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Wie wäre es mit „konkurrenzfähigen Löhnen“?

  • Freitag, 1. Juli 2005 @ 18:42
Meinung Von Josef Stingl
Koch, Rumerhof, Rum in Tirol
GLB-Sprecher Tirol
Stellvertretender GLB-Bundesvorsitzender

2,3 Prozent betrug die Lohnerhöhung im Hotel- und Gastgewerbe ab 1. Mai. Damit wurde ein Ziel der KV-Verhandlungen erreicht: der Termin. Von einem anderen Ziel, „konkurrenzfähige Löhne“, wie es der HGPD-Vorsitzende Rudolf Kaske formuliert hatte, ist nach wie vor nichts zu sehen. Zumindest verstehen die KollegInnen unter „konkurrenzfähig“ etwas anderes als die UnternehmerInnen. Kollege Josef Stingl ist Koch in Tirol und seit der GLB-Bundeskonferenz im April stellvertretender Vorsitzender des GLB. Für die „arbeit“ hat mit ihm Kollege Hubert Schmiedbauer über die Situation in der Branche gesprochen und wir bringen hier eine gekürzte Wiedergabe.

Was sagst du zum aktuellen KV-Abschluss?

Freude kommt keine auf, plus 2,3 Prozent ist ein Abschluss unter der Inflationsrate. Und das in einer Branche, wo die KV-Löhne ohnehin nicht hoch sind: z.B. Kellner haben einen KV-Lohn von 1.091,50, Alleinköche: 1.227,50 Euro, oder Hilfskräfte: 1.019 Euro.

Hoteliers und Wirte behaupten oft, es werde weit über den KV bezahlt. Das gibt es besonders bei den Saisonarbeitsstellen. Verschwiegen wird allerdings, dass diese Lohnzahlungen eine 50-, 60- und noch mehr Stunden-Woche und 6-Tage-Woche beinhalten. Und nicht zu vergessen: Arbeit nur 6 bis 8 Monate im Jahr, den Rest der Zeit ist man/frau auf die Arbeitslose angewiesen. So hat in Tirol – dem Tourismusland – nur mehr die Hälfte aller Beschäftigten einen Vollzeitarbeitsplatz übers ganze Jahr.

Du findest also, das Hotel- und Gastgewerbe hat einen hohen Anteil an unzufriedenen KollegInnen?

Stimmt, dazu einige Zahlen aus einer aktuellen Studie: Es gibt jede/r Fünfte der Tiroler Tourismusbeschäftigten an, dass die familiären Bedürfnisse bei der Einteilung der Arbeitszeit nicht berücksichtigt werden und dass sie daher mit ihren Dienstzeiten und Diensten unzufrieden seien. Fast jede/r Dritte Tiroler Tourismusangestellte (31,2 Prozent) ist außerdem mit ihrer/seiner Bezahlung weniger zufrieden.

Rund jeder vierte Tourismusangestellte (23,1 Prozent) würde seinen Beruf im Tourismus nicht nochmals wählen. Jeder zehnte Tourismusangestellte würde seinen derzeitigen Arbeitgeber nicht mehr wählen. Dazu meint der Vorsitzende der Hotelier-Vereinigung, Manfred Furtner, die Studie sei „kontraproduktive Schlechtmacherei“ und es sollten „die Herren (gemeint Tirols ÖGB-Chef Franz Reiter und Landessekretär der HGPD Roland Müller – Anm. d. Red.) froh sein, dass jetzt, wo der Arbeitsmarkt so schwierige Zeiten durchläuft, eine Branche Mitarbeiter braucht und diese auch anstellt“.

Schrecken die Bedingungen in der Branche nicht auch den Nachwuchs ab?

Ich liebe meinen Beruf, trotzdem finde ich zum Kotzen, wie schon mit unserem Nachwuchs umgesprungen wird. Nur ein Beispiel: Am 11. Mai 2005 im Kurier meinte der Starkoch Toni Mörwald aus Krems „vor Wut kochen“ zu müssen, weil ihm nicht erlaubt sei, seine Lehrlinge 12 bis 15 Stunden arbeiten zu lassen - also fast das Doppelte der Normalarbeitszeit. Dr. Thomas Wolf vom Fachverband für Gastronomie wiederum regt an, dass für Lehrlinge die 12-stündige Nachtruhezeit zwischen Arbeitsschluss und Arbeitsbeginn verkürzt gehört. Kein Wunder, wenn das Hotel- und Gastgewerbe die einzige Branche in Österreich ist, in der es eine Vielzahl offener Lehrstellen gibt.

