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Zweiklassengesellschaft und Sozialdumping – Leiharbeit bei Siemens

  • Montag, 30. Oktober 2006 @ 12:24
Meinung Von Oliver Jonischkeit

Vor kurzem erhielt Brigitte Ederer, Generaldirektorin von Siemens Österreich und vielen noch bekannt durch ihre Behauptung, in der EU würden sich alle monatlich 1.000 Schilling sparen, den Frauenpreis der Stadt Wien – mit der Begründung, sie diene anderen Frauen und Mädchen aufgrund ihres raschen Aufstiegs bei Siemens als „Rollenmodell“. Verdient hätte sie sich eher einen Preis für die besonders skrupellose Durchsetzung der Sozialdumping-Strategie des internationalen Siemens-Konzerns. Wegen der geplanten Auslagerung der Siemens-Software-Schmiede PSE wird es am 8. November zu einem Warnstreik der betroffenen 250 KollegInnen dieses Betriebs kommen.

Besonders kreativ ist der Siemens-Konzern bei der Leiharbeit. 1998 gründete die Siemens AG eine konzerneigene Personalüberlassungsgesellschaft – die SML. Bereits Mitte 2001 überließ diese und andere Leihfirmen dem Siemenskonzern ca. 1.500 vorwiegend Angestellte. Das Leasing von Personal bietet dem Konzern den Vorteil, kosten- und imageschonend je nach Auftragslage leicht heuern und feuern zu können – schließlich betreibt das ja nicht der Konzern selbst. Viele der bei SML angestellten und an Siemens verliehenen KollegInnen erhoffen sich früher oder später eine Übernahme durch Siemens und nehmen die schlechteren Lohn- und Arbeitsbedingungen hin. Die Hoffnungen erfüllen sich aber nur selten – lediglich 40 wurden letztes Jahr von Betrieben des Siemens-Konzern übernommen.

Wer bei der Leiharbeitsfirma SML beschäftigt und an Siemens verliehen ist, verdient in der Regel ca. 30 Prozent weniger als seine Siemens-Kollegin bei gleicher Tätigkeit. Grund dafür ist, dass für die Firma SML der KV für das Elektrogewerbe gilt, der wesentlich schlechter als jener der Elektroindustrie ist, der für die Siemens AG gültig ist. Auch die jährlichen bzw. 2-jährlichen Gehaltssteigerungen fallen beim KV Elektrogewerbe wesentlich niedriger aus.

Bereits vor vielen Jahren wurde der Betrieb IC, der Siemens-Artikel für den Großhandel vertreibt, ausgelagert – zwar galt für „Altbeschäftigte“ nach wie vor der KV Elektroindustrie, für alle neu Beschäftigten jedoch der Handels-KV.

Zudem gelten die meisten Betriebsvereinbarungen der Siemens AG nicht für jene, die als Leiharbeitskräfte dort beschäftigt sind, sie fallen um Erfolgsprämien und andere sozialen Leistungen um. Vertreten werden die KollegInnen von einem Betriebsratsmitglied des Siemens-Konzerns, den sie mitwählen durften – allerdings findet sich folgendes Zitat eines Betriebsrats auf der Homepage der Siemens-Leihfirma: „Unsere Firma ist die:Lunge der Siemens AG Österreich, die ihr das Atmen im Rhythmus der Marktbedürfnisse erlaubt“ – damit ist wohl alles gesagt.

Während das österreichische Stammpersonal bei Siemens bisher von Kündigungen und „einvernehmlichen“ Lösungen weitgehend verschont blieb, erfolgt der Personalabbau vorwiegend über jene Kräfte, die über Leihfirmen bei Siemens tätig sind.

Leider fehlt es noch an gewerkschaftlich notwendiger Solidarität der Siemens-Beschäftigten mit ihren KollegInnen, die über Leiharbeitsfirmen an Siemens verliehen worden sind. Allerdings bleibt zu hoffen, dass durch die Auseinandersetzung um weitere Auslagerungen und hoffentlich nicht ausbleibende Kampfmaßnahmen des Betriebsrats und der Gewerkschaft diese Solidarität wächst. Noch ist es Zeit, sich national und international gewerkschaftlich zu organisieren und zu solidarisieren. Ein international organisierter Kampf aller KollegInnen bei Siemens gegen den sozialen Kahlschlag wäre sicher wirkungsvoller, als ein noch so gut organisierter Einzelkampf auf nationaler und betrieblicher Ebene – so wichtig auch diese sind.

Oliver Jonischkeit ist ÖGB-Sekretär des GLB