Eine kämpferische Gewerkschaftspolitik gegen eine Supermacht EU
- Samstag, 19. März 2005 @ 18:30
Von Karin Antlanger
Juristin und Sozialpädagogin
BRV EXIT-sozial Linz
GLB-Bundesvorsitzende
Unsere heutige Demonstration findet vor dem Hintergrund einer rapiden Auseinanderentwicklung der Gesellschaft in eine kleine Gruppe der Reichen und Superreichen auf der einen und einer zunehmenden Verarmung breiter Teile der Bevölkerung auf der anderen Seite statt. Das neoliberale Credo, das uns Wirtschaft, Politik, Medien und überbezahlte Experten tagtäglich weismachen wollen, lautet in letzter Konsequenz: Alle sozialen Werte sollen zugunsten des „freien Wettbewerbs" und damit zugunsten des Profits hintangestellt und letztendlich aufgegeben werden.
In dieser Woche wurden wir täglich mit Meldungen über Rekordgewinne konfrontiert: Erste Bank, Estag, Semperit, Lenzing, OMV, Telekom um nur einige Konzerne zu nennen. Dass sie davon zunehmend keine Steuern mehr zahlen, wird wohlweislich verschwiegen.
Dafür klagt der Handel über die Kaufkraftverweigerung der Bevölkerung – ganz so als ob wir aus purer Bosheit nichts kaufen würden und nicht etwa weil die realen Einkommen seit Jahren rückläufig sind.
Das neoliberale Projekt EU agiert immer deutlicher als Umverteilungsmaschine, welche die Reichen reicher und die Armen ärmer macht mittels Lohndumping, Sozialdumping und Steuerdumping.
Und es wäre zu einfach dies nur an der schwarzblauen Regierung festzumachen. Fakt ist, dass bereits 1994 der damalige Finanzminister Lacina die Vermögenssteuer abgeschafft und die steuerschonenden Privatstiftungen eingeführt hat.
Österreich ist heute ein Steuerparadies für Kapital und Vermögen und wird als solches sogar vom deutschen Sozialdemokraten Rürup seinem Kanzler Schröder als Modell angepriesen. Auch die europäische Sozialdemokratie ist vollends auf den neoliberalen Zug aufgesprungen.
Mit dem Lissabon-Abkommen will die EU bis 2010 die USA als wirtschaftsstärkste Macht überholen. Die Frage ist, wozu ein solches Ziel gut sein soll? Aus unserer Sicht muss es doch um ganz andere Werte gehen.
Aber soziale Ansprüche sind nicht das Ziel des „Europas der Konzerne". Das zeigt sich klar und deutlich in der vorliegenden EU-Verfassung, die im Kern neoliberal und militaristisch und daher abzulehnen ist.
Wir wollen nicht, dass die EU als eine mit den USA gleichwertige Supermacht global um Einflussbereiche und Absatzmärkte kämpft und damit die Kriegsgefahr immer größer wird. Wir wissen, dass der Aufrüstungszwang durch die EU-Verfassung auf Kosten sozialer Ansprüche geht und sich damit gegen die elementaren Lebensinteressen von uns allen richtet.
Laut EU-Kommission geht es jetzt um die Vollendung des Binnenmarktes: Mit der Arbeitszeitrichtlinie sollen Überstundenzuschläge abgeschafft und damit die Löhne gesenkt werden. Da bleibt es egal, ob dies per Gesetz oder per KV geschieht, was der ÖGB als Erfolg preist.
Die Alternative dazu kann nur heißen: Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich, wie sie vom ÖGB bei vielen Bundeskongressen beschlossen wurde. (Papier ist geduldig – wir brauchen hingegen mehr Ungeduld u. Widerstand der Gewerkschaftsmitglieder)
Mit der Dienstleistungsrichtlinie will die EU-Kommission im Interesse der Konzerne das Herkunftslandprinzip und das Entgeltprinzip durchboxen. Das bedeutet im Klartext Lohndumping ohne Ende und das Aus für öffentliche Dienste.
Während auch sozialdemokratischen Regierungen, vor allem in den neuen Mitgliederstaaten, dieses Dumping befürworten, hat der Einspruch des konservativ regierten Frankreich eine Überarbeitung erzwungen. Wir wollen aber keine Modifizierung, sondern sagen klar: Weg mit dieser Richtlinie!
Ausgewählte FunktionärInnen des ÖGB machen heute quasi einen Betriebsausflug nach Brüssel um dort gegen die Dienstleistungsrichtlinie zu demonstrieren. Das wäre ja grundsätzlich positiv, wenn nicht gleichzeitig der Europäische Gewerkschaftsbund in Brüssel ein Hohelied auf die angeblichen Vorzüge der EU-Verfassung singen würde. Warum hat der ÖGB nicht für die heutige Demo hier in Wien mobilisiert?
