Gute Schule – böse Schule ?
- Montag, 20. März 2006 @ 11:53
Von Dagmar Schulz
Öffentliche Schule? Eliteschule ? Privatschule? Gesamtschule? Schule ist ein Thema, das keine/n kalt lässt – hat doch jede/r mehr oder weniger positive oder negative persönliche Erfahrungen mit dieser Institution gemacht. Angeblich gibt es zum Thema „Fußball“ in Österreich 5 Millionen ExpertInnen, zum Thema „Schule“ sind es wahrscheinlich 8 Millionen. Umso wichtiger ist es, dieses brisante Thema sachlich – und losgelöst von eigenen Erfahrungen zu betrachten, denn Zündstoff gibt es in der laufenden Schuldebatte, die zugleich von großer gesellschaftspolitischer Bedeutung ist, genug. „Schule“ ist nicht Schule
Allein schon von „Schule“ oder „LehrerInnen“ – wie in der Presse leider fast immer der Fall - zu sprechen, ist eine grobe Vereinfachung. Allzu oft wird bei bildungspolitischen Aussagen unterschlagen, dass es sich bei „Schule“ um Menschen handelt : Bei SchülerInnen um Kinder von 6 Jahren bis zu jungen Erwachsenen, bei LehrerInnen um Menschen mit verschiedenster Ausbildung, verschiedenen Arbeitgebern, verschiedenen Besoldungssystemen und verschiedenen Arbeitsbedingungen, bei den Eltern um Menschen aus den unterschiedlichsten sozialen Zusammenhängen.
So sind etwa die Voraussetzungen für ein 6jähriges Kind in einer kleinen Volksschule grundsätzlich andere als jene für eine/n 16jährigen BerüfsschülerIn. Die AHS- Professorin ist vom Bund angestellt, alle PflichtschullehrerInnen sind Landesbedienstete. Es gibt pragmatisierte LehrerInnen, solche mit einem befristeten oder unbefristeten Vertrag und auch welche mit Sonderverträgen. Ein HTL- Professor in der Abendschule wird nach einem anderen System entlohnt wie eine Wekstättenlehrerin.
Die „Schule“ ist ein Spiegel der Gesellschaft – einer Gesellschaft, in der die Zwänge, denen die Eltern der SchülerInnen durch die Verschärfung des Drucks am Arbeitsmarkt, durch „Flexibilisierung“ und Konkurrenzkampf ausgesetzt sind, ebenso eine Rolle spielen wie die Veränderung der Lebensumstände dieser Menschen in den letzten Jahrzehnten in einer Welt des beinahe uneingeschränkten Kapitalismus mit Konsumzwang, Werbungs- und Reizüberflutung, Entsolidarisierung und Individualisierung.
Reizwort PISA – Studie
Die sogenannte PISA-Studie über die Schulleistungen der 15jährigen in Österreich bzw. deren schlechtes Abschneiden im internationalen Vergleich (hier wären die Testbedingungen seriöserweise zu hinterfragen!) ist noch immer in aller Munde.
Schuldzuweisungen wahlweise an LehrerInnen, Eltern sowie je nach politischem Standpunkt an ÖVP oder SPÖ, angebliche oder echte ExpertInnenanalysen, mehr oder wenig Ernst gemeinte Verbesserungsvorschläge geistern nun schon seit Jahren durch die Medien.
Kaum jemand macht sich jedoch die Mühe, die Situation der Schulen in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang zu stellen. Mit Gewalt wurde in den letzten Jahren versucht, die Schulen zu verbetriebswirtschaftlichen. Schulsponsoring, Werbung, Herbeiführung eines unsinnigen Konkurrenzdrucks zwischen einzelnen Schulen und Schultypen, dazu verschärfte Arbeitsbedingungen für Eltern und LehrerInnen, Reizüberflutung und Erfolgsdruck – andererseits aber Kürzung der Bildungsausgaben – konnte man so ernsthaft auf eine Verbesserung der Situation an den Schulen hoffen?
Bildung ist keine Ware, Schulen sind keine Betriebe - und jeder monokausale Schluss ist im Hinblick auf hochkomplizierte Interaktionsprozesse zwischen verschiedenartigsten Menschen. obsolet.
