Aufrüstung und Neoliberalismus – die zwei Pfeiler der EU
- Montag, 10. April 2006 @ 15:14
Von Gerald Oberansmayr
Im Frühjahr 2005 fand eine bemerkenswerte Sitzung des EU-Finanzministerrates statt. Dort wurde nämlich vereinbart, dass in Hinkunft Staatsausgaben, die der Herstellung der „Einheit Europas“ dienen, nicht mehr unter die strengen Defizitkriterien des Stabilitätspaktes fallen. Frankreich reklamierte seine strategischen Rüstungsprojekte (Atomwaffen, Flugzeugträger) gleich als Beitrag zur Herstellung der „Einheit Europas“. Was für Paris recht ist, wird für die anderen EU-Staaten billig sein. Im Klartext heißt das: die strengen „Maastrichtkriterien“ werden als politisches Geschütz gegen Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsausgaben aufgefahren, die militärischen Großgeschütze werden davon geschont.
Die europäische Rüstungsindustrie läuft überall auf Hochtouren. Das EU-Forschungsinstitut ISS hat erhoben, dass die Militärausgaben in den EU-Staaten von 2001 bis 2003 von 169 auf 221 Mrd. US-$ angestiegen sind. Tendenz stark steigend. Denn bis 2010 will die EU das so genannte „Headlinegoal 2010“ erreichen, d. h. die Fähigkeit zur globalen militärischen Interventionsfähigkeit. Dafür wird derzeit heftig gewerkt: knapp tausend neue Kampfbomber, 600 neue Kampfhubschrauber, 180 Militärtransporter, 58 Fregatten, vier neue Flugzeugträger, 10.000 neue Panzer, tausende Raketen und Marschflugkörper sowie die Militarisierung des Weltraums.
Damit lässt sich prächtig verdienen. Der militärische Auftragsbestand beim deutsch-französischen Rüstungsriesen EADS hat sich von 2002 bis 2005 von 22 auf 80,5 Mrd. Euro fast vervierfacht. Aufrüstung und Sozialabbau, Militarisierung und Neoliberalismus sind die Grundpfeiler der EU-Entwicklung, die sich gegenseitig stützen.
In einem von den EU-Staatschefs in Auftrag gegebenen Strategiepapier („European Defence Paper“, 2004) werden „Expeditionskriegszüge“ zum „Schutz der Handelswege und des freien Flusses von Rohstoffen“ als Missionsziele der EU-Streitkräfte genannt. Parallel zum militärischen „Headlinegoal 2010“ läuft die Umsetzung des „Lissabon-Strategie 2010“, das die neoliberale Zurichtung des Kontinents vorantreiben soll: Liberalisierung in den Bereichen von Infrastruktur und Daseinsvorsorge, Deregulierung der Arbeitsmärkte, usw.
Die österreichischen Machteliten sehen die EU-Militarisierung als Chance, die ungeliebte Neutralität loszuwerden und wieder bei einer militärischen Großmacht mitzumarschieren. Das lassen sie sich auch etwas kosten. Bereits bis 2007 sollen die österreichischen Militärausgaben um über 30 Prozent gegenüber 2004 ansteigen. Mittelfristig will die Regierung – so die Information auf der Web-Page des „Verteidigungs“ministeriums - den EU-Durchschnitt erreichen.
Für Österreich, das bislang vergleichsweise niedrige Rüstungsausgaben hatte, würde das eine glatte Verdoppelung der Militärausgaben bedeuten. Was das im Sozialbereich heißt, kann man sich ausmalen. Allein der Ankauf der Eurofighter produziert Gesamtkosten, die den Studiengebühren der nächsten 50 Jahre entsprechen. Eine Flugstunde eines Eurofighters verschlingt die durchschnittliche Jahrespension einer Frau. Der schwarz-blaue Pensionsraubzug fand daher den ungeteilten Applaus der EU-Kommission.
Um Neutralität und den Sozialstaat ernsthaft zu verteidigen - und damit international einen Beitrag gegen das Europa der Konzerne und Militärs zu setzen, müssen wir uns für den sofortigen Ausstieg Österreichs aus den militärpolitischen Apparaten der EU (Rüstungsagentur, PSK, Militärausschuss- und Militärstab, EU-Interventionstruppen) engagieren und die Umsetzung der neoliberaler EU-Richtlinien (Post-, Bahn-, Dienstleistungen, etc.) bekämpfen. Wer meint, dass das innerhalb der EU nicht geht, hat wohl recht.