Es ist auffällig, wie die ÖGB-Spitze versucht, jeden Zusammenhang zwischen Dienstleistungsrichtlinie und EU-Verfassung zu verleugnen. Ganz so als ob nicht die elementaren Grundlagen der Liberalisierung und Deregulierung, nämlich die vier Grundfreiheiten, das Bekenntnis zur neoliberalen Wirtschaftsordnung und der Monetarismus, die Säulen dieser Verfassung wären.
Ende Oktober 2004 hat ÖGB-Präsident Verzetnitsch richtigerweise festgestellt, dass die EU-Verfassung den Forderungen der Gewerkschaften in Richtung einer Sozialunion nicht entspricht und die Neutralität in Frage stellt.
Und er hat dies konsequenterweise mit der Forderung nach einer Volksabstimmung verbunden. Allerdings hat man dann von Verzetnitsch nichts mehr gehört, auf Forderungen, er solle im Parlament für eine Volksabstimmung aktiv werden, reagierte er mit Schweigen.
Wie es mit der Demokratie in diesem Lande bestellt ist, wurde uns am 2. März demonstriert, als im Parlament alle vier Parteien einstimmig das Bundesgesetz über die Ratifizierung der EU-Verfassung beschlossen und eine Volksabstimmung darüber strikt ablehnten.
Dazu gab es Begründungen wie jene des Abgeordneten Caspar Einem, der meinte, es würde die Menschen überfordern über ein 300 Seiten-Papier abzustimmen, dafür hätten sie ihre Abgeordneten gewählt, welche diese Entscheidung übernehmen. Im Jahre 1994 hat man den ÖsterreicherInnen aber durchaus zugemutet, über den Beitrittsvertrag abzustimmen – und dieser hat mehrere tausend Seiten.
Die Lage wird für die Lohnabhängigen und Arbeitslosen immer erdrückender: Eine entschlossene Gegenwehr gegen die Politik des neoliberalen Wahnsinns daher immer dringlicher.
Was wir dazu brauchen sind vor allem auch Gewerkschaften, die sich dem entgegenstellen und sich nicht der verlogenen Standortlogik des „Sozialpartners" von der Unternehmerseite unterordnen.
Dies wurde nämlich schon viel zu lange praktiziert, mit nachhaltigem Schaden für ArbeiterInnen, Angestellte und PensionistInnen. Ich sehe die heutige Demo daher auch und vor allem als Signal für die Notwendigkeit einer kämpferischen Gewerkschaftspolitik.
Für ein anderes Österreich in einem anderen Europa! Gegen Neoliberalismus und Krieg!
Rede von Karin Antlanger (BRV EXIT-sozial Linz und GLB-Landesvorsitzende OÖ) bei der Kundgebung „Nein zum Neoliberalismus und Krieg!" am 19. März 2005 in Wien
Juristin und Sozialpädagogin
BRV EXIT-sozial Linz
GLB-Bundesvorsitzende
Unsere heutige Demonstration findet vor dem Hintergrund einer rapiden Auseinanderentwicklung der Gesellschaft in eine kleine Gruppe der Reichen und Superreichen auf der einen und einer zunehmenden Verarmung breiter Teile der Bevölkerung auf der anderen Seite statt. Das neoliberale Credo, das uns Wirtschaft, Politik, Medien und überbezahlte Experten tagtäglich weismachen wollen, lautet in letzter Konsequenz: Alle sozialen Werte sollen zugunsten des „freien Wettbewerbs" und damit zugunsten des Profits hintangestellt und letztendlich aufgegeben werden.
In dieser Woche wurden wir täglich mit Meldungen über Rekordgewinne konfrontiert: Erste Bank, Estag, Semperit, Lenzing, OMV, Telekom um nur einige Konzerne zu nennen. Dass sie davon zunehmend keine Steuern mehr zahlen, wird wohlweislich verschwiegen.
Dafür klagt der Handel über die Kaufkraftverweigerung der Bevölkerung – ganz so als ob wir aus purer Bosheit nichts kaufen würden und nicht etwa weil die realen Einkommen seit Jahren rückläufig sind.
Das neoliberale Projekt EU agiert immer deutlicher als Umverteilungsmaschine, welche die Reichen reicher und die Armen ärmer macht mittels Lohndumping, Sozialdumping und Steuerdumping.
Und es wäre zu einfach dies nur an der schwarzblauen Regierung festzumachen. Fakt ist, dass bereits 1994 der damalige Finanzminister Lacina die Vermögenssteuer abgeschafft und die steuerschonenden Privatstiftungen eingeführt hat.
Österreich ist heute ein Steuerparadies für Kapital und Vermögen und wird als solches sogar vom deutschen Sozialdemokraten Rürup seinem Kanzler Schröder als Modell angepriesen. Auch die europäische Sozialdemokratie ist vollends auf den neoliberalen Zug aufgesprungen.
Mit dem Lissabon-Abkommen will die EU bis 2010 die USA als wirtschaftsstärkste Macht überholen. Die Frage ist, wozu ein solches Ziel gut sein soll? Aus unserer Sicht muss es doch um ganz andere Werte gehen.
