Die Zukunft des Weltgewerkschaftsbundes
- Dienstag, 11. April 2006 @ 13:16
Über die aktuelle Situation und die Zukunft des Weltgewerkschaftsbundes (WGB) führte „Die Arbeit“ ein Interview mit George Mavrikos, dem neuen WGB-Generalsekretär. Arbeit: Wie sehen Sie die Zukunft des WGB nach seinem 15. Kongress?
Mavrikos: Es sind nun 60 Jahre seit der Gründung des WGB 1945 in Paris vergangen. In dieser Zeit stand der WGB immer fest an der Seite der ArbeiterInnenklasse der Welt. Er stand strikt gegen kapitalistische Ausbeutung und imperialistische Kriege.
Nach 1991 war die Situation für den WGB nicht einfach – es ging um die Existenz des einzigen weltweiten Gewerkschaftsverbandes, der sich nicht der „Sozialpartnerschaft“ sondern ausschließlich den arbeitenden Menschen verpflichtet fühlt. Das ist gelungen – nun geht es darum, den WGB zu stärken und klassenorientierte Gewerkschaften zur aktiven Mitarbeit zu gewinnen.
Am 15. Kongress, der im Dezember 2005 in Havanna, Kuba, stattfand, nahmen 237 Gewerkschaften aus 78 Ländern teil. Auf demselben Kongress traten 29 neue Gewerkschaften dem WGB bei und. Der Kongress zeigte, dass der WGB mit seinem neuen Selbstverständnis und seiner neuen Führung neue Wege für die Gewerkschaftsbewegung eröffnen kann. Wir sind überzeugt, dass die Zukunft den unabhängigen, klassenbewussten, mobilisierten Gewerkschaften gehört, die nicht vom Kapital abhängig sind.
Arbeit: Wie ist die Situation der europäischen ArbeiterInnenklasse heute?
Mavrikos: Die Welt verändert sich ständig. Die Frage dabei ist, ob sie sich weiter- oder zurückentwickelt. Wir leben heute in einer Ära der naturwissenschaftlichen und technologischen Revolutionen. In Europa wirken sich diese Veränderungen negativ auf die ArbeiterInnen und Schichten des einfachen Volkes aus. Die soziale Sicherheit, Gesundheit, Lebensqualität, Gehälter und Pensionen – all das entwickelt sich zurück, alles soll privatisiert werden.
In den zentral- und osteuropäischen Ländern ist es sogar noch schlimmer. Die Leute dort arbeiten oft ohne Lohn, ohne fixe Bezahlung, ohne fixe Arbeitszeiten. Sie haben die sozialen Rechte, die sie einmal besaßen, verloren. In Russland zum Beispiel nimmt die Lebenserwartung kontinuierlich ab. Die Regierungen stellen diese Fakten aber als Fortschritt dar. Sie lügen und spielen falsche Tatsachen vor. Tatsache ist, dass alle europäischen Länder die gleichen Probleme teilen, da die Regierungen auf der Seite des Kapitals stehen. Das ist der Grund, warum Neoliberale, viele Sozialdemokraten und gewisse „Linke“ in der EU die gleichen Strategien verfolgen, nämlich die kapitalistische Restrukturierung, die in Lissabon beschlossen wurde, zu unterstützen.
In den letzten 15 Jahren gab es bedeutende Veränderungen in der ArbeiterInnenklasse. Wir haben neue Schichten – völlig neue Bedürfnisse haben sich entwickelt. Die heutigen ArbeiterInnen haben ein höheres Bildungsniveau und mehr Bedürfnisse. Die Produktionszweige verändern sich – manche verschwinden und neue tauchen auf. Viel verändert sich, doch etwas sehr Wichtiges bleibt unverändert: Ausbeutung gibt es überall und sie nährt das Kapital.
Die klassenbewusste Gewerkschaftsbewegung widersteht diesem Trend und bekämpft ihn. In ganz Europa regt sich der Widerstand und von Tag zu Tag wird seine Organisation besser. Die Streiks in Frankreich, Griechenland, Italien, Dänemark, Portugal und anderen Ländern bestätigen dies.
