Arbeitskampf in der Metallindustrie?
- Dienstag, 24. Oktober 2006 @ 09:06
Durchaus kämpferisch präsentierten sich die gewerkschaftlichen KV-Verhandler am Dienstag, 24. Oktober 2006 gut 500 Beschäftigten der voestalpine und anderer Standortbetriebe (Siemens VAI, MCE, VA TECH Hydro), die sich in einer Fabrikhalle (dem Fertigwarenlager Feuerverzinkung) zu einer Protestbetriebsversammlung einfanden. Der neue Metallerchef Foglar schilderte in einer relativ klaren und kompromisslosen Rede, die mehrmals vom Beifall der Anwesenden unterbrochen wurde, warum die Verhandlungen mit den UnternehmervertreterInnen bereits zwei Mal erfolglos abgebrochen werden mussten. Trotz wirtschaftlich ausgezeichneter Lage in der Metallindustrie wollen die UnternehmerInnen über die KV-Verhandlungen im Wesentlichen nur die Inflation abgelten (ursprüngliches Angebot 1,6 Prozent, das inzwischen auf 2,3 Prozent angehoben wurde).
Darüber hinaus sollte es eine vom Gewinn des jeweiligen Unternehmens berechnete Einmalzahlung geben. Ein solches Vorgehen würde de facto die KV-Politik weg von der bislang gepflogenen Branchenebene auf die Betriebsebene verlagern - mit riesigen Verschlechterungen für die Arbeitenden:
• so würde die Einmalzahl für künftige Erhöhungen als Berechnungsbasis wegfallen, damit künftige Lohnerhöhungen automatisch geringer ausfallen und
• vor allem aber die Beschäftigten in gewerkschaftlich schlecht organisierten Betrieben bzw. in Betrieben mit tatsächlichen oder vorgeblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten unter großem Druck stehen, auf die „ergebnisabhängige Einmalzahlung“ zu verzichten (mit Drohungen wie Arbeitsplatzgefährdung, mangelnde Konkurrenzfähigkeit, Standortverlagerung, Betriebsschließung etc.).
• Produktivitätssteigerungen kämen damit in Hinkunft ausschließlich den UnternehmerInnen zu Gute.
• Ähnlich liegen die Dinge bei der Arbeitszeit. Die Unternehmerseite strebt unter dem Schlagwort „Flexibilisierung“ eine Ausweitung der Arbeitszeit nach dem Modell 10/12/60/2 an. Demnach soll die tägliche Normalarbeitszeit von 8 auf 10 Stunden, die tägliche Höchstarbeitszeit von 10 auf 12 Stunden, die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 60 Stunden und der Durchrechnungszeit auf 2 Jahre ausgedehnt werden. Laut Berechnungen der AK Linz würde die Umsetzung dieses Modells eine Lohnkürzung um insgesamt 1 Milliarde Euro pro Jahr bedeuten!
Der dritte Punkt, in dem Sprengkraft liegt, ist die einwöchige Bildungsfreistellung, die vom gewerkschaftlichen Verhandlungsteam (die g.mtn für die ArbeiterInnen und die GPA für die Angestellten verhandeln gemeinsam) gefordert und von den UnternehmensvertreterInnen nicht gewährt werden will. So entpuppen sich die Aussagen bei diversen Firmenfeiern von „den Mitarbeitern als beste Kapitalanlage“ und vom „notwendigen lebenslangen Lernen um im Konkurrenzkampf bestehen zu können“, als schöne Sonntagsreden, die offenbar nur so lange gelten, so lange der eigene Geldbeutel nicht dafür herhalten muss.
In die selbe Kerbe - ähnlich wortgewaltig und kämpferisch wie sein Vorredner - schlug Fritz Sulzbacher, langjähriger Angestellten-Betriebsratsvorsitzender der voestalpine und mit im gewerkschaftlichen Verhandlungsteam. Er präsentierte auch folgende Resolution, die einstimmig angenommen wurde:
Resolution „2,3 Prozent sind zu wenig! - Wir haben uns mehr verdient!“
Wir erwarten von den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen Lohn- und Gehaltserhöhungen, die unseren Lebensstandard sichern und einen gerechten Anteil am wirtschaftlichen Wachstum darstellen. Das Angebot der Arbeitgeber von 2,3 Prozent Lohn- und Gehaltserhöhung und einer nicht näher definierten Einmalzahlung war völlig unzureichend und unannehmbar.
Vorteile auch für UNS - nicht nur für die Unternehmen!
Unsere Gewerkschaften waren immer konstruktive Partnerinnen der Industrie, wenn es um gemeinsame Anstrengungen zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit und der Beschäftigung ging. Wie in der Vergangenheit sind sie auch jetzt offen für intelligente, kreative und innovative Lösungen - wenn sie auch uns Arbeitnehmerlnnen Vorteile bringen!
Wir haben kein Verständnis für das Verhalten der Arbeitgeberlnnen!