Aber soziale Ansprüche sind nicht das Ziel des „Europas der Konzerne". Das zeigt sich klar und deutlich in der vorliegenden EU-Verfassung, die im Kern neoliberal und militaristisch und daher abzulehnen ist.
Wir wollen nicht, dass die EU als eine mit den USA gleichwertige Supermacht global um Einflussbereiche und Absatzmärkte kämpft und damit die Kriegsgefahr immer größer wird. Wir wissen, dass der Aufrüstungszwang durch die EU-Verfassung auf Kosten sozialer Ansprüche geht und sich damit gegen die elementaren Lebensinteressen von uns allen richtet.
Laut EU-Kommission geht es jetzt um die Vollendung des Binnenmarktes: Mit der Arbeitszeitrichtlinie sollen Überstundenzuschläge abgeschafft und damit die Löhne gesenkt werden. Da bleibt es egal, ob dies per Gesetz oder per KV geschieht, was der ÖGB als Erfolg preist.
Die Alternative dazu kann nur heißen: Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich, wie sie vom ÖGB bei vielen Bundeskongressen beschlossen wurde. (Papier ist geduldig – wir brauchen hingegen mehr Ungeduld u. Widerstand der Gewerkschaftsmitglieder)
Mit der Dienstleistungsrichtlinie will die EU-Kommission im Interesse der Konzerne das Herkunftslandprinzip und das Entgeltprinzip durchboxen. Das bedeutet im Klartext Lohndumping ohne Ende und das Aus für öffentliche Dienste.
Während auch sozialdemokratischen Regierungen, vor allem in den neuen Mitgliederstaaten, dieses Dumping befürworten, hat der Einspruch des konservativ regierten Frankreich eine Überarbeitung erzwungen. Wir wollen aber keine Modifizierung, sondern sagen klar: Weg mit dieser Richtlinie!
Ausgewählte FunktionärInnen des ÖGB machen heute quasi einen Betriebsausflug nach Brüssel um dort gegen die Dienstleistungsrichtlinie zu demonstrieren. Das wäre ja grundsätzlich positiv, wenn nicht gleichzeitig der Europäische Gewerkschaftsbund in Brüssel ein Hohelied auf die angeblichen Vorzüge der EU-Verfassung singen würde. Warum hat der ÖGB nicht für die heutige Demo hier in Wien mobilisiert?
Es ist auffällig, wie die ÖGB-Spitze versucht, jeden Zusammenhang zwischen Dienstleistungsrichtlinie und EU-Verfassung zu verleugnen. Ganz so als ob nicht die elementaren Grundlagen der Liberalisierung und Deregulierung, nämlich die vier Grundfreiheiten, das Bekenntnis zur neoliberalen Wirtschaftsordnung und der Monetarismus, die Säulen dieser Verfassung wären.
Ende Oktober 2004 hat ÖGB-Präsident Verzetnitsch richtigerweise festgestellt, dass die EU-Verfassung den Forderungen der Gewerkschaften in Richtung einer Sozialunion nicht entspricht und die Neutralität in Frage stellt.
Und er hat dies konsequenterweise mit der Forderung nach einer Volksabstimmung verbunden. Allerdings hat man dann von Verzetnitsch nichts mehr gehört, auf Forderungen, er solle im Parlament für eine Volksabstimmung aktiv werden, reagierte er mit Schweigen.
Wie es mit der Demokratie in diesem Lande bestellt ist, wurde uns am 2. März demonstriert, als im Parlament alle vier Parteien einstimmig das Bundesgesetz über die Ratifizierung der EU-Verfassung beschlossen und eine Volksabstimmung darüber strikt ablehnten.
Dazu gab es Begründungen wie jene des Abgeordneten Caspar Einem, der meinte, es würde die Menschen überfordern über ein 300 Seiten-Papier abzustimmen, dafür hätten sie ihre Abgeordneten gewählt, welche diese Entscheidung übernehmen. Im Jahre 1994 hat man den ÖsterreicherInnen aber durchaus zugemutet, über den Beitrittsvertrag abzustimmen – und dieser hat mehrere tausend Seiten.
Die Lage wird für die Lohnabhängigen und Arbeitslosen immer erdrückender: Eine entschlossene Gegenwehr gegen die Politik des neoliberalen Wahnsinns daher immer dringlicher.
Was wir dazu brauchen sind vor allem auch Gewerkschaften, die sich dem entgegenstellen und sich nicht der verlogenen Standortlogik des „Sozialpartners" von der Unternehmerseite unterordnen.
Dies wurde nämlich schon viel zu lange praktiziert, mit nachhaltigem Schaden für ArbeiterInnen, Angestellte und PensionistInnen. Ich sehe die heutige Demo daher auch und vor allem als Signal für die Notwendigkeit einer kämpferischen Gewerkschaftspolitik.
Für ein anderes Österreich in einem anderen Europa! Gegen Neoliberalismus und Krieg!
Rede von Karin Antlanger (BRV EXIT-sozial Linz und GLB-Landesvorsitzende OÖ) bei der Kundgebung „Nein zum Neoliberalismus und Krieg!" am 19. März 2005 in Wien