Der GLB zum kommenden ÖGB-Kongress
- Montag, 22. Januar 2007 @ 15:35
Der BAWAG-Skandal hat im Frühjahr 2006 eine tiefe Krise des ÖGB deutlich gemacht, deren eigentliche Ursachen freilich weit in die Vergangenheit zurückreichen und viel tiefer liegen. Zu Recht erwarten sich die Mitglieder, darüber hinaus aber alle Unselbständigen, vom kommenden ÖGB-Kongress im Jänner 2007 Antworten, wie die Zukunft der Gewerkschaften als ihre Interessenvertretung aussehen soll. Die bisherigen Signale waren allerdings nicht ermutigend und lassen den Willen zu einer wirklichen Erneuerung vermissen: An Stelle von Verzetnitsch trat mit Hundstorfer ein Gewerkschafter der für den alten Kurs steht. Auf parteipolitischen Zuruf der SPÖ wurde der Verkauf der BAWAG ohne Befragung der Mitglieder beschlossen. Hundstorfer beharrte auf Beibehaltung seiner hochdotierten Funktion als Wiener Gemeinderat und wollte sogar ein Nationalratsmandat, bis SPÖ-Chef Gusenbauer als Abgrenzungsmanöver entschied, dass künftig keine SpitzengewerkschafterInnnen mehr im Parlament vertreten sein sollten.
Der für Juni 2006 einberufene ao Bundeskongress wurde wieder abgesagt, zuerst auf den Herbst 2007 verschoben und dann wieder auf Jänner 2007 vorverlegt. Große Empörung löste Hundstorfers Aussage einer Bezugsobergrenze von 11.000 Euro bei den einfachen Gewerkschaftsmitgliedern aus.
Die bisherigen Schritte für eine Reform des ÖGB verstärken die Lethargie und Zweifel der Mitglieder. Das „Design“ der Regionalkonferenzen zielt ebenso wie die Mitgliederbefragung, die Projektgruppen und Diskussionen über die Bildung von Aktivgruppen ganz offensichtlich darauf, den bisherigen Kurs zu bestätigen und auf ein „durchtauchen“ der Führung. Wenn sich aber der ÖGB nicht von zwei Seiten völlig neu orientiert, wird er den sich durch die neoliberale Offensive erforderlichen erhöhten Anforderungen nicht gerecht:
Auf der politischen Seite ist der ÖGB geprägt von einer jahrzehntelangen Sozialpartnerschaft mit der Unternehmerseite, die ihn der vom Kapital vorgegebenen Standortlogik unterwirft und ihn zu einem Ordnungsfaktor gemacht hat. Das Ergebnis ist eine massive Entpolitisierung, Demobilisierung und Kampfentwöhnung der Unselbständigen die sich als ausgesprochene Stellvertreterpolitik niederschlägt. Notwendig ist jedoch ein Selbstverständnis einer von Kapital, Regierung und Parteien unabhängigen Organisation mit einer eigenständigen Politik, die nur den Lohnabhängigen, Erwerbslosen und Prekarisierten verpflichtet ist.
Auf der organisatorischen Seite stellt sich die Frage, wie lange noch die Zersplitterung in zahlreiche Teilgewerkschaften zur Erhaltung von Pfründen aufrechtzuerhalten ist, die eine enorme Rivalität zur Folge hat. Notwendig wird auch vor dem Hintergrund der Angleichung der Rechte von ArbeiterInnen und Angestellten ein einheitlicher ÖGB als schlanke Dachorganisation, untergliedert in kollektivvertragsfähige Wirtschaftskörper für die verschiedenen Branchen.