Wir haben überhaupt kein Verständnis dafür, dass uns angemessene Gehaltserhöhungen verwehrt werden, und das trotz hervorragender Wirtschaftslage und hoher Gewinne in der Branche. Wir fordern daher die Arbeitgeber auf, bei der Kollektivvertragsverhandlung am 2. November einem fairen Abschluss zuzustimmen.
Wir unterstützen unsere Gewerkschaften!
Sollte es auch bei der nächsten Verhandlungsrunde keinen Abschluss geben, werden wir bei einer weiteren Betriebsversammlung Maßnahmen und Aktionen zur Durchsetzung unserer berechtigten Forderungen beschließen.
g.mtn und GPA
Beendet wurde die knapp einstündige Betriebsversammlung mit einem flammenden Appell von voestalpine Arbeiterbetriebsrat Karl Schaller, der mit dem Spruch endete: „Wir reichen den arbeitenden Menschen die Hand und zeigen den Unternehmern die Faust.“
Als langjähriger Linker und Gewerkschafter ging ich mit gemischten Gefühlen an meinen Arbeitsplatz zurück. Sind diese radikalen Sprüche ernst zu nehmen? Wird tatsächlich einmal den immer unverschämteren Forderungen seitens der Unternehmer Widerstand entgegengesetzt, oder handelt es sich einmal mehr um das berühmt-berüchtigte Dampfablassen vor der nächsten Kapitulation durch die Gewerkschaftsbürokratie?
Was stutzig macht, ist der nach wie vor völlig bürokratische Ablauf der Betriebsversammlung. Bei nicht einmal einer Stunde Dauer („die Schichtler müssen spätestens um 14.00 Uhr weg“) war - sicher gewollt - kein Platz für unnötige Diskussionen. Die Reden wurden durchgezogen und aus. Die Resolution wurde nicht wirklich abgestimmt, ja nicht einmal verlesen.
Sie wurde während der Veranstaltung verteilt und von Sulzbacher kurz und bündig verabschiedet: „Wenn jemand dagegen ist, soll er sich jetzt melden. Aber ich bin sicher, dass das nicht der Fall ist. Ist jemand dagegen?“ Schweigen. „Dann also einstimmig angenommen.“ Ohne Raum für Diskussionen und ohne Einbindung der Beschäftigten in Entscheidungsprozesse wird es jedenfalls schwierig werden, für einen im Raum stehenden Arbeitskampf entsprechend zu mobilisieren, damit dieser auch zum Erfolg führt.
Am 2. November gibt es die nächste KV-Runde. Momentan ist es schwierig einzuschätzen, wie es dann weitergehen wird - ob die UnternehmerInnen doch noch einlenken, ob die gewerkschaftlichen Verhandler im Interesse des Klassenfriedens wieder kapitulieren oder ob das Fass überläuft und es nächste Woche zu neuerlichen Betriebsversammlungen, bei denen Arbeitskampfmaßnahmen beschlossen werden, kommen wird. Wir sollten jedenfalls Gewehr bei Fuß stehen.
Gerhard Ziegler
Darüber hinaus sollte es eine vom Gewinn des jeweiligen Unternehmens berechnete Einmalzahlung geben. Ein solches Vorgehen würde de facto die KV-Politik weg von der bislang gepflogenen Branchenebene auf die Betriebsebene verlagern - mit riesigen Verschlechterungen für die Arbeitenden:
• so würde die Einmalzahl für künftige Erhöhungen als Berechnungsbasis wegfallen, damit künftige Lohnerhöhungen automatisch geringer ausfallen und
• vor allem aber die Beschäftigten in gewerkschaftlich schlecht organisierten Betrieben bzw. in Betrieben mit tatsächlichen oder vorgeblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten unter großem Druck stehen, auf die „ergebnisabhängige Einmalzahlung“ zu verzichten (mit Drohungen wie Arbeitsplatzgefährdung, mangelnde Konkurrenzfähigkeit, Standortverlagerung, Betriebsschließung etc.).
• Produktivitätssteigerungen kämen damit in Hinkunft ausschließlich den UnternehmerInnen zu Gute.
• Ähnlich liegen die Dinge bei der Arbeitszeit. Die Unternehmerseite strebt unter dem Schlagwort „Flexibilisierung“ eine Ausweitung der Arbeitszeit nach dem Modell 10/12/60/2 an. Demnach soll die tägliche Normalarbeitszeit von 8 auf 10 Stunden, die tägliche Höchstarbeitszeit von 10 auf 12 Stunden, die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 60 Stunden und der Durchrechnungszeit auf 2 Jahre ausgedehnt werden. Laut Berechnungen der AK Linz würde die Umsetzung dieses Modells eine Lohnkürzung um insgesamt 1 Milliarde Euro pro Jahr bedeuten!