Es ist überaus wichtig für den WGB, dass junge Menschen in diesem Kampf eine wichtige Rolle übernehmen, ebenso ImmigrantInnen. Es sind jene Gruppen von ArbeiterInnen, die uns in den kommenden Kämpfen Auftrieb verleihen können, denn sie vertrauen den klassenbewussten Gewerkschaften und nicht den Bürokraten – gut bezahlten Gewerkschaftern vieler offizieller Gewerkschaften.
Arbeit: Internationaler Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) und der Weltverband christlicher Arbeitnehmer (WVA) schließen sich zusammen. Was sagen Sie dazu?
Mavrikos: Der WGB wurde 1945 als weltweiter einheitlicher Gewerkschaftsbund gegründet. Bereits 1949 zwangen die amerikanische und die britische Regierung einige Gewerkschaften dazu, den WGB zu verlassen und den IBFG zu gründen. Das ist die Wahrheit. Es ist auch bekannt, dass der CIA diese Gewerkschaften über viele Jahrzehnte hinweg finanziell unterstützte.
Wir wissen, dass große Teile des IBFG von seiner Gründung an bis zum heutigen Tag die US-Politik unterstützt. Die Tatsachen belegen es ganz eindeutig. Angefangen beim Koreakrieg, über den Vietnamkrieg, die Militärintervention in Kuba, die Coups in Chile und Griechenland, den Krieg in Jugoslawien bis hin zu den Kriegen in Afghanistan und im Irak, haben sie sämtliche US-Strategien unterstützt oder dazu geschwiegen.
Wir sind der Auffassung, dass der IBFG, egal wie viele Millionen Dollar er ausgibt, keine Zukunft haben wird. Natürlich hat der IBFG seit 1990 an Mitgliedern gewonnen, wir verstehen alle warum und wie dies geschehen ist. Nun wird er den WVA auch schlucken. Der IBFG glaubt an die Sozialpartnerschaft, an Freundschaft zwischen ArbeiterInnen und Industriellen.
Wir glauben nicht, dass diese Strategien Zukunft haben, denn sie sind bereits sehr alt und haben ihre Fehler aufgezeigt. Gewerkschaften, die „Brüder“ des Kapitals waren, hatten eine kurze Lebensdauer. Ich bin der tiefsten Überzeugung, dass Geld kein Leben erwecken kann. Geld kann keine Ideen besiegen. Ideen, Prinzipien und Werte mögen Schwierigkeiten und Verzögerungen begegnen, werden aber am Ende neue Wege für die Gegenwart und die Zukunft der ArbeiterInnenklasse eröffnen.
Arbeit: Wie kann der WGB die alternative Kraft der klassenbewussten Gewerkschaften werden? Was sind seine Ziele?
Mavrikos: Mit seinem 15. Kongress schlägt der WGB eine neue Seite auf und verfolgt einen neuen, modernen, kämpferischen Kurs. Wir blicken auf eine 60-jährige Geschichte zurück, wir blicken zurück auf Schwächen und Stärken unseres Kurses und versuchen, auf die derzeitigen und künftigen Bedürfnisse einzugehen.
- Unter anderem mit einer regelmäßigen Analyse der aktuellen Lage und unserer Aktionen für die Bedürfnisse und Rechte der ArbeiterInnenklasse, gegen Monopole und Imperialisten, für Frieden und Fortschritt.
- Solidarität mit denen, die den Drohungen und Angriffen der USA und ihrer Alliierten ausgeliefert sind.
- Recht auf Bildung und Ausbildung, auf kostenlose Gesundheitseinrichtungen.
- Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen.
- Koordination aller klassenorientierten Gewerkschaften, um die Angriffe des Kapitals auf soziale Sicherheit, stabile Vollbeschäftigung, Privatisierungen, Umweltverschmutzung und Lebensqualität gemeinsam abzuwehren.
