Billiges Glück
- Montag, 13. Februar 2006 @ 20:47
Von Bärbel Mende-Danneberg
Wahrhaben möchte es niemand, aber es wird kommen: Wohin mit uns im Alter? Ab ins Siechenheim, in eine Alten-WG, ins Pensionistenheim oder so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden? Aussuchen werden es sich die meisten nicht können, denn das ist letztlich auch eine Geldfrage. Sicher ist, dass sich die Zahl der über 80-Jährigen in zehn Jahren verdoppelt haben wird, und schon heute wird uns der Pflegekollaps prophezeit. Als Maßnahme gegen die düstere Altenzukunft wird uns die Pflegeversicherung oder die private Eigenvorsorge offeriert, für die immer mehr Menschen immer weniger Geld haben werden. Und in letzter Zeit wird verstärkt um den Liebesdienst an Angehörigen zu Gottes Lohn geworben. Seit fast drei Jahren leiste ich diese schöngeredete Pflege zu Hause an meiner fast 94-jährigen demenzkranken Mutter. Mit ihren vier Kindern war sie nie berufstätig, ihre kleine Rente und Witwenpension reichte nicht für eine private Eigenvorsorge, um in einer noblen Altenresidenz ihren Lebensabend zu verbringen. Also ich.
Heute ist meine verwirrte, gebrechliche Mutter ein Pflegefall rund um die Uhr. Manchmal redet sie mich mit „Mutter“, manchmal mit „Sie“ an. Nachts stehe ich etliche Male auf, um sie „trocken zu legen“ und wieder ins Bett zu bringen. Ich dusche sie, ziehe sie an, mache Mund- und Körperpflege, ich koche für sie und wasche ihre Wäsche, ich reiche ihr die Medikamente und fahre mit ihr spazieren, ich betreue sie bei Arztbesuchen, tröste sie, wenn sie traurig ist und fürchte mich jeden Morgen davor, sie tot im Bett liegen zu sehen.
Dafür erhält meine Mutter 410 Euro Pflegegeld, und das reicht noch nicht einmal für Betreuungsdienste, die ich zukaufe, damit ich einmal einkaufen gehen kann oder abends ins Kino. Eine Erhöhung durch die bundesdeutsche Postbeamtenkrankenkasse, bei der meine Mutter pflegeversichert ist, wurde abgelehnt. Denn ausschlaggebend dafür sei die totale Bettlägerigkeit oder wie oft mit fremder Hilfe der Löffel zum Mund oder die Windel gewechselt werden muss. Die psychische Belastung durch die Rundumbetreuung zählt nicht. Meine Mutter ist glücklich und dankbar für jeden Handgriff. Manchmal habe ich Angst, seltsam zu werden in diesem pflegenden Kreislauf und der täglichen Isolation.
Ich bin eine brave Tochter, denn als diplomierte Krankenschwester weiß ich, wie es in den öffentlichen Pflegeheimen oft zugeht: sparen beim Personal, also Dreiliter-Windeln bei Inkontinenz; sparen an Decubitus-Matratzen, also Druckgeschwüre; sparen an der Ausstattung, also baden in Baumgarten 70 Pflegepatienten in der selben Wanne und schlafen die Pfleglinge in Sechsbettzimmern; sparen an Zeit für Zuwendung, also Dahindämmern ... (siehe dazu Werner Vogt, „Reise in die Welt der Altenpflege“, Edition Steinhauer).
Das ist überhaupt das modische Zauberwort des Staates: sparen oder Public Private Partnership (PPP). Deshalb werden öffentliche Dienstleistungen ausgelagert und die Alten in den privaten vier Wänden endgelagert. 80 Prozent der Pflege wird im familiären Umfeld meist von weiblichen Angehörigen geleistet. Die von Bürgermeister Häupl nach dem „Lainz-Skandal versprochene Pflegemilliarde ist noch immer ausständig.
Wahrhaben möchte es niemand, aber es wird kommen: Wohin mit uns im Alter? Ab ins Siechenheim, in eine Alten-WG, ins Pensionistenheim oder so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden? Aussuchen werden es sich die meisten nicht können, denn das ist letztlich auch eine Geldfrage. Sicher ist, dass sich die Zahl der über 80-Jährigen in zehn Jahren verdoppelt haben wird, und schon heute wird uns der Pflegekollaps prophezeit. Als Maßnahme gegen die düstere Altenzukunft wird uns die Pflegeversicherung oder die private Eigenvorsorge offeriert, für die immer mehr Menschen immer weniger Geld haben werden. Und in letzter Zeit wird verstärkt um den Liebesdienst an Angehörigen zu Gottes Lohn geworben. Seit fast drei Jahren leiste ich diese schöngeredete Pflege zu Hause an meiner fast 94-jährigen demenzkranken Mutter. Mit ihren vier Kindern war sie nie berufstätig, ihre kleine Rente und Witwenpension reichte nicht für eine private Eigenvorsorge, um in einer noblen Altenresidenz ihren Lebensabend zu verbringen. Also ich.
Heute ist meine verwirrte, gebrechliche Mutter ein Pflegefall rund um die Uhr. Manchmal redet sie mich mit „Mutter“, manchmal mit „Sie“ an. Nachts stehe ich etliche Male auf, um sie „trocken zu legen“ und wieder ins Bett zu bringen. Ich dusche sie, ziehe sie an, mache Mund- und Körperpflege, ich koche für sie und wasche ihre Wäsche, ich reiche ihr die Medikamente und fahre mit ihr spazieren, ich betreue sie bei Arztbesuchen, tröste sie, wenn sie traurig ist und fürchte mich jeden Morgen davor, sie tot im Bett liegen zu sehen.
Dafür erhält meine Mutter 410 Euro Pflegegeld, und das reicht noch nicht einmal für Betreuungsdienste, die ich zukaufe, damit ich einmal einkaufen gehen kann oder abends ins Kino. Eine Erhöhung durch die bundesdeutsche Postbeamtenkrankenkasse, bei der meine Mutter pflegeversichert ist, wurde abgelehnt. Denn ausschlaggebend dafür sei die totale Bettlägerigkeit oder wie oft mit fremder Hilfe der Löffel zum Mund oder die Windel gewechselt werden muss. Die psychische Belastung durch die Rundumbetreuung zählt nicht. Meine Mutter ist glücklich und dankbar für jeden Handgriff. Manchmal habe ich Angst, seltsam zu werden in diesem pflegenden Kreislauf und der täglichen Isolation.
Ich bin eine brave Tochter, denn als diplomierte Krankenschwester weiß ich, wie es in den öffentlichen Pflegeheimen oft zugeht: sparen beim Personal, also Dreiliter-Windeln bei Inkontinenz; sparen an Decubitus-Matratzen, also Druckgeschwüre; sparen an der Ausstattung, also baden in Baumgarten 70 Pflegepatienten in der selben Wanne und schlafen die Pfleglinge in Sechsbettzimmern; sparen an Zeit für Zuwendung, also Dahindämmern ... (siehe dazu Werner Vogt, „Reise in die Welt der Altenpflege“, Edition Steinhauer).
Das ist überhaupt das modische Zauberwort des Staates: sparen oder Public Private Partnership (PPP). Deshalb werden öffentliche Dienstleistungen ausgelagert und die Alten in den privaten vier Wänden endgelagert. 80 Prozent der Pflege wird im familiären Umfeld meist von weiblichen Angehörigen geleistet. Die von Bürgermeister Häupl nach dem „Lainz-Skandal versprochene Pflegemilliarde ist noch immer ausständig.