Anita Kainz im Kurier-Report
- Sonntag, 30. April 2006 @ 18:06
„SOLIDARISCH BLEIBEN"
von Christian Böhmer und Simon Kravagna
Für einfache Gewerkschaftsmitglieder ist die ÖGB-Krise eine „Sauerei“. Doch die langjährigen Beitragszahler wollen der Bewegung die Treue halten - ein Austritt würde die Arbeitervertretung nur weiter schwächen Was denken die einfachen Mitglieder, die Beitragszahler des ÖGB, wenn sie zusehen müssen, wie ihr Gewerkschaftsbund am Rande des Bankrotts manövriert? Hunderte haben bereits den Austritt angekündigt, der KURIER sprach mit jenen, die zum ÖGB stehen. Sie sei überrascht, erzählt Anita Kainz, außerdem „sehr, verärgert über die Funktionäre in den höheren Ebenen." Eines will die pensionierte Buchhalterin, die in der GPA aktiv ist, vorneweg klargestellt wissen: „So schlimm die Situation auch ist: Ein Austritt ist nicht die Lösung. Der schwächt die Gewerkschaft. Man muss solidarisch bleiben." Seit 42 Jahren ist Kainz Mitglied im ÖGB, sie hat für ein Schweizer Unternehmen gearbeitet, war Betriebsrätin.
MACHT. Die Krise ist für sie hausgemacht: „Wir waren jahrelang mit uns selbst beschäftigt, interne Machtkämpfe waren vielen wichtiger als die zentrale Aufgabe, nämlich die Betreuung der Mitglieder und ihrer Interessen." Ergebnis: „Die Teilgewerkschaften haben untereinander die Solidarität verlernt."
Was würde sie als Funktionärin ändern? „Der ÖGB muss aufhören, ein Männerverein zu sein. Mehr Frauen in führende Positionen."
Außerdem sollten so wichtige Entscheidungen wie der Bawag-Verkauf mit einer Urabstimmung entschieden werden - „sonst hat der ÖGB bald keine Zukunft mehr."
Dass der ÖGB auch im Jahr 2006 noch Sinn macht, steht für Walter Skopek außer Zweifel. Das ist nicht verwunderlich, kennt man seine Lebensgeschichte. Der Waldviertler ist seit 1951 Mitglied, er spürte als 18-Jähriger, was es heißt, ohne Beschäftigung zu sein. „Das war fürchterlich, die Arbeitslosigkeit brachte mich nach Wien."
Skopek wurde Eisenbahner. „Ich war im Verschub, habe viele Unfälle gesehen. Kollegen wurden Arme abgefahren, Beine abgetrennt."
Gerade hier sei es die Gewerkschaft gewesen, die sich für Schutzkleidung stark gemacht und Umschulungen für die invaliden Kollegen organisiert habe. „Der Hilfsgedanke war im Vordergrund."
Der Bawag-Skandal und das angeknackste Image des ÖGB haben ihn getroffen. „Aber ich bemühe mich, die Dinge zu trennen: Für die Entscheidungen in der Bank war das Management zuständig, dort sind Fehler passiert."
Noch härter als die verdienten Funktionäre trifft die ÖGB-Krise die jungen Mitglieder. „Gerade als ehrenamtlicher Mitarbeiter ist das sehr enttäuschend. Da fragt man sich schon, warum man seine Energie reinsteckt", meint Clemens Miniberger. Der 28-Jährige ist GPA-Mitglied. Als Aktivist der Gruppe „work@flex" kümmert er sich um die Rechte jener, die bisher von der Gewerkschaft links liegen gelassen wurden: die so genannten atypisch Beschäftigten. Der Student: „Ich habe schon öfters erlebt, dass Freunde von mir mit dem Studium fertig wurden und über Jahre mit Werkverträgen abgespeist wurden." Die Folgen: Von Urlaubsansprüchen, Sonderzahlungen und Arbeitslosenversicherung könnten viele nur träumen.
Miniberger hält daher trotz Bawag-Pleite und Vertrauensverlust die Gewerkschaft für „unverzichtbar."