- Wir kämpfen für eine Welt ohne Ausbeutung, Krieg, Armut und Kinderprostitution.
Wir laden alle ein, mit dem WGB Kontakt aufzunehmen: http://www.wftucentral.org
Interview: Oliver Jonischkeit
Mavrikos: Es sind nun 60 Jahre seit der Gründung des WGB 1945 in Paris vergangen. In dieser Zeit stand der WGB immer fest an der Seite der ArbeiterInnenklasse der Welt. Er stand strikt gegen kapitalistische Ausbeutung und imperialistische Kriege.
Nach 1991 war die Situation für den WGB nicht einfach – es ging um die Existenz des einzigen weltweiten Gewerkschaftsverbandes, der sich nicht der „Sozialpartnerschaft“ sondern ausschließlich den arbeitenden Menschen verpflichtet fühlt. Das ist gelungen – nun geht es darum, den WGB zu stärken und klassenorientierte Gewerkschaften zur aktiven Mitarbeit zu gewinnen.
Am 15. Kongress, der im Dezember 2005 in Havanna, Kuba, stattfand, nahmen 237 Gewerkschaften aus 78 Ländern teil. Auf demselben Kongress traten 29 neue Gewerkschaften dem WGB bei und. Der Kongress zeigte, dass der WGB mit seinem neuen Selbstverständnis und seiner neuen Führung neue Wege für die Gewerkschaftsbewegung eröffnen kann. Wir sind überzeugt, dass die Zukunft den unabhängigen, klassenbewussten, mobilisierten Gewerkschaften gehört, die nicht vom Kapital abhängig sind.
Arbeit: Wie ist die Situation der europäischen ArbeiterInnenklasse heute?
Mavrikos: Die Welt verändert sich ständig. Die Frage dabei ist, ob sie sich weiter- oder zurückentwickelt. Wir leben heute in einer Ära der naturwissenschaftlichen und technologischen Revolutionen. In Europa wirken sich diese Veränderungen negativ auf die ArbeiterInnen und Schichten des einfachen Volkes aus. Die soziale Sicherheit, Gesundheit, Lebensqualität, Gehälter und Pensionen – all das entwickelt sich zurück, alles soll privatisiert werden.
In den zentral- und osteuropäischen Ländern ist es sogar noch schlimmer. Die Leute dort arbeiten oft ohne Lohn, ohne fixe Bezahlung, ohne fixe Arbeitszeiten. Sie haben die sozialen Rechte, die sie einmal besaßen, verloren. In Russland zum Beispiel nimmt die Lebenserwartung kontinuierlich ab. Die Regierungen stellen diese Fakten aber als Fortschritt dar. Sie lügen und spielen falsche Tatsachen vor. Tatsache ist, dass alle europäischen Länder die gleichen Probleme teilen, da die Regierungen auf der Seite des Kapitals stehen. Das ist der Grund, warum Neoliberale, viele Sozialdemokraten und gewisse „Linke“ in der EU die gleichen Strategien verfolgen, nämlich die kapitalistische Restrukturierung, die in Lissabon beschlossen wurde, zu unterstützen.
In den letzten 15 Jahren gab es bedeutende Veränderungen in der ArbeiterInnenklasse. Wir haben neue Schichten – völlig neue Bedürfnisse haben sich entwickelt. Die heutigen ArbeiterInnen haben ein höheres Bildungsniveau und mehr Bedürfnisse. Die Produktionszweige verändern sich – manche verschwinden und neue tauchen auf. Viel verändert sich, doch etwas sehr Wichtiges bleibt unverändert: Ausbeutung gibt es überall und sie nährt das Kapital.
Die klassenbewusste Gewerkschaftsbewegung widersteht diesem Trend und bekämpft ihn. In ganz Europa regt sich der Widerstand und von Tag zu Tag wird seine Organisation besser. Die Streiks in Frankreich, Griechenland, Italien, Dänemark, Portugal und anderen Ländern bestätigen dies.
