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Ein notwendiger Diskussionsbeitrag

  • Dienstag, 26. April 2005 @ 18:32
Meinung Von Karin Antlanger
Juristin und Sozialpädagogin
BRV EXIT-sozial Linz
GLB-Bundesvorsitzende

Ja, Kolleginnen und Kollegen, ich war mir nicht dessen bewusst, und die Frage geht ob man das zulässt, dass sich jemand zu Wort meldet, nachdem auch Wortmeldungsformulare in der Konferenzmappe waren. Kollege Sallmutter hat eingangs gesagt, dass es als GPA gerade rechtzeitig ist, die personellen Weichen zu setzen. Ich denke aber, es geht in erster Linie nicht nur um personelle Weichen, auch wenn das heute der wichtigste Tagesordnungspunkt ist, den neuen Vorsitzenden zu wählen, sondern ich denke, dass es für die Gewerkschaften vor allem um inhaltliche Weichenstellungen geht. Gerade in diesen neuen neoliberalen Zeiten erfordern nicht nur einen neuen GPA-Vorsitzenden offensichtlich, sondern auch neue Programme. Und dazu, denke ich, müsste man auch zurückschauen etwas in die Vergangenheit, in die Geschichte, wenn man hernimmt, ab den 50er Jahren, also durchlebten ja avancierten kapitalistischen Staaten Westeuropas und Nordamerikas eine beispiellose Konjunkturwelle.

Mit einer keynesianischen Wirtschaftspolitik gelang es die nationalen wirtschaftlichen Entwicklungen zu steuern und nahezu zur Vollbeschäftigung, zumindest für Männer, zu erreichen und zu sichern. Über Jahrzehnte hinweg begleitete dann diese Entwicklung die Arbeiterbewegung im klassischen Sinn. Es gab Massenkonsum, Sozialstaat und Verwertungsinteressen, das Kapital stimmte weitgehend überein. Sie waren praktisch die Basis sowohl für eine gewissen Wohlstand der Lohnabhängigen als aber auch deren Einbindung in das kapitalistische System. Ich mein, wenn man zurückgeht bei zu Henry Ford, er war ja ein kluger Kapitalist. Er hat schon Anfang des 20. Jahrhundert erkannt, dass die Massenkaufkraft eine Grundlage für den Profit ist und die Formelmassenproduktion braucht Massenkaufkraft. Das ist charakteristisch für diesen Kapitalismus. Anzumerken ist allerdings, dass diese Politik, also Massenkonsum, Sozialstaat usw. wie wir sie unter dem Keynesianismus gehabt haben, natürlich auch global gesehen oder international gesehen also auf Kosten der Kolonien bzw. Entwicklungsländer und national auf Kosten von Frauen, Migratlnnen und Arbeitslosen gegangen ist.

Seit den 70er Jahren sind wir dann mit gravierenden Veränderungen konfrontiert worden nämlich mit gravierenden technologischen Veränderungen und parallel dazu natürlich dann auch mit dem Durchbruch, neoliberaler Politikkonzept, welche die bis dahin gekannte Arbeitswelt eigentlich radikal verändert haben. Mit dazu gekommen ist dann noch, dass mit der Niederlage des so genannten realen Sozialismus, also der vornehmlich in den osteuropäischen Staaten bestanden hat, sich die neoliberale Entwicklung dann drastisch verschärft hat, wie der Umbruch dann Anfang der 90er Jahre dann anschaulich beweist. Weil mit dem Wegfall der so genannten Systemkonkurrenz ist ja auch die letzte Beißhemmung gefallen.

Und Konkurrenz wurde dann zum obersten Prinzip auch und vor allem aber auch die Konkurrenz innerhalb der Arbeitnehmerinnen/Arbeiterinnenklasse. Der Maßstab einer Interessenpolitik für Lohnabhängige hat sich verschoben. Dem muss Rechnung getragen werden und das heißt, wir werden die Fragen der Zukunft nicht mit den Rezepten der Vergangenheit oder gar mit einer Rückkehr in diese beantworten können. Also ich denke die meisten oder viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter haben ja noch die Vorstellung, dass wir wieder zurückkommen zum Keynesiansimus und das alles wieder im Lot ist. Das wird es nicht spielen.