Der dritte Punkt, in dem Sprengkraft liegt, ist die einwöchige Bildungsfreistellung, die vom gewerkschaftlichen Verhandlungsteam (die g.mtn für die ArbeiterInnen und die GPA für die Angestellten verhandeln gemeinsam) gefordert und von den UnternehmensvertreterInnen nicht gewährt werden will. So entpuppen sich die Aussagen bei diversen Firmenfeiern von „den Mitarbeitern als beste Kapitalanlage“ und vom „notwendigen lebenslangen Lernen um im Konkurrenzkampf bestehen zu können“, als schöne Sonntagsreden, die offenbar nur so lange gelten, so lange der eigene Geldbeutel nicht dafür herhalten muss.
In die selbe Kerbe - ähnlich wortgewaltig und kämpferisch wie sein Vorredner - schlug Fritz Sulzbacher, langjähriger Angestellten-Betriebsratsvorsitzender der voestalpine und mit im gewerkschaftlichen Verhandlungsteam. Er präsentierte auch folgende Resolution, die einstimmig angenommen wurde:
Resolution „2,3 Prozent sind zu wenig! - Wir haben uns mehr verdient!“
Wir erwarten von den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen Lohn- und Gehaltserhöhungen, die unseren Lebensstandard sichern und einen gerechten Anteil am wirtschaftlichen Wachstum darstellen. Das Angebot der Arbeitgeber von 2,3 Prozent Lohn- und Gehaltserhöhung und einer nicht näher definierten Einmalzahlung war völlig unzureichend und unannehmbar.
Vorteile auch für UNS - nicht nur für die Unternehmen!
Unsere Gewerkschaften waren immer konstruktive Partnerinnen der Industrie, wenn es um gemeinsame Anstrengungen zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit und der Beschäftigung ging. Wie in der Vergangenheit sind sie auch jetzt offen für intelligente, kreative und innovative Lösungen - wenn sie auch uns Arbeitnehmerlnnen Vorteile bringen!
Wir haben kein Verständnis für das Verhalten der Arbeitgeberlnnen!
Wir haben überhaupt kein Verständnis dafür, dass uns angemessene Gehaltserhöhungen verwehrt werden, und das trotz hervorragender Wirtschaftslage und hoher Gewinne in der Branche. Wir fordern daher die Arbeitgeber auf, bei der Kollektivvertragsverhandlung am 2. November einem fairen Abschluss zuzustimmen.
Wir unterstützen unsere Gewerkschaften!
Sollte es auch bei der nächsten Verhandlungsrunde keinen Abschluss geben, werden wir bei einer weiteren Betriebsversammlung Maßnahmen und Aktionen zur Durchsetzung unserer berechtigten Forderungen beschließen.
g.mtn und GPA
Beendet wurde die knapp einstündige Betriebsversammlung mit einem flammenden Appell von voestalpine Arbeiterbetriebsrat Karl Schaller, der mit dem Spruch endete: „Wir reichen den arbeitenden Menschen die Hand und zeigen den Unternehmern die Faust.“
Als langjähriger Linker und Gewerkschafter ging ich mit gemischten Gefühlen an meinen Arbeitsplatz zurück. Sind diese radikalen Sprüche ernst zu nehmen? Wird tatsächlich einmal den immer unverschämteren Forderungen seitens der Unternehmer Widerstand entgegengesetzt, oder handelt es sich einmal mehr um das berühmt-berüchtigte Dampfablassen vor der nächsten Kapitulation durch die Gewerkschaftsbürokratie?
Was stutzig macht, ist der nach wie vor völlig bürokratische Ablauf der Betriebsversammlung. Bei nicht einmal einer Stunde Dauer („die Schichtler müssen spätestens um 14.00 Uhr weg“) war - sicher gewollt - kein Platz für unnötige Diskussionen. Die Reden wurden durchgezogen und aus. Die Resolution wurde nicht wirklich abgestimmt, ja nicht einmal verlesen.
Sie wurde während der Veranstaltung verteilt und von Sulzbacher kurz und bündig verabschiedet: „Wenn jemand dagegen ist, soll er sich jetzt melden. Aber ich bin sicher, dass das nicht der Fall ist. Ist jemand dagegen?“ Schweigen. „Dann also einstimmig angenommen.“ Ohne Raum für Diskussionen und ohne Einbindung der Beschäftigten in Entscheidungsprozesse wird es jedenfalls schwierig werden, für einen im Raum stehenden Arbeitskampf entsprechend zu mobilisieren, damit dieser auch zum Erfolg führt.
Am 2. November gibt es die nächste KV-Runde. Momentan ist es schwierig einzuschätzen, wie es dann weitergehen wird - ob die UnternehmerInnen doch noch einlenken, ob die gewerkschaftlichen Verhandler im Interesse des Klassenfriedens wieder kapitulieren oder ob das Fass überläuft und es nächste Woche zu neuerlichen Betriebsversammlungen, bei denen Arbeitskampfmaßnahmen beschlossen werden, kommen wird. Wir sollten jedenfalls Gewehr bei Fuß stehen.
Gerhard Ziegler