Es ist überaus wichtig für den WGB, dass junge Menschen in diesem Kampf eine wichtige Rolle übernehmen, ebenso ImmigrantInnen. Es sind jene Gruppen von ArbeiterInnen, die uns in den kommenden Kämpfen Auftrieb verleihen können, denn sie vertrauen den klassenbewussten Gewerkschaften und nicht den Bürokraten – gut bezahlten Gewerkschaftern vieler offizieller Gewerkschaften.
Arbeit: Internationaler Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) und der Weltverband christlicher Arbeitnehmer (WVA) schließen sich zusammen. Was sagen Sie dazu?
Mavrikos: Der WGB wurde 1945 als weltweiter einheitlicher Gewerkschaftsbund gegründet. Bereits 1949 zwangen die amerikanische und die britische Regierung einige Gewerkschaften dazu, den WGB zu verlassen und den IBFG zu gründen. Das ist die Wahrheit. Es ist auch bekannt, dass der CIA diese Gewerkschaften über viele Jahrzehnte hinweg finanziell unterstützte.
Wir wissen, dass große Teile des IBFG von seiner Gründung an bis zum heutigen Tag die US-Politik unterstützt. Die Tatsachen belegen es ganz eindeutig. Angefangen beim Koreakrieg, über den Vietnamkrieg, die Militärintervention in Kuba, die Coups in Chile und Griechenland, den Krieg in Jugoslawien bis hin zu den Kriegen in Afghanistan und im Irak, haben sie sämtliche US-Strategien unterstützt oder dazu geschwiegen.
Wir sind der Auffassung, dass der IBFG, egal wie viele Millionen Dollar er ausgibt, keine Zukunft haben wird. Natürlich hat der IBFG seit 1990 an Mitgliedern gewonnen, wir verstehen alle warum und wie dies geschehen ist. Nun wird er den WVA auch schlucken. Der IBFG glaubt an die Sozialpartnerschaft, an Freundschaft zwischen ArbeiterInnen und Industriellen.
Wir glauben nicht, dass diese Strategien Zukunft haben, denn sie sind bereits sehr alt und haben ihre Fehler aufgezeigt. Gewerkschaften, die „Brüder“ des Kapitals waren, hatten eine kurze Lebensdauer. Ich bin der tiefsten Überzeugung, dass Geld kein Leben erwecken kann. Geld kann keine Ideen besiegen. Ideen, Prinzipien und Werte mögen Schwierigkeiten und Verzögerungen begegnen, werden aber am Ende neue Wege für die Gegenwart und die Zukunft der ArbeiterInnenklasse eröffnen.
Arbeit: Wie kann der WGB die alternative Kraft der klassenbewussten Gewerkschaften werden? Was sind seine Ziele?
Mavrikos: Mit seinem 15. Kongress schlägt der WGB eine neue Seite auf und verfolgt einen neuen, modernen, kämpferischen Kurs. Wir blicken auf eine 60-jährige Geschichte zurück, wir blicken zurück auf Schwächen und Stärken unseres Kurses und versuchen, auf die derzeitigen und künftigen Bedürfnisse einzugehen.
- Unter anderem mit einer regelmäßigen Analyse der aktuellen Lage und unserer Aktionen für die Bedürfnisse und Rechte der ArbeiterInnenklasse, gegen Monopole und Imperialisten, für Frieden und Fortschritt.
- Solidarität mit denen, die den Drohungen und Angriffen der USA und ihrer Alliierten ausgeliefert sind.
- Recht auf Bildung und Ausbildung, auf kostenlose Gesundheitseinrichtungen.
- Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen.
- Koordination aller klassenorientierten Gewerkschaften, um die Angriffe des Kapitals auf soziale Sicherheit, stabile Vollbeschäftigung, Privatisierungen, Umweltverschmutzung und Lebensqualität gemeinsam abzuwehren.
- Wir kämpfen für eine Welt ohne Ausbeutung, Krieg, Armut und Kinderprostitution.
Wir laden alle ein, mit dem WGB Kontakt aufzunehmen: http://www.wftucentral.org
Interview: Oliver Jonischkeit