Ein elementarer Mangel der bisherigen Reformdebatte ist, dass diese ebenso wie die Mitgliederbefragung nicht auf der betrieblichen (bzw. für kleine Betriebe und Einzelmitglieder auf der regionalen) Ebene stattfindet, wo bekanntlich der Großteil der Mitglieder konzentriert ist. Obwohl vielfach festgestellt wird, dass der ÖGB faktisch eine FunktionärInnen- statt einer Mitgliedergewerkschaft ist, gibt es keine wirklichen Ansätze dies zu ändern. Eine Schlüsselfrage dabei ist die Mitsprache der Mitglieder durch betriebliche Organisierung der Gewerkschaftsmitglieder, Urabstimmungen zu allen wesentlichen Fragen sowie die Wahl der Leitungen bzw. Delegierten in allen Gewerkschaften.
Die laufenden KV-Verhandlungen für die Metallbranche verdeutlichen, dass bislang keine Änderung der Gewerkschaftspolitik erfolgt ist: In althergebrachter Manier wird hinter den Kulissen verhandelt. Nicht nur wurde der Verhandlungsbeginn verschoben um die Wahl nicht zu „belasten“ und es erfolgte auch keine Meinungsbildung durch Betriebsversammlungen um Druck auf die Verhandlungen zu machen. Nicht einmal eine Forderung von Gewerkschaftsseite ist bekannt, hingegen allerdings die Bereitschaft zu weiterer Flexibilisierung. Anders als etwa in Deutschland erfolgt über das Ergebnis auch keine Urabstimmung der Betroffenen, diese werden lediglich „informiert“.
Gelingt es den Gewerkschaften nicht eine für die Mitglieder bzw. darüber hinaus für alle Unselbständigen spürbare Neuorientierung zu realisieren, wird auch ihre Kernaufgabe, nämlich die KV-Fähigkeit, die Beratung und Unterstützung von BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen und die fachliche Vertretung der Mitglieder in Konfliktfällen geschwächt. Die Unternehmerseite drängt bekanntlich ohnehin seit langem auf die Reduzierung auf betriebliche KV-Verhandlungen, damit würden sich auf kurz oder lang Gewerkschaften erübrigen. Die Kapitalvertretungen wissen nämlich genau, dass die Stärke der Gewerkschaften in der Übereinstimmung von Service und betriebs- und branchenübergreifender politischer Aktions-, Handlungs- und Kampagnenfähigkeit liegt.
Die Entsolidarisierung hat auch unter den Unselbständigen und auch in den Gewerkschaften breite Ausmaße erreicht. Der Hintergrund dafür liegt auf der Hand: Der neoliberale Kapitalismus beruht in extremer Weise auf dem Recht des Stärkeren. Die Schlagwörter vom „freien Wettbewerb“ und der Regelung durch Markt, Wettbewerb und Konkurrenz orientiert auf die gezielte Zerstörung der Solidarität. Schlagworte wie die angebliche Unfinanzierbarkeit von Pensionen, Gesundheit oder Sozialstaat bringen dies ebenso zum Ausdruck wie eine massive Fremdenfeindlichkeit auch und gerade unter den Lohnabhängigen.
Eine der Aufgaben moderner zukunftorientierter Gewerkschaften ist daher auch eine Strategie für ein neues Solidaritätsverständnis zu entwickeln. Das bedingt ein zeitgemäßes Verständnis der Arbeiterklasse durch besondere Berücksichtigung und Öffnung gegenüber Erwerbslosen und Prekarisierten ebenso wie die Quotierung der Gremien zur Gleichberechtigung der Frauen im ÖGB. Ein anderer ebenso wichtiger Aspekt dabei ist die Entwicklung von überbetriebliche Vernetzung und Solidarität in Konfliktfälle.
