Offener Brief an Präsident Hundstorfer
- Dienstag, 20. Juni 2006 @ 08:30
Von Thomas Schulz
Sehr geehrter Kollege und Präsident Hundstorfer! Werte Vorstandsmitglieder des ÖGB!
Seit dem Beginn des Bawag - Skandals habe ich den dringenden Wunsch, der ÖGB – Spitze einen Brief zu schreiben, um darin Fragen zu stellen, die mir als langjähriges Gewerkschaftsmitglied auf dem Herzen liegen. Da mir aber langsam die Adressaten abhanden kommen, und ich nicht weiß, wie lange du noch unserer Gewerkschaft vorstehen wirst, werde ich den Brief nicht abschicken. Eine meiner wichtigsten Fragen ist: Wie kann es sein, dass Gewerkschafter den Streikfond angreifen, um damit eine Bank zu sanieren?
Seit Jahrzehnten zahlen die Gewerkschaftsmitglieder brav ihre Beiträge ein, um, wenn es nötig wird, einen Streik ausrufen zu können. Zwar lebte (und lebt) der ÖGB seit 1945 in der Scheinwelt der Sozialpartnerschaft und konnte dadurch mit Hilfe der Wirtschaft die meisten Streiks verhindern (siehe Streikstatistik).
Spätestens seit 2000 wäre es nötig gewesen, Streiks zu organisieren und wirklich kämpferisch zu werden. Statt dessen gab es ein paar lahme Versuche nach dem Motto „Von 11 bis halb 12 schauen wir böse drein“. War der bereits verpfändete Streikfonds der wahre Grund dafür? Und : WER wusste davon? Und vor allem: WER profitierte davon?
Ist es dem ÖGB eigentlich klar, dass es sich um das Geld aller Gewerkschaftsmitglieder handelte, das da in den Rachen einiger dubioser (? – aber wohl der ÖGB – Spitze persönlich bekannter) Spekulanten geworfen wurde?
Und noch eine Frage am Rand: Falls die Spekulationen zu gewaltigem Gewinn geführt hätten – wem wäre das Geld zu Gute gekommen? Ich nehme wohl an, dass in diesem Falle mächtige Streiks organisiert worden wären????
Eine weitere Frage ist: Haben die Mitglieder der ÖGB - Spitze den Kontakt zum Arbeiter und zur Arbeiterin verloren?
Bei Veranstaltungen, bei Seminaren, am 1. Mai wird uns immer wieder von der Spitze gesagt, dass wir alle im gleichem Boot sitzen und dass wir nur gemeinsam stark sind. Es stimmt - wir sitzen alle im gleichen Boot, bloß haben wir Deckpassage und ihr steht auf der Kommandobrücke und steuert das Schiff in einem Zick-Zack-Kurs, um nirgendwo anzuecken.
Wenn euch einmal von Maschinisten, sprich BetriebsrätInnenen und FunktionärInnenen von der Basis gesagt wurde: “Achtung, wir haben ein Problem!“, wurde es von euch ignoriert. Unter dem Motto „Was geht uns das noch an?.“ wurden jahrzehntelang warnende Rufe überhört und missachtet. Es ist anscheinend kämpferischer, von der bankeigenen Kommandobrücke auf die Crew zu schauen, als gemeinsam mit ihr zu arbeiten!
Die nächste Frage:
Ich hoffe, Kollege Hundstorfer, du nimmst es nicht persönlich, aber die ist jetzt an dich gerichtet. Kannst du lesen? Jeder weiß, dass es gefährlich ist, eine Unterschrift unter nichtgelesene Schriftstücke zu setzen. Wie kann es sein, dass du dir nicht durchliest, was du unterschreibst?
Für mich gibt es dafür nur zwei Möglichkeiten:
1.: Du kannst nicht lesen. Aber das kann ich mir nicht vorstellen, denn du hast die Schulpflicht schon lange vor Gehrer erfüllt.
2.: Du kannst lesen, aber du liest dir nicht durch, was du unterschreibst. Dein Vertrauen in allen Ehren, aber dann sehe ich noch schwärzer für den ÖGB als es eh schon ist! So gesehen müsstest du auch deinen Platz räumen.
