Prekarisierung in Kunst und Kultur als „Rolemodell“ für die Zukunft der Arbeit?
- Montag, 16. Oktober 2006 @ 14:31
Von Andrea Mayer-Edoloeyi
Im Kunst- und Kulturbereich gab es kaum einmal ein so genanntes „Normalarbeitsverhältnis“: künstlerische Arbeit und die projektbezogene Struktur dieses Sektors bedingen andere Formen des Arbeitens. Heute ist der Kunst- und Kulturbereich in den Augen vieler ein „Rolemodel“ zeitgenössischer Arbeitsformen – gerade in Hinblick auf persönliche Identifikation mit der eigenen Arbeit und Vermischen von Arbeits- und Privatzeit. Das hat aber nicht zur Folge, dass die bestehenden Modelle sozialer Absicherung adaptiert und neu entwickelt auf diesen Bereich angewandt werden, sondern dass die allzeit bereit, allzeit willigen und flexiblen Kulturschaffenden dafür herhalten, soziale Sicherungsmodelle auch in anderen Bereichen der Gesellschaft auszuhebeln.
Eine Situationsbeschreibung
Im Kulturbereich dominieren Werkverträge und freie Dienstverträge. Eine sozialversicherte Teilzeitanstellung wird seitens der Betroffenen zumeist als großer Schritt in Richtung soziale Sicherheit wahrgenommen. Viele Kulturschaffende kommen mit einem Job nicht aus, viele arbeiten weit unter ihrer Qualifikation.
Überdurchschnittlich viele Frauen sind betroffen, da die wenigen besser dotierten Jobs im Kulturbereich von Männern besetzt sind, die noch lange nicht in Pension gehen, und auch die wenigen neu zu besetzenden Jobs noch immer meistens mit Männern besetzt werden. Vom Kulturbereich kann – wie z.B. auch vom Pflegebereich – als feminisiertem Bereich gesprochen werden: überdurchschnittlich viele Frauen (z.B. sind Frauen die Mehrheit der Kunststudierenden) - aber schlechte Rahmenbedingungen.
Kultur- und Kunstinstitutionen von Stadt, Land, Bund wirken als Katalysatoren der Prekarisierung. Sozialversicherte Jobs wurden abgebaut - es wird, zeitlich befristet, auf billige freie DienstnehmerInnen oder WerkverträglerInnen zurückgegriffen – egal ob es um Ausstellungsaufbau, Technik oder Kunstvermittlung geht. Waren das früher Einstiegsjobs in kulturelle Institutionen, wird den Arbeitenden heute die Perspektive eines Ein- und Aufstiegs faktisch nicht mehr geboten.
Die freie, unabhängige Kunst- und Kulturszene ist kein Ausweg für Kulturschaffende. Sinkende Kulturförderungen für diesen Bereich, die Intransparenz der meisten Fördervergaben und die steigende Bürokratisierung tun ihr übriges. Kulturinitiativen sind Modelle aktiver gesellschaftspolitischer Partizipation und selbstbestimmte Räume sind – problematisch wird es wenn Fördergelder fehlen und so Arbeiten, die eigentlich bezahlterweise erledigt werden müssten, ehrenamtlich gemacht werden müssen. Ehrenamtliche und bezahlte Arbeit vermischen sich.
Vom Kunstmarkt abseits staatlicher Förderung können sowieso nur ein bis zwei Prozent der KünstlerInnen leben. Der Zuschuss zur Pensionsversicherung, der seitens der Schwarz-Blau-Orangen Regierung als KünstlerInnensozialversicherung bezeichnet wurde, bietet eine völlig unzureichende soziale Absicherung, die aktuellen Kriterien schließen viele aus. Skandalös ist, dass nun etwa 600 Personen, die zu wenig (!) verdient haben, diesen Zuschuss auch noch zurückzahlen sollen.
Politisierung und Vernetzung als Gegenstrategien der Kulturschaffenden
Prekäre Beschäftigung wurde in den letzten Jahren zunehmend Thema von künstlerischen Projekten und rückte auch stärker in den Mittelpunkt der Arbeit der Interessensvertretungen von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden. Seitens des Kunststaatssekretariats wurde die Diskussion zumeist verweigert. Ob sich diese Situation nach der NR-Wahl dank einer neuer Regierungskonstellation ändern wird, darf bezweifelt werden, weil die Parlamentsparteien vor allem durch Abwesenheit in der Kulturpolitik glänzen. Ohne den Druck der Betroffenen wird sich jedenfalls gar nichts zum Besseren verändern. Entscheidend dabei werden Allianzen sein, denn längst ist das soziale Sicherungssystem nicht nur für Kulturschaffende brüchig geworden.