Gerald Oberansmayr ist Erwachsenenpädagoge und Aktivist der Werkstatt Frieden & Solidarität in Linz
Aus: „Die Arbeit“, 2/2006
Im Frühjahr 2005 fand eine bemerkenswerte Sitzung des EU-Finanzministerrates statt. Dort wurde nämlich vereinbart, dass in Hinkunft Staatsausgaben, die der Herstellung der „Einheit Europas“ dienen, nicht mehr unter die strengen Defizitkriterien des Stabilitätspaktes fallen. Frankreich reklamierte seine strategischen Rüstungsprojekte (Atomwaffen, Flugzeugträger) gleich als Beitrag zur Herstellung der „Einheit Europas“. Was für Paris recht ist, wird für die anderen EU-Staaten billig sein. Im Klartext heißt das: die strengen „Maastrichtkriterien“ werden als politisches Geschütz gegen Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsausgaben aufgefahren, die militärischen Großgeschütze werden davon geschont.
Die europäische Rüstungsindustrie läuft überall auf Hochtouren. Das EU-Forschungsinstitut ISS hat erhoben, dass die Militärausgaben in den EU-Staaten von 2001 bis 2003 von 169 auf 221 Mrd. US-$ angestiegen sind. Tendenz stark steigend. Denn bis 2010 will die EU das so genannte „Headlinegoal 2010“ erreichen, d. h. die Fähigkeit zur globalen militärischen Interventionsfähigkeit. Dafür wird derzeit heftig gewerkt: knapp tausend neue Kampfbomber, 600 neue Kampfhubschrauber, 180 Militärtransporter, 58 Fregatten, vier neue Flugzeugträger, 10.000 neue Panzer, tausende Raketen und Marschflugkörper sowie die Militarisierung des Weltraums.
Damit lässt sich prächtig verdienen. Der militärische Auftragsbestand beim deutsch-französischen Rüstungsriesen EADS hat sich von 2002 bis 2005 von 22 auf 80,5 Mrd. Euro fast vervierfacht. Aufrüstung und Sozialabbau, Militarisierung und Neoliberalismus sind die Grundpfeiler der EU-Entwicklung, die sich gegenseitig stützen.
In einem von den EU-Staatschefs in Auftrag gegebenen Strategiepapier („European Defence Paper“, 2004) werden „Expeditionskriegszüge“ zum „Schutz der Handelswege und des freien Flusses von Rohstoffen“ als Missionsziele der EU-Streitkräfte genannt. Parallel zum militärischen „Headlinegoal 2010“ läuft die Umsetzung des „Lissabon-Strategie 2010“, das die neoliberale Zurichtung des Kontinents vorantreiben soll: Liberalisierung in den Bereichen von Infrastruktur und Daseinsvorsorge, Deregulierung der Arbeitsmärkte, usw.
Die österreichischen Machteliten sehen die EU-Militarisierung als Chance, die ungeliebte Neutralität loszuwerden und wieder bei einer militärischen Großmacht mitzumarschieren. Das lassen sie sich auch etwas kosten. Bereits bis 2007 sollen die österreichischen Militärausgaben um über 30 Prozent gegenüber 2004 ansteigen. Mittelfristig will die Regierung – so die Information auf der Web-Page des „Verteidigungs“ministeriums - den EU-Durchschnitt erreichen.
Für Österreich, das bislang vergleichsweise niedrige Rüstungsausgaben hatte, würde das eine glatte Verdoppelung der Militärausgaben bedeuten. Was das im Sozialbereich heißt, kann man sich ausmalen. Allein der Ankauf der Eurofighter produziert Gesamtkosten, die den Studiengebühren der nächsten 50 Jahre entsprechen. Eine Flugstunde eines Eurofighters verschlingt die durchschnittliche Jahrespension einer Frau. Der schwarz-blaue Pensionsraubzug fand daher den ungeteilten Applaus der EU-Kommission.
Um Neutralität und den Sozialstaat ernsthaft zu verteidigen - und damit international einen Beitrag gegen das Europa der Konzerne und Militärs zu setzen, müssen wir uns für den sofortigen Ausstieg Österreichs aus den militärpolitischen Apparaten der EU (Rüstungsagentur, PSK, Militärausschuss- und Militärstab, EU-Interventionstruppen) engagieren und die Umsetzung der neoliberaler EU-Richtlinien (Post-, Bahn-, Dienstleistungen, etc.) bekämpfen. Wer meint, dass das innerhalb der EU nicht geht, hat wohl recht.
Gerald Oberansmayr ist Erwachsenenpädagoge und Aktivist der Werkstatt Frieden & Solidarität in Linz
Aus: „Die Arbeit“, 2/2006