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Dämon F.V.?

  • Dienstag, 27. Juni 2006 @ 14:29
Meinung Von Hubert Schmiedbauer

Was ist Fritz Verzetnitsch? Ein Finanzspekulant? Ein Verräter? Ein Abzocker? Ein privilegierter Politmanager? Ein abgestürzter Machtmensch? Ein Hasardeur mit fremdem Geld? Zielt eine solche Dämonisierung auf die Wurzeln des Problems? Viele Jahre habe ich Verzetnitsch journalistisch begleitet und mich mit seiner Politik auseinandergesetzt – manchmal im persönlichen Gespräch zweier Arbeiter, die „Berufspolitiker“ geworden sind. Was ist – was war Verzetnitsch? Er war als ÖGB-Präsident einer der vier Spitzen-„Sozialpartner“. Sein Gegenüber, WK-Präsident Leitl, wiederholt ständig die Beschwörung, es möge doch kein Schatten auf die „Sozialpartnerschaft“ fallen.

Das Wort steht für das „partnerschaftliche“ Miteinander von gegensätzlichen Interessen. Eine Handvoll politischer Manager geben das Wohl und Wehe im Lande vor - seit einem Dutzend Jahren unverblümt das Wohl der Aktienbesitzer, Finanzspekulanten und Industriemanager und das Wehe des Sozialabbaus, womit nicht mehr die ungefähr gleich bleibende Verteilung der Wertschöpfung, sondern deutlich die Verschiebung von den Einkommen aus unselbständiger Arbeit zu den Profiten betrieben wird.

Wenn Kapitalisten, Manager und Politiker sich selbst Millioneneinkommen unter den Nagel reißen dürfen, billigen sich ihre Partner auf der Arbeitnehmerseite dasselbe zu. Und täglich geschieht im globalen Konzern- und Bankgeschäft das, was nun die BAWAG-Manager dem ÖGB bescherten – geduldet vom gewerkschaftlichen Management. Abzocken oder abgezockt werden ist Tagesgeschäft. Der ständige Umgang auf derselben Ebene färbt – nicht auf alle, aber auf viele – deutlich ab. Sie beginnen wie Manager, wie Aktionäre zu denken und zu handeln. Das System ist längst globalisiert. Aus Deutschland sind uns der Aktienskandal des Metaller-Chefs Steinkühler in Erinnerung oder die Lustreisen etlicher VW-Betriebsräte als Bakschisch des Konzerns, nachdem sie für ihre KollegInnen Lohnverzicht ausgehandelt hatten.

Das ist noch nicht das ganze Problem. Die „Sozialpartnerschaft“ wurde in den Gewerkschaften und in der Arbeitsverfassung über Jahrzehnte hinweg verankert und über Gesetze und Verträge zu einem institutionalisierten Filz gewalkt, mit dem politischen Ziel, Regungen und Aktion der Basis zu kanalisieren. Das System wurde schließlich zur Exportware und die Folgen sind an der Wehrlosigkeit unserer KollegInnen in den Nachbarländern gegen die Profitgier der Industrie- und Finanzkonzerne abzulesen.

Bis in die Betriebe und Büros herrscht dieses System. Kollektivvertrags- und Lohnverhandlungen erleben immer neue Varianten der Durchsetzung von Unternehmer- und Kapitalinteressen. Aktienbündel für die Beschäftigten sollen gleiche Interessen vortäuschen und entsolidarisieren. Die Industrie erachtet die zunehmende Wehrlosigkeit an der Basis als genügend fortgeschritten, um das KV-System zu zerschlagen und durch Betriebsregelungen zu ersetzen. Zur Zeit ist sie auf dem Kurs der Abwälzung allen unternehmerischen Risikos auf die Beschäftigten – Löhne nach „Ertragslage“, und der SP-Zampano Androsch kämpft mit asozialen Wortmeldungen um die Wortführerschaft bei den Industriemanagern.

Manches Unternehmen lässt es sich etwas kosten, um durch gezielte Privilegierung einzelner Leute die Belegschaft zu spalten. Und was wohl war in früheren Zeiten die Entwicklung des Betriebskaisertums oder z.B. der gewerkschaftlichen Spesen- und Sitzungsgelder-Mentalität – „umsonst tut ja keiner was“ oder „was nix kostet ist nix wert“, wie halt die Sprüche lauten. Viele kleine Managerlein?

Verzetnitsch ist von allem Anfang in dieses System hineingewachsen. Zugegeben: Er hatte kaum eine andere Chance, ohne sich als Sozialdemokrat dem Diktat der Klassenversöhnung unterzuordnen oder eben Installateur zu bleiben. Der Weg klassenbewusster Betriebsräte und GewerkschafterInnen war steinig. Er ging den Weg tausender anderer fähiger junger Gewerkschafter und stieg höher als alle anderen. So fiel er auch tiefer. Die anderen werden dafür sorgen, dass dem Wirtschaftsboss Leitl die Partner nicht abhanden kommen.

Eine Alternative gibt es allerdings: Demokratisierung der Gewerkschaften statt Sozialpartnerschaft. Der Widerstand ist bereits erfreulich groß, aber es erfordert noch viel Einsatz, Gehirnschmalz und Überzeugungsarbeit. Dazu verhilft eines: Aktion statt Aktien!