Übrigens, Toni Mörwald wurde im April 2005 durch die ÖGB-Bezirksorganisation Krems der „Schwarze Rabe" für negativen Umgang mit ArbeitnehmerInnen verliehen. Zum Mörwald-Imperium gab es immer wieder Beanstandungen von GewerkschafterInnen, Arbeitsinspektorat und Arbeiterkammer, weil grundlegende Regeln des Zusammenlebens von ArbeitnehmerInnen und Arbeitgeber nicht eingehalten werden. Gewerkschaftsvorsitzender Kollege Kaske reagierte auf den Fall Mörwald empört, redet gegenüber solchen Praktiken aber zu gerne von „schwarzen Schafen“. Davor fürchten sich weder Mörwald noch die vielen anderen „Schafe“.

Es ist oft auch von unbezahlten Überstunden zu hören.

Ja, laut ÖGB-Studie leisten in Tirol rund 4020 Mitarbeiter im Tourismus im Durchschnitt rund 6 Überstunden pro Woche ohne Bezahlung bzw. ohne Zeitausgleich. Bei einem durchschnittlichen Stundenlohn von 10 Euro erspart sich der Tourismus in Tirol sage und schreibe über 12,5 Millionen Euro pro Jahr. Im Gastgewerbe gibt es sehr viele ausländische KollegInnen. Viele sind vom Wohlwollen der Hoteliers abhängig um ihre Arbeitsbewilligung zu behalten.

Noch schlimmer trifft`s die so genannten Saisoniers mit jeweils kurzfristigen Arbeitsverträgen. Ihnen wird per Gesetz die Möglichkeit des Arbeitslosengeldbezuges genommen. Nach Ablauf des Saisonvertrages müssen diese KollegInnen Österreich sofort verlassen. Somit zahlen sie zwar monatlich ihren Arbeitslosenbeitrag, können dann aber keine Unterstützung beantragen, da die Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld ein österreichischer Wohnsitz ist. Auch bei nicht bezahlten Lohnanteilen bzw. Überstunden schauen sie durch die Finger. Sie können das vom Ausland aus schlecht gerichtlich einfordern. Ich nenne das gesetzlich gedeckten Betrug.

Jetzt weiß man auch, warum der Wirtschaftsminister und Großunternehmer Bartenstein in den letzten Jahren gegen den Widerstand der Gewerkschaft die Bewilligung zur Einstellung von Saisoniers auf einige tausend vervielfacht hat, obwohl es in Österreich selbst rund 30.000 arbeitslose KollegInnen gibt.

Welche vorrangigen Stoßrichtungen hältst du für notwendig?

Also hier gebe es einiges zu tun. Die Problematik um die Personalunterkünfte zeigt, dass es kein sinnloser Weg ist. Seitdem das Arbeitsinspektoriat diese genauer unter die Lupe nimmt, ist es sogar möglich, Einzelzimmer zu haben, bzw. bieten jetzt sogar manche Hoteliers kleine Apartments an. Konkret sehe ich drei Stoßrichtungen:

+ erstens die gesetzliche: Weg mit allen diskriminierenden Gesetzen (Saisoniers, Arbeitsbewilligung, Aufenthaltsgesetz) usw.

+ zweitens die gewerkschaftliche: Es genügt nicht, dass der Vorsitzende verbal kämpferisch auftritt. Es sind auch Taten notwendig. Wenn so viele KollegInnen mit ihrem Lohn unzufrieden sind, dann sind sie auch für höhere Gehaltsabschlüsse zu mobilisieren. Gegen die „schwarzen Schafe“ à la Mörwald ist mit der ganzen Palette des Gerichtsweges vorzugehen.

+ drittens die persönliche: die KollegInnen müssen lernen, dass sie noch nie etwas alleine „richten“ konnten. Also müssen sie sich sowohl gewerkschaftlich als auch auf betrieblicher Ebene (Betriebsrat) organisieren.

Quelle: "die arbeit", 3/2005