Angesichts der Angriffe auf in Jahrzehnten erkämpfte soziale und politische Errungenschaften durch ein vom Streben nach immer größerem Maximalprofit bestimmten Kapital und seinen Vertretungen sind im Interesse der Unselbständigen Gewerkschaften auch in Zukunft notwendiger denn je. Die Gewerkschaften werden ihrer Rolle aber nur gerecht, wenn sie die Fehlentwicklungen der Vergangenheit selbstkritisch aufarbeiten und für ihre Mitglieder erkennbare Änderungen vollziehen. Die Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB) hält dafür nachstehende Maßnahmen für notwendig:
Strukturreformen müssen mit Inhalten verbunden sein: Anstelle eines sozialpartnerschaftlichen Ordnungsfaktors brauchen wir eine kämpferische Interessenvertretung. Die Streikfähigkeit muss auch ohne den im BAWAG-Skandal vernichteten Streikfonds gewahrt bleiben, sie hängt vom politischen Willen ab, wie die Erfahrungen anderer Länder beweisen. Gleichzeitig darf sich die Gewerkschaft nicht als eine Serviceorganisation sehen, sondern hat auch gesellschaftspolitische Aufgaben zu erfüllen. Wenn GewerkschafterInnen politische Mandate innehaben, so unterliegen sie keinem Fraktionszwang sondern sind ausschließlich den Interessen der ArbeitnehmerInnen und Erwerbslosen verpflichtet.
Die Mitglieder müssen der Maßstab der Gewerkschaftspolitik sein: Die Gewinnung und Betreuung der Mitglieder muss die zentrale Aufgabe der Gewerkschaften sein. Es gilt Strukturen zu schaffen, die auch „gewöhnlichen“ Mitgliedern ohne Mandat eine Mitsprache oder die Vertretung in Gremien ermöglicht.
Die Mitglieder müssen wählen können: Die Gremien bzw. Delegierten für Konferenzen müssen in allen Gewerkschaften von den Mitgliedern gewählt werden. Sie dürfen nicht länger nur nach dem Ergebnis von Betriebsrats- oder Personalvertretungswahlen besetzt werden. Gremien müssen auch für Mitglieder ohne Mandat zugänglich sein.
Die Veränderungen in der Arbeitswelt sind zu berücksichtigen: Prekarisierung, gestiegene Berufstätigkeit von Frauen und einen wachsender Anteil von MigrantInnen müssen den Inhalten und den Strukturen zu Grunde gelegt werden.
Privilegien sind abzubauen: Diese führen zur Entfremdung von SpitzengewerkschafterInnen von der Basis. GewerkschaftsfunktionärInnen dürfen nur einen Bezug haben, eine Bezugsobergrenze ist einzuführen.
Die traditionelle Stellvertreterpolitik ist zu überwinden: Selbstermächtigung und Eigeninitiative müssen entwickelt werden.
Der ÖGB braucht flache überschaubare Strukturen: Das Dickicht der Gremien muss entwirrt werden. Wir brauchen einen starken ÖGB als Dachverband mit kollektivvertragsfähigen eigenverantwortlichen Untergliederungen.
Wir brauchen einen unabhängigen ÖGB: SpitzengewerkschafterInnen dürfen daher keine Mandate in gesetzgebenden Körperschaften ausüben, sie müssen unabhängig von fraktionellen Zwängen agieren können.
Die Mitglieder brauchen breite Mitspracherechte: Urabstimmungen zu allen wesentlichen Fragen, sei es der BAWAG-Verkauf, der ÖGB-Reform oder KV-Abschlüsse, sind notwendig. Minderheitenrechte für die Fraktionen und Kontrollrechte müssen ausgebaut und verankert werden.
Gleichberechtigung der Frauen: Durch eine Quotierung ist dem Stellenwert der Frauen in der Arbeitswelt Rechnung zu tragen. Der Frauenanteil in allen Gewerkschaftsgremien muss zumindest dem Anteil der Frauen an der Mitgliedschaft entsprechen. Damit ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass gerade Frauen von der Zunahme atypischer, prekärer Erwerbsarbeit betroffen sind.
Der ÖGB braucht eine starke Stimme in der Öffentlichkeit: Notwendig ist eine Reform der gewerkschaftlichen Medien, anstelle zahlreicher wenig wirksamer Zeitungen sollte eine gut gemachte Gewerkschaftszeitung, die als Wochenzeitung denkbar wäre, die Anliegen der Gewerkschaften öffentlich machen und die Mitglieder informieren.