Linktip: http://www.kulturrat.at
Andrea Mayer-Edoloeyi (geb. 1971) ist Kulturarbeiterin und Erwachsenenbildnerin, Vorstandsmitglied von FIFTITU% - Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in Oberösterreich und von KUPF – Kulturplattform Oberösterreich, sie lebt in Linz
Im Kunst- und Kulturbereich gab es kaum einmal ein so genanntes „Normalarbeitsverhältnis“: künstlerische Arbeit und die projektbezogene Struktur dieses Sektors bedingen andere Formen des Arbeitens. Heute ist der Kunst- und Kulturbereich in den Augen vieler ein „Rolemodel“ zeitgenössischer Arbeitsformen – gerade in Hinblick auf persönliche Identifikation mit der eigenen Arbeit und Vermischen von Arbeits- und Privatzeit. Das hat aber nicht zur Folge, dass die bestehenden Modelle sozialer Absicherung adaptiert und neu entwickelt auf diesen Bereich angewandt werden, sondern dass die allzeit bereit, allzeit willigen und flexiblen Kulturschaffenden dafür herhalten, soziale Sicherungsmodelle auch in anderen Bereichen der Gesellschaft auszuhebeln.
Eine Situationsbeschreibung
Im Kulturbereich dominieren Werkverträge und freie Dienstverträge. Eine sozialversicherte Teilzeitanstellung wird seitens der Betroffenen zumeist als großer Schritt in Richtung soziale Sicherheit wahrgenommen. Viele Kulturschaffende kommen mit einem Job nicht aus, viele arbeiten weit unter ihrer Qualifikation.
Überdurchschnittlich viele Frauen sind betroffen, da die wenigen besser dotierten Jobs im Kulturbereich von Männern besetzt sind, die noch lange nicht in Pension gehen, und auch die wenigen neu zu besetzenden Jobs noch immer meistens mit Männern besetzt werden. Vom Kulturbereich kann – wie z.B. auch vom Pflegebereich – als feminisiertem Bereich gesprochen werden: überdurchschnittlich viele Frauen (z.B. sind Frauen die Mehrheit der Kunststudierenden) - aber schlechte Rahmenbedingungen.
Kultur- und Kunstinstitutionen von Stadt, Land, Bund wirken als Katalysatoren der Prekarisierung. Sozialversicherte Jobs wurden abgebaut - es wird, zeitlich befristet, auf billige freie DienstnehmerInnen oder WerkverträglerInnen zurückgegriffen – egal ob es um Ausstellungsaufbau, Technik oder Kunstvermittlung geht. Waren das früher Einstiegsjobs in kulturelle Institutionen, wird den Arbeitenden heute die Perspektive eines Ein- und Aufstiegs faktisch nicht mehr geboten.
Die freie, unabhängige Kunst- und Kulturszene ist kein Ausweg für Kulturschaffende. Sinkende Kulturförderungen für diesen Bereich, die Intransparenz der meisten Fördervergaben und die steigende Bürokratisierung tun ihr übriges. Kulturinitiativen sind Modelle aktiver gesellschaftspolitischer Partizipation und selbstbestimmte Räume sind – problematisch wird es wenn Fördergelder fehlen und so Arbeiten, die eigentlich bezahlterweise erledigt werden müssten, ehrenamtlich gemacht werden müssen. Ehrenamtliche und bezahlte Arbeit vermischen sich.
Vom Kunstmarkt abseits staatlicher Förderung können sowieso nur ein bis zwei Prozent der KünstlerInnen leben. Der Zuschuss zur Pensionsversicherung, der seitens der Schwarz-Blau-Orangen Regierung als KünstlerInnensozialversicherung bezeichnet wurde, bietet eine völlig unzureichende soziale Absicherung, die aktuellen Kriterien schließen viele aus. Skandalös ist, dass nun etwa 600 Personen, die zu wenig (!) verdient haben, diesen Zuschuss auch noch zurückzahlen sollen.
Politisierung und Vernetzung als Gegenstrategien der Kulturschaffenden
Prekäre Beschäftigung wurde in den letzten Jahren zunehmend Thema von künstlerischen Projekten und rückte auch stärker in den Mittelpunkt der Arbeit der Interessensvertretungen von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden. Seitens des Kunststaatssekretariats wurde die Diskussion zumeist verweigert. Ob sich diese Situation nach der NR-Wahl dank einer neuer Regierungskonstellation ändern wird, darf bezweifelt werden, weil die Parlamentsparteien vor allem durch Abwesenheit in der Kulturpolitik glänzen. Ohne den Druck der Betroffenen wird sich jedenfalls gar nichts zum Besseren verändern. Entscheidend dabei werden Allianzen sein, denn längst ist das soziale Sicherungssystem nicht nur für Kulturschaffende brüchig geworden.
Linktip: http://www.kulturrat.at
Andrea Mayer-Edoloeyi (geb. 1971) ist Kulturarbeiterin und Erwachsenenbildnerin, Vorstandsmitglied von FIFTITU% - Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in Oberösterreich und von KUPF – Kulturplattform Oberösterreich, sie lebt in Linz