Das Ende der öffentlichen Dienste?
- Samstag, 1. Januar 2005 @ 18:28
Von Karin Antlanger
Juristin und Sozialpädagogin
BRV EXIT-sozial Linz
GLB-Bundesvorsitzende
Dienstleistungsliberalisierung und EU-Verfassung
Vom vormaligen EU-Kommissar Frits Bolkestein wurde im Februar 2004 die EU-Richtlinie KOMM 2004(2) zur Liberalisierung von Dienstleistungen vorgelegt. Der Entwurf dieser auch als „Bolkestein-Direktive“ bekannt gewordenen Richtlinie stellt das bisher umfassendste Liberalisierungsvorhaben der EU dar. Sämtliche Dienstleistungen einschließlich weiter Bereiche der Grundversorgung sind davon betroffen, eine Unterscheidung zwischen privat erbrachten und öffentlichen Dienstleistungen gibt es darin nicht. Der Kommissionsvorschlag greift tief in die Kompetenzen von Bund, Ländern und Gemeinden ein. Die Kommission will für weite Bereiche des öffentlichen Sektors Fakten schaffen, während die mit dem Grünbuch und dem Weißbuch über „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ begonnene Debatte über die Zukunft der Daseinsvorsorge noch längst nicht abgeschlossen ist.
Die zwei Eckpunkte der Richtlinie sind das Herkunftslandprinzip und das Entgeltprinzip. Ersteres öffnet einem hemmungslosen Dumping bei den Standards für Arbeit, Soziales und Umwelt Tür und Tor, zweiteres unterwirft alle bislang geschützten Bereiche am sog. Non-Profit-Sektor den Kriterien von Preis und Profit.
Auf EU-Ebene lehnten Frankreich und Deutschland, in Österreich ÖGB, Arbeiterkammer, Armutskonferenz und KPÖ die Richtlinie ab. Bei der Behandlung im zuständigen Unterausschuss des Nationalrates im November 2004 wurde aber auch deutlich, dass SPÖ und Grünen die Richtlinie nicht grundsätzlich in Frage stellen, sondern eine „schrittweise Harmonisierung“ im Einklang mit der „Lissabon-Strategie“ der EU forcieren.
Angesichts des EU-weiten Widerstandes startete die Kommission ein Verwirrspiel: „Zurück an den Start“ hieß es Anfang Februar 2005. Dann wurde dies dementiert, aber eine Überarbeitung eingeräumt. Die EU-Kommission will von ihrem Vorhaben, alle Dienstleistungen dem Markt zu unterwerfen, nicht abrücken. Das liegt schließlich schon in der Traditionslinie aller bisherigen Liberalisierungsrichtlinien.
Die Richtlinie kann aber nicht losgelöst von der EU-Verfassung gesehen werden, die im Juni 2004 beim EU-Gipfel in Brüssel akkordiert, im Oktober 2004 in Rom unterzeichnet und nach Billigung durch Volksabstimmungen oder die nationalen Parlamente 2009 in Kraft treten soll. Diese Verfassung stützt sich auf die drei Säulen Militarisierung, Neoliberalismus und Hierarchisierung als Basis für die Entwicklung zu einer mit den USA auf Augenhöhe agierenden Supermacht.
Ebenso einmalig wie die Festschreibung des Zwanges zur Aufrüstung in einer Verfassung ist auch die Verankerung des neoliberalen Wirtschaftsmodells. Die EU-Mitgliedstaaten werden durch diese Verfassung verpflichtet, eine Wirtschaftspolitik zu verfolgen, die „dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist“.
In der vom Konvent bis 2003 ausgearbeiteten und per Intervention durch Deutschland und Frankreich „angereicherten“ EU-Verfassung sind die vier Grundfreiheiten des Maastricht-Vertrages von 1991 (Warenverkehr, Güterverkehr, Personenverkehr, Dienstleistungsverkehr) sowie der Binnenmarkt und damit die umfassende Mobilität für die Interessen das Kapitals ebenso verankert wie die Europäische Zentralbank (EZB) als einer von jeglichen Weisungen der Politik unabhängigen und damit nur auf Zurufe der Konzerne agierenden Institution. Während es für die Budgetpolitik konkrete Auflagen in Form der Maastricht-Kriterien gibt, sind für die Sozialpolitik nur unverbindliche Absichtserklärungen enthalten.