Ein konsequenter Neubeginn: Keine bis Frühjahr 2006 dem Präsidium angehörende FunktionärInnen dürfen künftig Spitzenfunktionen übernehmen. Die bis Frühjahr 2006 im BAWAG-Aufsichtsrat bzw. –Vorstand vertretenen Personen sind strafrechtlich für die Veruntreuung des ÖGB-Vermögens zu belangen. Mitgliedsbeiträge dürfen nicht für die BAWAG-Sanierung herangezogen werden, sondern dürfen nur für den laufenden Betrieb verwendet werden.
Resolution der GLB-Bundeskonferenz vom 21. Oktober 2006
Der für Juni 2006 einberufene ao Bundeskongress wurde wieder abgesagt, zuerst auf den Herbst 2007 verschoben und dann wieder auf Jänner 2007 vorverlegt. Große Empörung löste Hundstorfers Aussage einer Bezugsobergrenze von 11.000 Euro bei den einfachen Gewerkschaftsmitgliedern aus.
Die bisherigen Schritte für eine Reform des ÖGB verstärken die Lethargie und Zweifel der Mitglieder. Das „Design“ der Regionalkonferenzen zielt ebenso wie die Mitgliederbefragung, die Projektgruppen und Diskussionen über die Bildung von Aktivgruppen ganz offensichtlich darauf, den bisherigen Kurs zu bestätigen und auf ein „durchtauchen“ der Führung. Wenn sich aber der ÖGB nicht von zwei Seiten völlig neu orientiert, wird er den sich durch die neoliberale Offensive erforderlichen erhöhten Anforderungen nicht gerecht:
Auf der politischen Seite ist der ÖGB geprägt von einer jahrzehntelangen Sozialpartnerschaft mit der Unternehmerseite, die ihn der vom Kapital vorgegebenen Standortlogik unterwirft und ihn zu einem Ordnungsfaktor gemacht hat. Das Ergebnis ist eine massive Entpolitisierung, Demobilisierung und Kampfentwöhnung der Unselbständigen die sich als ausgesprochene Stellvertreterpolitik niederschlägt. Notwendig ist jedoch ein Selbstverständnis einer von Kapital, Regierung und Parteien unabhängigen Organisation mit einer eigenständigen Politik, die nur den Lohnabhängigen, Erwerbslosen und Prekarisierten verpflichtet ist.
Auf der organisatorischen Seite stellt sich die Frage, wie lange noch die Zersplitterung in zahlreiche Teilgewerkschaften zur Erhaltung von Pfründen aufrechtzuerhalten ist, die eine enorme Rivalität zur Folge hat. Notwendig wird auch vor dem Hintergrund der Angleichung der Rechte von ArbeiterInnen und Angestellten ein einheitlicher ÖGB als schlanke Dachorganisation, untergliedert in kollektivvertragsfähige Wirtschaftskörper für die verschiedenen Branchen.
Ein elementarer Mangel der bisherigen Reformdebatte ist, dass diese ebenso wie die Mitgliederbefragung nicht auf der betrieblichen (bzw. für kleine Betriebe und Einzelmitglieder auf der regionalen) Ebene stattfindet, wo bekanntlich der Großteil der Mitglieder konzentriert ist. Obwohl vielfach festgestellt wird, dass der ÖGB faktisch eine FunktionärInnen- statt einer Mitgliedergewerkschaft ist, gibt es keine wirklichen Ansätze dies zu ändern. Eine Schlüsselfrage dabei ist die Mitsprache der Mitglieder durch betriebliche Organisierung der Gewerkschaftsmitglieder, Urabstimmungen zu allen wesentlichen Fragen sowie die Wahl der Leitungen bzw. Delegierten in allen Gewerkschaften.
