fernsehen für Menschen mit geringem Einkommen

Die gesetzlichen Bestimmungen und Voraussetzungen für die Befreiung von Telefon, Rundfunk und Fernsehen sind sehr genau geregelt. Anspruchsberechtigt sind BezieherInnen von Pflegegeld, BezieherInnen von Leistungen die nach pensionsrechtlichen Bestimmungen vergeben werden, BezieherInnen von Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, BezieherInnen von Leistungen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz, Bezieherinnen von Beihilfen nach dem Studienförderungsgesetz, BezieherInnen von Leistungen und Unterstützungen aus der Sozialhilfe oder der freien Wohlfahrtspflege, Zivil- und Präsenzdiener, gehörlose und schwer hörbehinderte Menschen, sowie Menschen, die von der Rezeptgebühr befreit sind.

Menschen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen und eine äußerst geringe Entlohnung erfahren, haben keinerlei Anspruch auf eine Gebührenbefreiung für Telefon, Rundfunk und Fernsehen. Bis 2003 war es möglich, dass Menschen mit einem geringen Einkommen um diese Gebührenbefreiung ansuchen konnten und aufgrund ihrer sozialen Situation einen positiven Bescheid erhielten. Es ist unverständlich, dass seit dem Jahr 2003 die Gebührenbefreiung explizit nur mehr an den Bezug von Beihilfen gekoppelt wird.

Die Vollversammlung der AK Steiermark fordert den Bundesgesetzgeber auf, diese Ungleichbehandlung zu beseitigen und dafür zu sorgen, dass auch Menschen mit geringem Einkommen eine Gebührenbefreiung bei Telefon, Rundfunk, Fernsehen erhalten.