Inhaltliche Vorbereitung des ÖGB-Kongresses wie gehabt
- Mittwoch, 25. Oktober 2006 @ 14:54
Von Michael Graber
Neben den Regionalkonferenzen, die ein neues Moment in der Vorbereitung eines ÖGB-Kongresses darstellen, deren positiven Einfluss auf den angekündigten Reformprozess sich aber erst herausstellen muss, finden auch die üblichen Arbeitskreise statt. Einer der wichtigsten ist der wirtschaftspolitische Arbeitskreis, formuliert er doch die Grundlinien der Wirtschaftspolitik in Österreich, wie sie der ÖGB sieht, bzw. wie er sie beeinflussen will – oder auch nicht. Grundlage ist, wie immer ein Papier, das von AK (G. Chaloupek) und vom volkswirtschaftlichen Referat des ÖGB (G. Kovarik) ausgearbeitet wurde.
Kurz vorweg: wer darin irgend eine neue Orientierung oder wenigstens einen neuen Akzent sucht, gegenüber dem was der ÖGB in Papieren seit Jahren fortschreibt oder die ÖGB-Führung seit je öffentlich vertritt, kann das Papier gleich wieder weglegen. Es ist ein Signal, dass sich der ÖGB auch weiterhin in den vorgegeben Fahrwassern des wirtschaftspolitischen Mainstream bewegen will und seine „Anschlussfähigkeit” gegenüber der jeweiligen Regierungspolitik nicht verlieren will.
Nicht nur das. Es gibt auch Stellen in der Diskussionsgrundlage, die die Ergebnisse der schwarz-blau-orangen Regierung sozusagen „inhalieren”, Korrekturen jedenfalls nur in einzelnen Aspekten verlangen. Offenbar sollen auch die Regierungsverhandlungen durch autonome Standpunkte des ÖGB nicht „belastet” werden.
Das gilt insbesondere für die Pensionsgegenreform, gegen die noch 2003 mobilisiert wurde. Im Entwurf der Diskussionsgrundlage heißt es dazu: „Die Pensionssicherungsreform 2003 ist bei aller Notwendigkeit einer langfristigen Anhebung des Pensionsantrittsalters in mehrfacher Hinsicht problematisch”. Wurde das auf der großen Demo 2003 auch so gesagt? Kritisiert wird dann die „kurzfristige Einschränkung der Frühpensionierungen” und die „Eile” mit der die Regierung vorgegangen ist. An der Grundkonzeption wird nicht gerüttelt. Es werden sogar indirekt die Gewerkschaften des öffentlichen Diensts gerügt, dass sie einen „wesentlich langsameren Einstieg” in das „harmonisierte” Pensionsrecht durchgesetzt haben.
Ein zweites Beispiel ist die Frage Arbeitszeitverkürzung. Erst auf Intervention des GLB-Vertreters wurde der Passus „bei vollem Lohnausgleich” aufgenommen. Bezeichnend für die Atmosphäre in der solche Fragen unter hohen ÖGB-Funktionären diskutiert wird sind die folgenden Wortmeldungen: Ein BRV berichtete stolz, dass in seinem Unternehmen (das übrigens zumindest teilweise unter öffentlicher Kontrolle steht), die 32-Stundewoche- ohne Lohnausgleich - und mit gleichzeitig eingeführten sechsmonatigen Durchrechnungszeitraum für Zeitausgleich (Flexibilisierung) abgeschlossen wurde. Ein BRV meinte, „unsere” Betriebsräte wollen die Arbeitszeitverkürzung nicht und forderte ziemlich unverblümt, dass sich der ÖGB-Neu diesen Stimmungen „der Basis” anzupassen habe. Der vorsitzführende Metallerchef Foglar stimmte dem mit dem Satz zu, dass der ÖGB die 35-Stundenwoche schon seit Jahren als „Ballast” mitschleppe, weil er sie eh nicht verwirklichen werde.