ZUKUNFT. Die Erwachsenenbildnerin Irmgard Stieglmayer sieht das genauso. Seit mehreren Jahren arbeitet die freie Dienstnehmerin ohne ausreichende soziale Absicherung. „Wenn man älter wird, dann macht einem das Sorgen." Auch sie hat sich „irrsinnig" über die Bawag-Geschichte geärgert: „Das ist eine Riesen-Sauerei". Doch auch sie will der Gewerkschaft weiterhin die Stange halten. Stieglmayer: „Für mich sind Gewerkschaften notwendiger denn je." Wie die ÖGB der Zukunft aussehen wird? „Es wird immer wichtiger werden, was die Gewerkschaft konkret ihren Mitgliedern an Leistungen anbietet. Das wird entscheidend sein.“
Aus: Kurier, 30. April 2006
von Christian Böhmer und Simon Kravagna
Für einfache Gewerkschaftsmitglieder ist die ÖGB-Krise eine „Sauerei“. Doch die langjährigen Beitragszahler wollen der Bewegung die Treue halten - ein Austritt würde die Arbeitervertretung nur weiter schwächen Was denken die einfachen Mitglieder, die Beitragszahler des ÖGB, wenn sie zusehen müssen, wie ihr Gewerkschaftsbund am Rande des Bankrotts manövriert? Hunderte haben bereits den Austritt angekündigt, der KURIER sprach mit jenen, die zum ÖGB stehen. Sie sei überrascht, erzählt Anita Kainz, außerdem „sehr, verärgert über die Funktionäre in den höheren Ebenen." Eines will die pensionierte Buchhalterin, die in der GPA aktiv ist, vorneweg klargestellt wissen: „So schlimm die Situation auch ist: Ein Austritt ist nicht die Lösung. Der schwächt die Gewerkschaft. Man muss solidarisch bleiben." Seit 42 Jahren ist Kainz Mitglied im ÖGB, sie hat für ein Schweizer Unternehmen gearbeitet, war Betriebsrätin.
MACHT. Die Krise ist für sie hausgemacht: „Wir waren jahrelang mit uns selbst beschäftigt, interne Machtkämpfe waren vielen wichtiger als die zentrale Aufgabe, nämlich die Betreuung der Mitglieder und ihrer Interessen." Ergebnis: „Die Teilgewerkschaften haben untereinander die Solidarität verlernt."
Was würde sie als Funktionärin ändern? „Der ÖGB muss aufhören, ein Männerverein zu sein. Mehr Frauen in führende Positionen."
Außerdem sollten so wichtige Entscheidungen wie der Bawag-Verkauf mit einer Urabstimmung entschieden werden - „sonst hat der ÖGB bald keine Zukunft mehr."
Dass der ÖGB auch im Jahr 2006 noch Sinn macht, steht für Walter Skopek außer Zweifel. Das ist nicht verwunderlich, kennt man seine Lebensgeschichte. Der Waldviertler ist seit 1951 Mitglied, er spürte als 18-Jähriger, was es heißt, ohne Beschäftigung zu sein. „Das war fürchterlich, die Arbeitslosigkeit brachte mich nach Wien."
Skopek wurde Eisenbahner. „Ich war im Verschub, habe viele Unfälle gesehen. Kollegen wurden Arme abgefahren, Beine abgetrennt."
Gerade hier sei es die Gewerkschaft gewesen, die sich für Schutzkleidung stark gemacht und Umschulungen für die invaliden Kollegen organisiert habe. „Der Hilfsgedanke war im Vordergrund."
Der Bawag-Skandal und das angeknackste Image des ÖGB haben ihn getroffen. „Aber ich bemühe mich, die Dinge zu trennen: Für die Entscheidungen in der Bank war das Management zuständig, dort sind Fehler passiert."
Noch härter als die verdienten Funktionäre trifft die ÖGB-Krise die jungen Mitglieder. „Gerade als ehrenamtlicher Mitarbeiter ist das sehr enttäuschend. Da fragt man sich schon, warum man seine Energie reinsteckt", meint Clemens Miniberger. Der 28-Jährige ist GPA-Mitglied. Als Aktivist der Gruppe „work@flex" kümmert er sich um die Rechte jener, die bisher von der Gewerkschaft links liegen gelassen wurden: die so genannten atypisch Beschäftigten. Der Student: „Ich habe schon öfters erlebt, dass Freunde von mir mit dem Studium fertig wurden und über Jahre mit Werkverträgen abgespeist wurden." Die Folgen: Von Urlaubsansprüchen, Sonderzahlungen und Arbeitslosenversicherung könnten viele nur träumen.
Miniberger hält daher trotz Bawag-Pleite und Vertrauensverlust die Gewerkschaft für „unverzichtbar."
ZUKUNFT. Die Erwachsenenbildnerin Irmgard Stieglmayer sieht das genauso. Seit mehreren Jahren arbeitet die freie Dienstnehmerin ohne ausreichende soziale Absicherung. „Wenn man älter wird, dann macht einem das Sorgen." Auch sie hat sich „irrsinnig" über die Bawag-Geschichte geärgert: „Das ist eine Riesen-Sauerei". Doch auch sie will der Gewerkschaft weiterhin die Stange halten. Stieglmayer: „Für mich sind Gewerkschaften notwendiger denn je." Wie die ÖGB der Zukunft aussehen wird? „Es wird immer wichtiger werden, was die Gewerkschaft konkret ihren Mitgliedern an Leistungen anbietet. Das wird entscheidend sein.“
Aus: Kurier, 30. April 2006