Was die PISA- und ähnliche rein produktorientiert ausgerichtete Studien aber überhaupt nicht beurteilen (können) und daher negieren sind soziale Kompetenzen wie Teamarbeit, Empathie, Problemlösungsstrategien und Interkulturalität.
Solange nicht vom neoliberalen Prinzip, das Bildung als Ware betrachtet, abgegangen wird und dies sich nicht auch in verbesserten Arbeitsbedingungen für SchülerInnen und LehrerInnen niederschlägt ( Senkung der Anzahl der SchülerInnen pro Klasse, verbesserte Aus- und Fortbildung, Reform von Beurteilungs- und Aufstiegskriterien, Anpassung des Lehrplans an veränderte Lebensumstände, Anerkennung von Bildung und Lehren als Wert, Solidarität mit und Wertschätzung der Arbeit der LehrerInnen ) handelt es sich bei allen vorgeschlagenen Maßnahmen wie „Bildungsstandards“ „Lesekompetenzförderung“ etc.um reine Kosmetik.
Daher drängt sich der Schluss auf, dass die PISA-Studie politisch verwendet werden soll – und zwar zur planmäßigen Diffamierung des öffentlichen Schulwesens, um letztlich eine Trennung in privates und kostenpflichtiges Elite-Schulwesen und öffentliche Restschule zu erreichen. Damit kann sich die Schere zwischen Gebildet und Ungebildet, zwischen Reich und Arm, zwischen Erfolgreich und Erfolglos, zwischen Agierend und Verwendet wieder ein Stück weiter öffnen.
Unerwünschte PISA – Erkenntnisse
In Deutschland wurde am 3. 11. 2005 der "Zweite PISA Bundesländervergleich" vom Kultusminister präsentiert. Bei gleichem Wissenstand und gleichem Lernvermögen haben Kinder aus einem reichen Elternhaus im bundesweiten deutschen Durchschnitt etwa 4 Mal größere Chancen ein Gymnasium zu besuchen als einE 15 jährigeR SchülerIn aus einer armen Familie -. Regional gibt es weitere Unterschiede: In Bayern sind die Chancen über 6 mal so hoch, hingegen in Brandenburg "nur" zwei Mal.
Für Österreich war eine Veröffentlichung ähnlicher Ergebnisse „nicht vorgesehen“.(Allerdings ist anzunehmen, dass sie sich nicht wesentlich von jenen in den „alten“ Bundesländern Deutschlands unterscheiden dürften.)
Schließlich hatte man sich im Ministerium ja schon mit der unangenehmen Tatsache abfinden müssen, dass die besten Ergebnisse durchwegs von Ländern mit Gesamtschulsystem erbracht wurden, sofern man nicht „Vorbilder“ von Drillschulen mit exzessiver Nachhilfeunterstützung wie in Japan oder Korea heranzieht.
Unter Gesamtschule versteht man/frau die gemeinsame Schule der 10-14jährigen, die eine frühe Differenzierung der Schullaufbahn vermeidet und so zu höherer Chancengleichheit beiträgt.
Gegen die Einführung der Gesamtschule sprechen in Österreich abgesehen vom Elite- und Dünkeldenken der ÖVP auch die in Europa einzigartige verschiedenwertige Ausbildung (Uni, PädAK bzw. neuer Name Pädagogische Hochschule) und unterschiedliche Besoldung der Landes- (=Pflichtschul-) und Bundes- (=AHS) LehrerInnen.
Schulpakete am laufenden Band
Im Auftrag von BM Gehrer wurden mehrere „Schulpakete“ zur Reformierung der Schule geschnürt:
Unter großem medialen Getöse präsentierte man/frau Maßnahmen, die entweder überholt (5-Tage-Woche,wurde auch früher vom Schulgemeinschaftsausschuss beschlossen), unsinnig (Stundenplan soll 2Tage nach Schulbeginn fertig sein), unmöglich (flächendeckende Nachmittagsbetreuung und Unterrichtsgarantie ohne Erschließung neuer Personal- und Raumressourcen) oder sogar pädagogisch zumindest umstritten (Möglichkeit, an Nahtstellen Klassen zu überspringen) sind. Geändert hat sich – übrigens – an den Schulen seither nichts Wesentliches, da laufend im Bildungsbereich eingespart wurde.
Schöne Plakate und Hochglanzbroschüren zur Förderung der Lesekompetenz sind z.B. nutzlos, wenn andererseits Bibliotheksstunden gestrichen werden....
Pädagogische Hochschulen statt Pädagogischer Akademien
Die 50 Pädagogischen Akademien werden in zwölf Pädagogische Hochschulen (PH), darunter drei der katholischen Kirche umgewandelt. Die PH bleiben Dienststellen des Bundes, damit unmittelbar dem Bildungsministerium unterstellt, und erhalten nicht die gleiche Autonomie wie die Unis. Wie diese werden sie aber Studiengebühren in der Höhe von 363,36 Euro einheben, bisher war die Pflichtschullehrer(Innen!)-Ausbildung gratis. Künftig sollen die Pflichtschullehrer(Innen!) mit dem Bakkalaureat (Bachelor) abschließen. (Die konsequente Verweigerung der weiblichen Form in Bezug auf einen zu mehr als 70% von Frauen ausgeübten Beruf stammt aus der entsprechenden APA-Meldung.)
Damit bleibt Österreich unter den wenigen rückständigen europäischen Ländern, die ihre PflichtschullehrerInnen nicht universitär ausbilden. Die gegenseitige Anrechnung von Prüfungen (Uni-PH) bleibt im Ermessensbereich, die PÄDAKS verfügen nicht über die personellen Ressourcen für eine gleichwertige Fachausbildung, das 2-Klassen LehrerInnensystem bleibt besoldungsmäßig und ideell erhalten - und es konnten über ein Hintertürchen endlich auch die "Pädagogischen Hochschulen" mit Studiengebühren belegt werden.
Vom Elitekindergarten in die Eliteuni?
„Eligere“ heißt nicht umsonst „auswählen“. “Elite“ – dieser Begriff war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im deutschen Sprachraum negativ belegt. Jetzt allerdings erhält er – begünstigt durch politische und mediale Förderung zunehmend eine andere, positive Bedeutung. Die Spaltung der Gesellschaft in „Elite“ und „Masse“ wird mit dem Hinweis auf die im wirtschaftlichen Wettbewerb angeblich unverzichtbare Leistungselite politisch und gesellschaftlich gerechtfertigt.
Die österreichische Bundesregierung konnte sich diesem Trend natürlich nicht verschließen: Als Standort für die ersehnte Elite-Uni wurde der Wallfahrtsort Maria Gugging in Niederösterreich ausgewählt. Dort soll „auf höchstem Niveau“ von in „Eignungstests“ ausgewählten post-gradualen StudentInnen geforscht werden.
Durch die Errichtung des ISTA (Institute of Science and Technology Austria) soll eine Abwanderung von ForscherInnen verhindert und internationaler Standard garantiert werden.
Allerdings ist die Finanzierung der Elite-Uni unklar, der Absprung des Experimentalphysikers Anton Zeilinger und des Chemikers Peter Schuster, die als „Köpfe“ der Eliteuni angedacht waren, macht die Realisierung fraglich.
Der Trend zu prestigeträchtigen Privatunis kommt aus den USA. Wer Karriere machen will, sollte einen Abschluss in Harvard oder Yale nachweisen können. In einer schwierigen Aufnahmeprozedur sollen die „Besten“ ausgewählt werden: angeblich rein leistungsbezogen und unabhängig von der sozialen Herkunft. Die Realität sieht aber anders aus: 90% der StudentInnen stammen aus den 10-20% ökonomisch besser gestellten Familien des Landes, die bei den Aufnahmegesprächen die aus dem gleichen sozialen Milieu stammenden PrüferInnen wohl eher überzeugen konnten. Dazu kommen noch die hohen Studiengebühren.
Warum aber erst an der Uni auf „Qualität“ achten? Da drängt sich doch der Ruf nach Elitekindergärten, Elitevolksschulen, Elitegymnasien auf! Das öffentliche Bildungswesen soll dahingehend ausgehöhlt werden, dass – möglichst früh! – eine Differenzierung in „Elite“ und „Masse“ die Normalschulen in eine Ghettosituation treibt und dementsprechend aushungert. Ansätze dieser Entwicklung sieht man in den Ballungsräumen bereits jetzt: Die kostenpflichtigen, meist konfessionellen Privatschulen verzeichnen großen Andrang, die Hauptschulen werden zu „Restschulen“ und erhalten immer weniger finanzielle Mittel.
Öffentliche Schule? Eliteschule ? Privatschule? Gesamtschule? Schule ist ein Thema, das keine/n kalt lässt – hat doch jede/r mehr oder weniger positive oder negative persönliche Erfahrungen mit dieser Institution gemacht. Angeblich gibt es zum Thema „Fußball“ in Österreich 5 Millionen ExpertInnen, zum Thema „Schule“ sind es wahrscheinlich 8 Millionen. Umso wichtiger ist es, dieses brisante Thema sachlich – und losgelöst von eigenen Erfahrungen zu betrachten, denn Zündstoff gibt es in der laufenden Schuldebatte, die zugleich von großer gesellschaftspolitischer Bedeutung ist, genug. „Schule“ ist nicht Schule
Allein schon von „Schule“ oder „LehrerInnen“ – wie in der Presse leider fast immer der Fall - zu sprechen, ist eine grobe Vereinfachung. Allzu oft wird bei bildungspolitischen Aussagen unterschlagen, dass es sich bei „Schule“ um Menschen handelt : Bei SchülerInnen um Kinder von 6 Jahren bis zu jungen Erwachsenen, bei LehrerInnen um Menschen mit verschiedenster Ausbildung, verschiedenen Arbeitgebern, verschiedenen Besoldungssystemen und verschiedenen Arbeitsbedingungen, bei den Eltern um Menschen aus den unterschiedlichsten sozialen Zusammenhängen.
So sind etwa die Voraussetzungen für ein 6jähriges Kind in einer kleinen Volksschule grundsätzlich andere als jene für eine/n 16jährigen BerüfsschülerIn. Die AHS- Professorin ist vom Bund angestellt, alle PflichtschullehrerInnen sind Landesbedienstete. Es gibt pragmatisierte LehrerInnen, solche mit einem befristeten oder unbefristeten Vertrag und auch welche mit Sonderverträgen. Ein HTL- Professor in der Abendschule wird nach einem anderen System entlohnt wie eine Wekstättenlehrerin.
Die „Schule“ ist ein Spiegel der Gesellschaft – einer Gesellschaft, in der die Zwänge, denen die Eltern der SchülerInnen durch die Verschärfung des Drucks am Arbeitsmarkt, durch „Flexibilisierung“ und Konkurrenzkampf ausgesetzt sind, ebenso eine Rolle spielen wie die Veränderung der Lebensumstände dieser Menschen in den letzten Jahrzehnten in einer Welt des beinahe uneingeschränkten Kapitalismus mit Konsumzwang, Werbungs- und Reizüberflutung, Entsolidarisierung und Individualisierung.
Reizwort PISA – Studie
Die sogenannte PISA-Studie über die Schulleistungen der 15jährigen in Österreich bzw. deren schlechtes Abschneiden im internationalen Vergleich (hier wären die Testbedingungen seriöserweise zu hinterfragen!) ist noch immer in aller Munde.
Schuldzuweisungen wahlweise an LehrerInnen, Eltern sowie je nach politischem Standpunkt an ÖVP oder SPÖ, angebliche oder echte ExpertInnenanalysen, mehr oder wenig Ernst gemeinte Verbesserungsvorschläge geistern nun schon seit Jahren durch die Medien.
Kaum jemand macht sich jedoch die Mühe, die Situation der Schulen in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang zu stellen. Mit Gewalt wurde in den letzten Jahren versucht, die Schulen zu verbetriebswirtschaftlichen. Schulsponsoring, Werbung, Herbeiführung eines unsinnigen Konkurrenzdrucks zwischen einzelnen Schulen und Schultypen, dazu verschärfte Arbeitsbedingungen für Eltern und LehrerInnen, Reizüberflutung und Erfolgsdruck – andererseits aber Kürzung der Bildungsausgaben – konnte man so ernsthaft auf eine Verbesserung der Situation an den Schulen hoffen?
Bildung ist keine Ware, Schulen sind keine Betriebe - und jeder monokausale Schluss ist im Hinblick auf hochkomplizierte Interaktionsprozesse zwischen verschiedenartigsten Menschen. obsolet.
Was die PISA- und ähnliche rein produktorientiert ausgerichtete Studien aber überhaupt nicht beurteilen (können) und daher negieren sind soziale Kompetenzen wie Teamarbeit, Empathie, Problemlösungsstrategien und Interkulturalität.
Solange nicht vom neoliberalen Prinzip, das Bildung als Ware betrachtet, abgegangen wird und dies sich nicht auch in verbesserten Arbeitsbedingungen für SchülerInnen und LehrerInnen niederschlägt ( Senkung der Anzahl der SchülerInnen pro Klasse, verbesserte Aus- und Fortbildung, Reform von Beurteilungs- und Aufstiegskriterien, Anpassung des Lehrplans an veränderte Lebensumstände, Anerkennung von Bildung und Lehren als Wert, Solidarität mit und Wertschätzung der Arbeit der LehrerInnen ) handelt es sich bei allen vorgeschlagenen Maßnahmen wie „Bildungsstandards“ „Lesekompetenzförderung“ etc.um reine Kosmetik.
Daher drängt sich der Schluss auf, dass die PISA-Studie politisch verwendet werden soll – und zwar zur planmäßigen Diffamierung des öffentlichen Schulwesens, um letztlich eine Trennung in privates und kostenpflichtiges Elite-Schulwesen und öffentliche Restschule zu erreichen. Damit kann sich die Schere zwischen Gebildet und Ungebildet, zwischen Reich und Arm, zwischen Erfolgreich und Erfolglos, zwischen Agierend und Verwendet wieder ein Stück weiter öffnen.
Unerwünschte PISA – Erkenntnisse
In Deutschland wurde am 3. 11. 2005 der "Zweite PISA Bundesländervergleich" vom Kultusminister präsentiert. Bei gleichem Wissenstand und gleichem Lernvermögen haben Kinder aus einem reichen Elternhaus im bundesweiten deutschen Durchschnitt etwa 4 Mal größere Chancen ein Gymnasium zu besuchen als einE 15 jährigeR SchülerIn aus einer armen Familie -. Regional gibt es weitere Unterschiede: In Bayern sind die Chancen über 6 mal so hoch, hingegen in Brandenburg "nur" zwei Mal.
Für Österreich war eine Veröffentlichung ähnlicher Ergebnisse „nicht vorgesehen“.(Allerdings ist anzunehmen, dass sie sich nicht wesentlich von jenen in den „alten“ Bundesländern Deutschlands unterscheiden dürften.)
Schließlich hatte man sich im Ministerium ja schon mit der unangenehmen Tatsache abfinden müssen, dass die besten Ergebnisse durchwegs von Ländern mit Gesamtschulsystem erbracht wurden, sofern man nicht „Vorbilder“ von Drillschulen mit exzessiver Nachhilfeunterstützung wie in Japan oder Korea heranzieht.
Unter Gesamtschule versteht man/frau die gemeinsame Schule der 10-14jährigen, die eine frühe Differenzierung der Schullaufbahn vermeidet und so zu höherer Chancengleichheit beiträgt.
Gegen die Einführung der Gesamtschule sprechen in Österreich abgesehen vom Elite- und Dünkeldenken der ÖVP auch die in Europa einzigartige verschiedenwertige Ausbildung (Uni, PädAK bzw. neuer Name Pädagogische Hochschule) und unterschiedliche Besoldung der Landes- (=Pflichtschul-) und Bundes- (=AHS) LehrerInnen.
Schulpakete am laufenden Band
Im Auftrag von BM Gehrer wurden mehrere „Schulpakete“ zur Reformierung der Schule geschnürt:
Unter großem medialen Getöse präsentierte man/frau Maßnahmen, die entweder überholt (5-Tage-Woche,wurde auch früher vom Schulgemeinschaftsausschuss beschlossen), unsinnig (Stundenplan soll 2Tage nach Schulbeginn fertig sein), unmöglich (flächendeckende Nachmittagsbetreuung und Unterrichtsgarantie ohne Erschließung neuer Personal- und Raumressourcen) oder sogar pädagogisch zumindest umstritten (Möglichkeit, an Nahtstellen Klassen zu überspringen) sind. Geändert hat sich – übrigens – an den Schulen seither nichts Wesentliches, da laufend im Bildungsbereich eingespart wurde.
Schöne Plakate und Hochglanzbroschüren zur Förderung der Lesekompetenz sind z.B. nutzlos, wenn andererseits Bibliotheksstunden gestrichen werden....