Die Gesellschaft ist bedingt durch die enorme Produktivität heute reicher denn je und dass uns wieder von Politik, Wirtschaft, Medien und so genannten Experten entgegen gehaltene Argument, soziale Sicherheit sei nicht mehr finanzierbar, wird durch einen Blick auf die Fakten laufend widerlegt. Ich erspare euch jetzt die Zahlen, also die sind ja alle bekannt, wie viel Vermögen in Stiftungen, Privatstiftungen, usw. gebunkert ist, denn Kollege Sallmutter hat ja auch sehr anschauliche Zahlen gebracht. Aber zum Schluss noch für die Finanzierung der Pensionen, für die Finanzierung nach dem bewährten Umlageverfahren wird uns immer eingeredet, das geht nicht mehr mit der demographischen Entwicklung.

Die Alterspyramide erschlägt uns, usw. Ich denke mir, gerade für die Finanzierung der Pensionen darf eben nicht die Alterspyramide entscheidend sein, sondern die Wertschöpfung. Wenn die bisher nur nach der Lohnsumme bemessenen Unternehmerbeiträge zur Sozialversicherung auf die gesamte Wertschöpfung umgestellt werden, um der immensen Rationalisierung auch Rechnung zu tragen, dann sind Pension, Gesundheit usw. finanzierbar. Ich möchte euch ein Zitat bringen, das besagt: "Die Diskussion über die Rente ist nichts anderes als der gigantische Versuch, der Lebensversicherungen an das Geld der Leute heranzukommen." Und das sagt niemand von ATTAC oder von irgendwelchen anderen fortschrittlichen Bewegungen sondern das hat Heiner Geißler, der ehem. Generalsekretär der CDU festgestellt.

Die zentrale Frage daher, denke ich auch, für die GPA und für die Gewerkschaften insgesamt und auch die zentrale Herausforderungen für uns Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter wird daher die Frage der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums sein. Ich denke mir, die Gewerkschaften brauchen aber auch Alternativprogramme mit Kernpunkte und meine Frage wäre auch an den künftigen GPA-Vorsitzenden, ist es Linie der GPA, Arbeitszeit zu verkürzen statt zu verlängern oder ist es Linie der GPA für den Erhalt und Ausbau des öffentlichen Sektors zu sein, für Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums, für eine offensive Beschäftigungspolitik, für den Erhalt und Ausbau des Sozialstaates und für eine demokratische Kontrolle der Wirtschaft zu kämpfen.

Da werden nun manche sagen, das sind No-Na-Fragen, nach klar machen wird das als Gewerkschaft, aber alleine, wenn ich mir die Frage hernehme, die Letzte. Sind wir dafür, für eine demokratische Kontrolle der Wirtschaft einzutreten, dann würde das zB bedeuten, dass wir auch als Gewerkschaften nein zu dieser EU-Verfassung sagen, weil genau diese EU-Verfassung, genau die schreibt, dass neoliberale Wirtschaftsmodell in die Verfassung.

Also, ich denke mir, es gibt keine Verfassung auf der Welt, die Wirtschaftsmodell in Verfassungsrang erhebt und das heißt, wenn zB der Europäische Gewerkschaftsbund bei seinem Aufruf damals für die Demonstrationen 19. März in Brüssel auf der Seite 2 eine Reihe Argumente gehabt hat, warum der EGB natürlich für diese EU-Verfassung ist, dann muss man sich schon fragen, das wird der Neoliberalismus hineingeschrieben, nicht einmal keynesianisch ist das. Wie kann man als Gewerkschafter dafür sein.

Das heißt aber auch, demnach über all diesen Fragen steht aber die Gretchenfrage an Gewerkschaftsfunktionärinnen und Gewerkschaftsfunktionäre, ist die GPA und auch der ÖGB bereit, sich von staatstragenden Machteliten so weit zu distanzieren oder zumindest ein so distanziertes Verhältnis zu diesen Machteliten einzugehen, dass sie die Gewerkschaften praktisch zur großen außerparlamentarischen Opposition werden. Ich denke, dass wäre die Kraft und die Stärke, die große außerparlamentarische Opposition in Verbindung mit den neuen sozialen Bewegungen. Ich hab euch jetzt strapaziert, ich weiß aber ich bin es an sich nicht gewohnt, dass bei Konferenzen keine Diskussionen stattfinden und daher habe ich mich zu Wort gemeldet. Danke.

- Applaus -

Diskussionsbeitrag beim ao Bundesforum der GPA am 26. April 2005. Quelle: Wortprotokoll, außerordentliches Bundesforum der GPA 2005