Generelle Arbeitszeitverkürzung ist eben eine gesellschaftspolitische Aufgabenstellung, aber gesellschaftspolitische Perspektiven sind schon lange aus dem Wortschatz der ÖGB-Führung verschwunden. Kein Wunder, dass „die Basis” beim Wort Arbeitszeitverkürzung nur Lohnkürzung und/oder Flexibilisierung zugunsten der Unternehmer versteht.
Apropos Produktivitätsentwicklung. „Der Trend (!) zur Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit” habe sich deshalb „nicht mehr fortgesetzt”, weil „sich der gesamtwirtschaftliche Produktivitätsfortschritt, der vor 1975 im Durchschnitt gut vier Prozent jährlich ausmachte, entscheidend verringert hat, und dass der verbliebene Spielraum zur Erhöhung der Reallöhne sowie für den steigenden Finanzierungsbedarf der sozialen Sicherung genutzt worden ist”, heißt es im Text. Davon ist kein Wort wahr und die Aussage wird auch nicht belegt. Im Gegenteil. An einer anderen Stelle wird die „schwache Entwicklung der kollektivvertraglichen Abschlüsse” registriert. (Eine Passage, die auf Intervention Foglars natürlich gestrichen wurde. Sie könnte ja als Selbstkritik verstanden werden).
Warum denn die tatsächliche Produktivitätsentwicklung seit Jahren nicht mehr im wirtschafts- und sozialstatistischen Taschenbuch der AK aufscheine, das ja ein gründliches Rüstzeug für alle Betriebs- und Gewerkschaftsfunktionäre darstellen soll, wurde vom GLB-Vertreter gefragt. Antwort: Das wäre derzeit zu kompliziert. Trotzdem bekennt sich der ÖGB zur „produktivitätsorientierten Lohnpolitik”.
Vielleicht gelingt es noch, da und dort Ecken und Kanten in die wirtschaftspolitischen Grundlagen für den ÖGB-Kongress hineinzubringen, auf die man sich in der Praxis berufen kann. Inhaltlich bleibt das Dokument aber das meiste schuldig, was für eine Erneuerung der Gewerkschaftspolitik erforderlich wäre.
Neben den Regionalkonferenzen, die ein neues Moment in der Vorbereitung eines ÖGB-Kongresses darstellen, deren positiven Einfluss auf den angekündigten Reformprozess sich aber erst herausstellen muss, finden auch die üblichen Arbeitskreise statt. Einer der wichtigsten ist der wirtschaftspolitische Arbeitskreis, formuliert er doch die Grundlinien der Wirtschaftspolitik in Österreich, wie sie der ÖGB sieht, bzw. wie er sie beeinflussen will – oder auch nicht. Grundlage ist, wie immer ein Papier, das von AK (G. Chaloupek) und vom volkswirtschaftlichen Referat des ÖGB (G. Kovarik) ausgearbeitet wurde.
Kurz vorweg: wer darin irgend eine neue Orientierung oder wenigstens einen neuen Akzent sucht, gegenüber dem was der ÖGB in Papieren seit Jahren fortschreibt oder die ÖGB-Führung seit je öffentlich vertritt, kann das Papier gleich wieder weglegen. Es ist ein Signal, dass sich der ÖGB auch weiterhin in den vorgegeben Fahrwassern des wirtschaftspolitischen Mainstream bewegen will und seine „Anschlussfähigkeit” gegenüber der jeweiligen Regierungspolitik nicht verlieren will.
Nicht nur das. Es gibt auch Stellen in der Diskussionsgrundlage, die die Ergebnisse der schwarz-blau-orangen Regierung sozusagen „inhalieren”, Korrekturen jedenfalls nur in einzelnen Aspekten verlangen. Offenbar sollen auch die Regierungsverhandlungen durch autonome Standpunkte des ÖGB nicht „belastet” werden.