3. Du bist ein Parteisoldat und hinterfragst nichts. Dann hast du leider schon gar nichts in der Gewerkschaft zu suchen.
Die nächste Frage, die ich habe, ist zwar auch nicht die letzte, aber nachdem ich ein sogenannter „Basiswappler“ bin, und mich eigentlich lieber mit meinen KollegInnen über die Zukunft des ÖGB unterhalte, wird sie die letzte an dich sein:
Wurde dieses Finanzdebakel der Gewerkschaft von langer Hand vorbereitet? Wie sonst kann man sich erklären, dass der ÖGB bei der Übernahme der PSK durch die Bawag auch gleich die Schulden in Höhe von1,5 Milliarden Euro übernahm und damit den Gewerkschaftsbund in diese Krise hineinstürzte?
Man wusste nichts von dem Schuldentransfer? Sorry, aber das kann ehrlich keine/r glauben! Hat der ÖGB nicht JuristInnen und andere Fachleute beigezogen?
In Kürze stehen die Nationalratswahlen vor der Tür. Sofort nach dem Bekannt werden des Finanzdebakels im ÖGB wurde dieser mit der SPÖ gleichgesetzt. Was folgte, war die bekannte Panikreaktion des rosaroten Parteivorsitzenden Gusenbauer.
Und schon schnellten die Umfragewerte der schwarz–blau–orangen Regierung in die Höhe, die zuvor hinter der SPÖ lagen. Bundeskanzler Schüssel gelang es, zwei Fliegen mit einer Klatsche zu schlagen:
Nämlich sowohl die SPÖ als auch den ÖGB zu schwächen - außerdem profiliert er sich mit dem Bundesdarlehen an den ÖGB als Retter desselben. Im Falle der SPÖ hält sich mein Mitleid in Grenzen, fatal ist aber deren Gleichsetzung mit dem ÖGB.
In Wahrheit handelt es sich um die katastrophalste Schwächung der Gewerkschaftsbewegung seit der Gründung derselben und dies ist der wahre Skandal.
Darum erlaube mir nur eine letzte Frage: Wie war es möglich, den gewaltigen Streikfonds einerseits nicht wenigstens als politisches Druckmittel einzusetzen, sondern vielmehr abzuwarten, bis es der Reaktion gelang, - mit oder ohne euer Wissen – durch gierige Spekulation diesen Vorteil in einen Nachteil umzudrehen?
Ich hoffe aber, das die GewerkschaftlerInnen aus diesem Debakel der Führungsschicht nicht die erwünschten falschen Schlüsse ziehen – ich werde nicht aus der Gewerkschaft austreten – trotz alledem!
Sehr geehrter Kollege und Präsident Hundstorfer! Werte Vorstandsmitglieder des ÖGB!
Seit dem Beginn des Bawag - Skandals habe ich den dringenden Wunsch, der ÖGB – Spitze einen Brief zu schreiben, um darin Fragen zu stellen, die mir als langjähriges Gewerkschaftsmitglied auf dem Herzen liegen. Da mir aber langsam die Adressaten abhanden kommen, und ich nicht weiß, wie lange du noch unserer Gewerkschaft vorstehen wirst, werde ich den Brief nicht abschicken. Eine meiner wichtigsten Fragen ist: Wie kann es sein, dass Gewerkschafter den Streikfond angreifen, um damit eine Bank zu sanieren?
Seit Jahrzehnten zahlen die Gewerkschaftsmitglieder brav ihre Beiträge ein, um, wenn es nötig wird, einen Streik ausrufen zu können. Zwar lebte (und lebt) der ÖGB seit 1945 in der Scheinwelt der Sozialpartnerschaft und konnte dadurch mit Hilfe der Wirtschaft die meisten Streiks verhindern (siehe Streikstatistik).
Spätestens seit 2000 wäre es nötig gewesen, Streiks zu organisieren und wirklich kämpferisch zu werden. Statt dessen gab es ein paar lahme Versuche nach dem Motto „Von 11 bis halb 12 schauen wir böse drein“. War der bereits verpfändete Streikfonds der wahre Grund dafür? Und : WER wusste davon? Und vor allem: WER profitierte davon?
Ist es dem ÖGB eigentlich klar, dass es sich um das Geld aller Gewerkschaftsmitglieder handelte, das da in den Rachen einiger dubioser (? – aber wohl der ÖGB – Spitze persönlich bekannter) Spekulanten geworfen wurde?
Und noch eine Frage am Rand: Falls die Spekulationen zu gewaltigem Gewinn geführt hätten – wem wäre das Geld zu Gute gekommen? Ich nehme wohl an, dass in diesem Falle mächtige Streiks organisiert worden wären????
Eine weitere Frage ist: Haben die Mitglieder der ÖGB - Spitze den Kontakt zum Arbeiter und zur Arbeiterin verloren?
