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Armut um jeden Preis?

  • Dienstag, 24. Oktober 2006 @ 13:06
Meinung Von Anna-Erika Paseka

„Weiß ich, was ein Mensch ist? Weiß ich, wer das weiß! Ich weiß nicht, was ein Mensch ist, ich kenn nur seinen Preis.“ (Bertolt Brecht aus: Lied des Händlers oder Angebot und Nachfrage) …nicht nur armutsgefährdet, sondern tatsächlich arm.

Den Begriff „armutsgefährdet“ findet man nicht im Duden. Er beinhaltet das Wort „Armut“ und „gefährdet“, jedoch nicht „armutsgefährdet“. Was ist zu verstehen unter dem Begriff „armutsgefährdet“?

Hast du einen Job? Hast du dein finanzielles Auskommen? Fühlst du dich armutsgefährdet? Armutsgefährdet – ein Schlagwort, dass ständig von Medienleuten und Politikern verwendet wird in Bezug auf Erwerbsarbeitslose, prekär Beschäftige und alleinerziehende Mütter.

Erwerbsarbeitslose und prekär beschäftigte Menschen haben die Grenze der „Armutsgefährdung“ längst überschritten, sie haben mit dem, was ihnen unterm Strich bleibt – kaum ein finanzielles Auskommen. Daher sind diese Betroffenen nicht nur armutsgefährdet, sondern tatsächlich arm.

Mehr als eine Million Menschen „armutsgefährdet“

Ein Großteil der Beschäftigten ist „armutsgefährdet“, weil gefährdet ist man im Kapitalismus immer. Hast du Angst um deinen Arbeitsplatz? Fühlst du dich in deiner Angst um deinen Arbeitsplatz – armutsgefährdet? Mehr als eine Million Menschen, oder 13 Prozent der Bevölkerung in Österreich gelten als armutsgefährdet, weil diese Gruppe über weniger als Euro 848 monatlich verfügt.

Das Armutsrisiko ist unterschiedlich:

Bei Erwerbstätigen beträgt es ca. acht Prozent, bei Männern elf Prozent, bei PensionistInnen bei 13 Prozent und bei Frauen liegt es bei ca. 14 Prozent. Auszubildende sind 19 Prozent armutsgefährdet, doch die negative Spitze liegt bei den Arbeitslosen mit ca. 32 Prozent.

Auch wenn das Pro-Kopf-Einkommen jährlich bei Euro 16.969 für einen Einpersonenhaushalt liegt, das entspricht einem Monatsbetrag von Euro 1.414, so verfügt das einkommensschwächste Viertel der österreichischen Bevölkerung über jährlich weniger als Euro 12.868, das reichste Viertel hingegen kommt auf zumindest Euro 22.404.

Wobei die Gefahr der Verarmung nicht einzig und allein nur bei Arbeitslosigkeit liegt, vielmehr gilt es der Einstellung gegenzusteuern, die einen „Niedriglohnsektor mit „Arbeit um jeden Preis“ forciert. Weiters muss man darauf hinweisen, dass ein Großteil des Beschäftigungswachstums nur auf Teilzeitbeschäftigung zurückzuführen ist.

Weil der Mensch ein Mensch ist

„Sozial ist nicht nur das, was Arbeit schafft, sondern Arbeit, die vor Armut schützt“, so Diakonie-Sozialexperte Martin Schenk, denn niedriges Erwerbseinkommen schlägt sich auch in nicht-existenzsichernden Sozialleistungen bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und in der Pension nieder. Wer ein Leben lang in prekären Jobs arbeitet, wird keine existenzsichernde Pension bekommen, das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe sind so gering, dass man im Falle von Jobverlust davon keinen Tag überleben kann.

Laut Armutskonferenz leben jetzt 253.000 Menschen in Österreich in Haushalten, in denen der Verdienst trotz Erwerbsarbeit nicht reicht. Einer der Gründe dafür ist die ungerecht harte Besteuerung der arbeitenden Menschen und die asoziale Schonung der Vermögenden. Michael Bachner (Der Standard) stellt fest, was ÖVP und SPÖ gerne zerreden:

„Jede Studie der letzten Jahre hat gezeigt: Österreich liegt bei den vermögensbezogenen Steuern im Vergleich mit allen anderen vergleichbaren Staaten am untersten Ende. Der Anteil von Grund-, Erbschafts- und Schenkungssteuer macht hier zu Lande gerade einmal 1,3 Prozent der Gesamtabgaben aus. Nur in Tschechien kommen Vermögende noch günstiger davon.“

Nur ein präventiv wirkendes soziales Sicherungssystem reduziert Armut. So besteht z.B. in den USA und Großbritannien trotz geringer Arbeitslosigkeit eine hohe Armut der Bevölkerung, hingegen in Dänemark und Schweden herrscht geringe Armut bei geringer Arbeitslosigkeit, weil in diesen Ländern mehr in das Sozialsystem investiert wird.

Eine Gewerkschaft und eine ArbeiterInnenbewegung, die sich nur um existenzsichernde Einkommen kümmert, verlangt aber zu wenig. Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum hat er Stiefel im Gesicht nicht gern! Er will unter sich keinen Sklaven sehn und über sich keinen Herrn.

Anna Paseka ist Mitglied der GPA/GLB und befindet sich eigeninitiativ in Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin