Vier Grundfreiheiten und Wettbewerb in Frage stellen
- Mittwoch, 5. Oktober 2005 @ 11:16
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Die Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB) hat bereits bei ihrer Bundeskonferenz am 30. April 2005 in zwei Resolutionen der Richtlinie eine klare Absage erteilt und an dieser Haltung hat sich bis dato nichts geändert. Kernpunkte der Kritik sind das Herkunftslandsprinzip – das zu einem schrankenlosen Dumping für Löhne, Sozialleistungen, Arbeitsrecht, Konsumenten- und Umweltschutz usw. führen würde – und das Entgeltprinzip – demzufolge künftig auch bislang kostenlos erbrachte Dienstleistungen etwa im Sozialbereich dem Markt unterworfen würden.
Die Dienstleistungsrichtlinie würde außerdem Klein- und Mittelbetriebe der Billigkonkurrenz ausliefern, zu einem Chaos von 25 Rechtsordnungen führen, die Kontrolle von Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung vor Ort verunmöglichen, Regelungen für Kündigungs- und Entlassungsschutz, Krankengeld, die Beschäftigung von LeiharbeiterInnen oder die Gründung von Betriebsräten unterlaufen und den Standortwettbewerb im negativen Sinne anheizen.
Als einen zentralen Punkt am Ziel der Richtlinie sieht der GLB die Gleichsetzung aller für die Aufrechterhaltung der Grundversorgung im weitesten Sinne wie Nahverkehr, Bildung, Gesundheitswesen usw. wesentlichen öffentlichen Dienste mit allen anderen Dienstleistungen. Der Hintergrund der Richtlinie ist letztlich die Auslieferung bislang der öffentlichen Hand vorbehaltenen Dienstleistungen an den „freien Markt“ bzw. an private Eigentümer.
Im Gegensatz zur ÖGB-Spitze hat der GLB die Auseinandersetzung um die Dienstleistungsrichtlinie von Anfang an in einem untrennbaren Zusammenhang mit den Rechtsgrundlagen der EU, wie dem Maastricht-Vertrag und auch der vorläufig gescheiterten EU-Verfassung gesehen: „Die maßgebliche Grundlage für die Liberalisierung sind nämlich die vier Grundfreiheiten und die Festschreibung des Wettbewerbs als Säulen der EU“, meint GLB-Bundesvorsitzende Karin Antlanger.
Ein wirksamer Kampf zur Verhinderung der „Bolkestein-Direktive“ ist daher nur möglich, wenn diese Grundlagen der EU in Frage gestellt werden. Das Scheitern der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden war maßgeblich auch der Erkenntnis dieses Zusammenhanges geschuldet. Wenn jetzt die Spitzen des ÖGB die Notwendigkeit eines „sozialen Europas“ entdecken, dann müssen sie entsprechend handeln: „Denn mit der EU wie sie hier und jetzt funktioniert, ist eine Sozialunion nicht möglich“, so Antlanger.
Der GLB fordert daher die 18 österreichischen EuropaparlamentarierInnen auf, angesichts der gravierenden negativen Auswirkungen die geplante Dienstleistungsrichtlinie im Europäischen Parlament abzulehnen und statt dessen der Erhaltung und dem Ausbau der öffentlichen Dienste in der freien Entscheidungskompetenz der jeweiligen Träger (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungen…) im allgemeinen Interesse Vorrang zu geben.