Bei Veranstaltungen, bei Seminaren, am 1. Mai wird uns immer wieder von der Spitze gesagt, dass wir alle im gleichem Boot sitzen und dass wir nur gemeinsam stark sind. Es stimmt - wir sitzen alle im gleichen Boot, bloß haben wir Deckpassage und ihr steht auf der Kommandobrücke und steuert das Schiff in einem Zick-Zack-Kurs, um nirgendwo anzuecken.
Wenn euch einmal von Maschinisten, sprich BetriebsrätInnenen und FunktionärInnenen von der Basis gesagt wurde: “Achtung, wir haben ein Problem!“, wurde es von euch ignoriert. Unter dem Motto „Was geht uns das noch an?.“ wurden jahrzehntelang warnende Rufe überhört und missachtet. Es ist anscheinend kämpferischer, von der bankeigenen Kommandobrücke auf die Crew zu schauen, als gemeinsam mit ihr zu arbeiten!
Die nächste Frage:
Ich hoffe, Kollege Hundstorfer, du nimmst es nicht persönlich, aber die ist jetzt an dich gerichtet. Kannst du lesen? Jeder weiß, dass es gefährlich ist, eine Unterschrift unter nichtgelesene Schriftstücke zu setzen. Wie kann es sein, dass du dir nicht durchliest, was du unterschreibst?
Für mich gibt es dafür nur zwei Möglichkeiten:
1.: Du kannst nicht lesen. Aber das kann ich mir nicht vorstellen, denn du hast die Schulpflicht schon lange vor Gehrer erfüllt.
2.: Du kannst lesen, aber du liest dir nicht durch, was du unterschreibst. Dein Vertrauen in allen Ehren, aber dann sehe ich noch schwärzer für den ÖGB als es eh schon ist! So gesehen müsstest du auch deinen Platz räumen.
3. Du bist ein Parteisoldat und hinterfragst nichts. Dann hast du leider schon gar nichts in der Gewerkschaft zu suchen.
Die nächste Frage, die ich habe, ist zwar auch nicht die letzte, aber nachdem ich ein sogenannter „Basiswappler“ bin, und mich eigentlich lieber mit meinen KollegInnen über die Zukunft des ÖGB unterhalte, wird sie die letzte an dich sein:
Wurde dieses Finanzdebakel der Gewerkschaft von langer Hand vorbereitet? Wie sonst kann man sich erklären, dass der ÖGB bei der Übernahme der PSK durch die Bawag auch gleich die Schulden in Höhe von1,5 Milliarden Euro übernahm und damit den Gewerkschaftsbund in diese Krise hineinstürzte?
Man wusste nichts von dem Schuldentransfer? Sorry, aber das kann ehrlich keine/r glauben! Hat der ÖGB nicht JuristInnen und andere Fachleute beigezogen?
In Kürze stehen die Nationalratswahlen vor der Tür. Sofort nach dem Bekannt werden des Finanzdebakels im ÖGB wurde dieser mit der SPÖ gleichgesetzt. Was folgte, war die bekannte Panikreaktion des rosaroten Parteivorsitzenden Gusenbauer.
Und schon schnellten die Umfragewerte der schwarz–blau–orangen Regierung in die Höhe, die zuvor hinter der SPÖ lagen. Bundeskanzler Schüssel gelang es, zwei Fliegen mit einer Klatsche zu schlagen:
Nämlich sowohl die SPÖ als auch den ÖGB zu schwächen - außerdem profiliert er sich mit dem Bundesdarlehen an den ÖGB als Retter desselben. Im Falle der SPÖ hält sich mein Mitleid in Grenzen, fatal ist aber deren Gleichsetzung mit dem ÖGB.
In Wahrheit handelt es sich um die katastrophalste Schwächung der Gewerkschaftsbewegung seit der Gründung derselben und dies ist der wahre Skandal.
Darum erlaube mir nur eine letzte Frage: Wie war es möglich, den gewaltigen Streikfonds einerseits nicht wenigstens als politisches Druckmittel einzusetzen, sondern vielmehr abzuwarten, bis es der Reaktion gelang, - mit oder ohne euer Wissen – durch gierige Spekulation diesen Vorteil in einen Nachteil umzudrehen?
Ich hoffe aber, das die GewerkschaftlerInnen aus diesem Debakel der Führungsschicht nicht die erwünschten falschen Schlüsse ziehen – ich werde nicht aus der Gewerkschaft austreten – trotz alledem!