Das gilt insbesondere für die Pensionsgegenreform, gegen die noch 2003 mobilisiert wurde. Im Entwurf der Diskussionsgrundlage heißt es dazu: „Die Pensionssicherungsreform 2003 ist bei aller Notwendigkeit einer langfristigen Anhebung des Pensionsantrittsalters in mehrfacher Hinsicht problematisch”. Wurde das auf der großen Demo 2003 auch so gesagt? Kritisiert wird dann die „kurzfristige Einschränkung der Frühpensionierungen” und die „Eile” mit der die Regierung vorgegangen ist. An der Grundkonzeption wird nicht gerüttelt. Es werden sogar indirekt die Gewerkschaften des öffentlichen Diensts gerügt, dass sie einen „wesentlich langsameren Einstieg” in das „harmonisierte” Pensionsrecht durchgesetzt haben.
Ein zweites Beispiel ist die Frage Arbeitszeitverkürzung. Erst auf Intervention des GLB-Vertreters wurde der Passus „bei vollem Lohnausgleich” aufgenommen. Bezeichnend für die Atmosphäre in der solche Fragen unter hohen ÖGB-Funktionären diskutiert wird sind die folgenden Wortmeldungen: Ein BRV berichtete stolz, dass in seinem Unternehmen (das übrigens zumindest teilweise unter öffentlicher Kontrolle steht), die 32-Stundewoche- ohne Lohnausgleich - und mit gleichzeitig eingeführten sechsmonatigen Durchrechnungszeitraum für Zeitausgleich (Flexibilisierung) abgeschlossen wurde. Ein BRV meinte, „unsere” Betriebsräte wollen die Arbeitszeitverkürzung nicht und forderte ziemlich unverblümt, dass sich der ÖGB-Neu diesen Stimmungen „der Basis” anzupassen habe. Der vorsitzführende Metallerchef Foglar stimmte dem mit dem Satz zu, dass der ÖGB die 35-Stundenwoche schon seit Jahren als „Ballast” mitschleppe, weil er sie eh nicht verwirklichen werde.
Generelle Arbeitszeitverkürzung ist eben eine gesellschaftspolitische Aufgabenstellung, aber gesellschaftspolitische Perspektiven sind schon lange aus dem Wortschatz der ÖGB-Führung verschwunden. Kein Wunder, dass „die Basis” beim Wort Arbeitszeitverkürzung nur Lohnkürzung und/oder Flexibilisierung zugunsten der Unternehmer versteht.
Apropos Produktivitätsentwicklung. „Der Trend (!) zur Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit” habe sich deshalb „nicht mehr fortgesetzt”, weil „sich der gesamtwirtschaftliche Produktivitätsfortschritt, der vor 1975 im Durchschnitt gut vier Prozent jährlich ausmachte, entscheidend verringert hat, und dass der verbliebene Spielraum zur Erhöhung der Reallöhne sowie für den steigenden Finanzierungsbedarf der sozialen Sicherung genutzt worden ist”, heißt es im Text. Davon ist kein Wort wahr und die Aussage wird auch nicht belegt. Im Gegenteil. An einer anderen Stelle wird die „schwache Entwicklung der kollektivvertraglichen Abschlüsse” registriert. (Eine Passage, die auf Intervention Foglars natürlich gestrichen wurde. Sie könnte ja als Selbstkritik verstanden werden).
Warum denn die tatsächliche Produktivitätsentwicklung seit Jahren nicht mehr im wirtschafts- und sozialstatistischen Taschenbuch der AK aufscheine, das ja ein gründliches Rüstzeug für alle Betriebs- und Gewerkschaftsfunktionäre darstellen soll, wurde vom GLB-Vertreter gefragt. Antwort: Das wäre derzeit zu kompliziert. Trotzdem bekennt sich der ÖGB zur „produktivitätsorientierten Lohnpolitik”.
Vielleicht gelingt es noch, da und dort Ecken und Kanten in die wirtschaftspolitischen Grundlagen für den ÖGB-Kongress hineinzubringen, auf die man sich in der Praxis berufen kann. Inhaltlich bleibt das Dokument aber das meiste schuldig, was für eine Erneuerung der Gewerkschaftspolitik erforderlich wäre.