Pädagogische Hochschulen statt Pädagogischer Akademien
Die 50 Pädagogischen Akademien werden in zwölf Pädagogische Hochschulen (PH), darunter drei der katholischen Kirche umgewandelt. Die PH bleiben Dienststellen des Bundes, damit unmittelbar dem Bildungsministerium unterstellt, und erhalten nicht die gleiche Autonomie wie die Unis. Wie diese werden sie aber Studiengebühren in der Höhe von 363,36 Euro einheben, bisher war die Pflichtschullehrer(Innen!)-Ausbildung gratis. Künftig sollen die Pflichtschullehrer(Innen!) mit dem Bakkalaureat (Bachelor) abschließen. (Die konsequente Verweigerung der weiblichen Form in Bezug auf einen zu mehr als 70% von Frauen ausgeübten Beruf stammt aus der entsprechenden APA-Meldung.)
Damit bleibt Österreich unter den wenigen rückständigen europäischen Ländern, die ihre PflichtschullehrerInnen nicht universitär ausbilden. Die gegenseitige Anrechnung von Prüfungen (Uni-PH) bleibt im Ermessensbereich, die PÄDAKS verfügen nicht über die personellen Ressourcen für eine gleichwertige Fachausbildung, das 2-Klassen LehrerInnensystem bleibt besoldungsmäßig und ideell erhalten - und es konnten über ein Hintertürchen endlich auch die "Pädagogischen Hochschulen" mit Studiengebühren belegt werden.
Vom Elitekindergarten in die Eliteuni?
„Eligere“ heißt nicht umsonst „auswählen“. “Elite“ – dieser Begriff war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im deutschen Sprachraum negativ belegt. Jetzt allerdings erhält er – begünstigt durch politische und mediale Förderung zunehmend eine andere, positive Bedeutung. Die Spaltung der Gesellschaft in „Elite“ und „Masse“ wird mit dem Hinweis auf die im wirtschaftlichen Wettbewerb angeblich unverzichtbare Leistungselite politisch und gesellschaftlich gerechtfertigt.
Die österreichische Bundesregierung konnte sich diesem Trend natürlich nicht verschließen: Als Standort für die ersehnte Elite-Uni wurde der Wallfahrtsort Maria Gugging in Niederösterreich ausgewählt. Dort soll „auf höchstem Niveau“ von in „Eignungstests“ ausgewählten post-gradualen StudentInnen geforscht werden.
Durch die Errichtung des ISTA (Institute of Science and Technology Austria) soll eine Abwanderung von ForscherInnen verhindert und internationaler Standard garantiert werden.
Allerdings ist die Finanzierung der Elite-Uni unklar, der Absprung des Experimentalphysikers Anton Zeilinger und des Chemikers Peter Schuster, die als „Köpfe“ der Eliteuni angedacht waren, macht die Realisierung fraglich.
Der Trend zu prestigeträchtigen Privatunis kommt aus den USA. Wer Karriere machen will, sollte einen Abschluss in Harvard oder Yale nachweisen können. In einer schwierigen Aufnahmeprozedur sollen die „Besten“ ausgewählt werden: angeblich rein leistungsbezogen und unabhängig von der sozialen Herkunft. Die Realität sieht aber anders aus: 90% der StudentInnen stammen aus den 10-20% ökonomisch besser gestellten Familien des Landes, die bei den Aufnahmegesprächen die aus dem gleichen sozialen Milieu stammenden PrüferInnen wohl eher überzeugen konnten. Dazu kommen noch die hohen Studiengebühren.
Warum aber erst an der Uni auf „Qualität“ achten? Da drängt sich doch der Ruf nach Elitekindergärten, Elitevolksschulen, Elitegymnasien auf! Das öffentliche Bildungswesen soll dahingehend ausgehöhlt werden, dass – möglichst früh! – eine Differenzierung in „Elite“ und „Masse“ die Normalschulen in eine Ghettosituation treibt und dementsprechend aushungert. Ansätze dieser Entwicklung sieht man in den Ballungsräumen bereits jetzt: Die kostenpflichtigen, meist konfessionellen Privatschulen verzeichnen großen Andrang, die Hauptschulen werden zu „Restschulen“ und erhalten immer weniger finanzielle Mittel.