Die laufenden KV-Verhandlungen für die Metallbranche verdeutlichen, dass bislang keine Änderung der Gewerkschaftspolitik erfolgt ist: In althergebrachter Manier wird hinter den Kulissen verhandelt. Nicht nur wurde der Verhandlungsbeginn verschoben um die Wahl nicht zu „belasten“ und es erfolgte auch keine Meinungsbildung durch Betriebsversammlungen um Druck auf die Verhandlungen zu machen. Nicht einmal eine Forderung von Gewerkschaftsseite ist bekannt, hingegen allerdings die Bereitschaft zu weiterer Flexibilisierung. Anders als etwa in Deutschland erfolgt über das Ergebnis auch keine Urabstimmung der Betroffenen, diese werden lediglich „informiert“.
Gelingt es den Gewerkschaften nicht eine für die Mitglieder bzw. darüber hinaus für alle Unselbständigen spürbare Neuorientierung zu realisieren, wird auch ihre Kernaufgabe, nämlich die KV-Fähigkeit, die Beratung und Unterstützung von BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen und die fachliche Vertretung der Mitglieder in Konfliktfällen geschwächt. Die Unternehmerseite drängt bekanntlich ohnehin seit langem auf die Reduzierung auf betriebliche KV-Verhandlungen, damit würden sich auf kurz oder lang Gewerkschaften erübrigen. Die Kapitalvertretungen wissen nämlich genau, dass die Stärke der Gewerkschaften in der Übereinstimmung von Service und betriebs- und branchenübergreifender politischer Aktions-, Handlungs- und Kampagnenfähigkeit liegt.
Die Entsolidarisierung hat auch unter den Unselbständigen und auch in den Gewerkschaften breite Ausmaße erreicht. Der Hintergrund dafür liegt auf der Hand: Der neoliberale Kapitalismus beruht in extremer Weise auf dem Recht des Stärkeren. Die Schlagwörter vom „freien Wettbewerb“ und der Regelung durch Markt, Wettbewerb und Konkurrenz orientiert auf die gezielte Zerstörung der Solidarität. Schlagworte wie die angebliche Unfinanzierbarkeit von Pensionen, Gesundheit oder Sozialstaat bringen dies ebenso zum Ausdruck wie eine massive Fremdenfeindlichkeit auch und gerade unter den Lohnabhängigen.
Eine der Aufgaben moderner zukunftorientierter Gewerkschaften ist daher auch eine Strategie für ein neues Solidaritätsverständnis zu entwickeln. Das bedingt ein zeitgemäßes Verständnis der Arbeiterklasse durch besondere Berücksichtigung und Öffnung gegenüber Erwerbslosen und Prekarisierten ebenso wie die Quotierung der Gremien zur Gleichberechtigung der Frauen im ÖGB. Ein anderer ebenso wichtiger Aspekt dabei ist die Entwicklung von überbetriebliche Vernetzung und Solidarität in Konfliktfälle.
Angesichts der Angriffe auf in Jahrzehnten erkämpfte soziale und politische Errungenschaften durch ein vom Streben nach immer größerem Maximalprofit bestimmten Kapital und seinen Vertretungen sind im Interesse der Unselbständigen Gewerkschaften auch in Zukunft notwendiger denn je. Die Gewerkschaften werden ihrer Rolle aber nur gerecht, wenn sie die Fehlentwicklungen der Vergangenheit selbstkritisch aufarbeiten und für ihre Mitglieder erkennbare Änderungen vollziehen. Die Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB) hält dafür nachstehende Maßnahmen für notwendig:
Strukturreformen müssen mit Inhalten verbunden sein: Anstelle eines sozialpartnerschaftlichen Ordnungsfaktors brauchen wir eine kämpferische Interessenvertretung. Die Streikfähigkeit muss auch ohne den im BAWAG-Skandal vernichteten Streikfonds gewahrt bleiben, sie hängt vom politischen Willen ab, wie die Erfahrungen anderer Länder beweisen. Gleichzeitig darf sich die Gewerkschaft nicht als eine Serviceorganisation sehen, sondern hat auch gesellschaftspolitische Aufgaben zu erfüllen. Wenn GewerkschafterInnen politische Mandate innehaben, so unterliegen sie keinem Fraktionszwang sondern sind ausschließlich den Interessen der ArbeitnehmerInnen und Erwerbslosen verpflichtet.
Die Mitglieder müssen der Maßstab der Gewerkschaftspolitik sein: Die Gewinnung und Betreuung der Mitglieder muss die zentrale Aufgabe der Gewerkschaften sein. Es gilt Strukturen zu schaffen, die auch „gewöhnlichen“ Mitgliedern ohne Mandat eine Mitsprache oder die Vertretung in Gremien ermöglicht.
Die Mitglieder müssen wählen können: Die Gremien bzw. Delegierten für Konferenzen müssen in allen Gewerkschaften von den Mitgliedern gewählt werden. Sie dürfen nicht länger nur nach dem Ergebnis von Betriebsrats- oder Personalvertretungswahlen besetzt werden. Gremien müssen auch für Mitglieder ohne Mandat zugänglich sein.
Die Veränderungen in der Arbeitswelt sind zu berücksichtigen: Prekarisierung, gestiegene Berufstätigkeit von Frauen und einen wachsender Anteil von MigrantInnen müssen den Inhalten und den Strukturen zu Grunde gelegt werden.
Privilegien sind abzubauen: Diese führen zur Entfremdung von SpitzengewerkschafterInnen von der Basis. GewerkschaftsfunktionärInnen dürfen nur einen Bezug haben, eine Bezugsobergrenze ist einzuführen.
Die traditionelle Stellvertreterpolitik ist zu überwinden: Selbstermächtigung und Eigeninitiative müssen entwickelt werden.
Der ÖGB braucht flache überschaubare Strukturen: Das Dickicht der Gremien muss entwirrt werden. Wir brauchen einen starken ÖGB als Dachverband mit kollektivvertragsfähigen eigenverantwortlichen Untergliederungen.
Wir brauchen einen unabhängigen ÖGB: SpitzengewerkschafterInnen dürfen daher keine Mandate in gesetzgebenden Körperschaften ausüben, sie müssen unabhängig von fraktionellen Zwängen agieren können.
Die Mitglieder brauchen breite Mitspracherechte: Urabstimmungen zu allen wesentlichen Fragen, sei es der BAWAG-Verkauf, der ÖGB-Reform oder KV-Abschlüsse, sind notwendig. Minderheitenrechte für die Fraktionen und Kontrollrechte müssen ausgebaut und verankert werden.
Gleichberechtigung der Frauen: Durch eine Quotierung ist dem Stellenwert der Frauen in der Arbeitswelt Rechnung zu tragen. Der Frauenanteil in allen Gewerkschaftsgremien muss zumindest dem Anteil der Frauen an der Mitgliedschaft entsprechen. Damit ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass gerade Frauen von der Zunahme atypischer, prekärer Erwerbsarbeit betroffen sind.
Der ÖGB braucht eine starke Stimme in der Öffentlichkeit: Notwendig ist eine Reform der gewerkschaftlichen Medien, anstelle zahlreicher wenig wirksamer Zeitungen sollte eine gut gemachte Gewerkschaftszeitung, die als Wochenzeitung denkbar wäre, die Anliegen der Gewerkschaften öffentlich machen und die Mitglieder informieren.
Ein konsequenter Neubeginn: Keine bis Frühjahr 2006 dem Präsidium angehörende FunktionärInnen dürfen künftig Spitzenfunktionen übernehmen. Die bis Frühjahr 2006 im BAWAG-Aufsichtsrat bzw. –Vorstand vertretenen Personen sind strafrechtlich für die Veruntreuung des ÖGB-Vermögens zu belangen. Mitgliedsbeiträge dürfen nicht für die BAWAG-Sanierung herangezogen werden, sondern dürfen nur für den laufenden Betrieb verwendet werden.
Resolution der GLB-Bundeskonferenz vom 21. Oktober 2006