Dies sind wesentliche Druckmittel für die Gebietskörperschaften die öffentlichen Dienstleistungen sukzessive nach Marktkriterien zu gestalten, wollen sie die von den Maastricht-Kriterien und dem Euro-Stabilitätspakt geforderten Budgetauflagen erfüllen. Das beginnt mit einer marktkonformen Tarifgestaltung – sprich massiven Tariferhöhungen – setzt sich über Ausgliederungen und gemischte Eigentumsverhältnisse – Stichwort PPP – fort und endet letztlich bei der völligen Privatisierung bislang öffentlicher Dienstleistungen.
Ausgehebelt werden durch die EU-Verfassung die Vetomöglichkeit und Mitbestimmung der nationalen Parlamente. Bereits der Nizza-Vertrag hat das Einstimmigkeitsprinzip im Ministerrat beim Abschluss von Handelsverträgen aufgebrochen, die Kommission führt die Verhandlungen – etwa über GATS – im Auftrag der EU-Mitgliedstaaten. Die Abstimmung erfolgt im so genannten 133er-Ausschuss.
Mit der EU-Verfassung entscheidet auch über so sensible Bereiche wie Soziales, Bildung und Gesundheit der Ministerrat nur noch mit qualifizierter Mehrheit, also ohne Vetomöglichkeit. Allerdings muss das EU-Parlament den Handelsabkommen zustimmen. Ein Widerstand des EU-Parlaments ist nicht zu erwarten – die tausenden Konzernlobbyisten sorgen schon für die notwendigen Mehrheiten. Gewerkschaften, Konsumentenschutzorganisationen oder Umweltgruppen können zwar nationale Parlamente beeinflussen, in Brüssel rangieren sie unter ferner liefen.
Die Hindernisse für den Ausverkauf der Daseinsvorsorge (Bildung, Gesundheit, Pensionen, Grundsicherung, Wasserversorgung…) werden damit aus dem Weg geräumt. Bezeichnenderweise wird in der Grundrechtscharta der EU-Verfassung das Recht auf unentgeltliche Bildung ausdrücklich auf den Pflichtschulbereich beschränkt. Bislang konnten der Zwang zur Einstimmigkeit und die Ratifizierung durch die nationalen Parlamente den Liberalisierungsdruck der EU-Kommission noch zähmen. Mit der Verfassung gibt es keine Bremse mehr. Die „Bolkestein-Direktive“ ist bereits ein Vorgriff darauf.
Durch diese Entwicklung droht sogar das angesichts massiver Widerstände vorläufig ausgesetzte Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) mit dem Ziel einer weitestgehenden Liberalisierung des weltweiten Handels mit Dienstleistungen klammheimlich in der EU-Verfassung verankert zu werden. Laut Attac-Stuttgart ist „die Überlegung, dass die EU demnächst wie in einem Teppichbasar über die Liberalisierung von öffentlichen Dienstleistungen … verhandelt, nicht von der Hand zu weisen“.
Die EU-Kommission agierte schon bislang als Speerspitze der EU-Konzerne bei der Deregulierung des internationalen Handels. So forderte etwa die EU im Zuge der GATS-Verhandlungen 72 der 109 Staaten auf, ihre Trinkwasserversorgung zu liberalisieren. Die Liberalisierung der Wasserversorgung wäre ein Dammbruch, der bisher noch nicht einmal innerhalb der EU erfolgt ist. Auf der Basis der EU-Verfassung könnte das allerdings rasch passieren. Selbst wenn GATS scheitert, hätte die EU-Kommission mit der EU-Verfassung das Mittel in der Hand, das GATS-Regime im EU-Binnenmarkt durchzupeitschen.
Laut dem im Juni 2003 von der Kommission vorgelegten „Grünbuch über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ sollen nun nicht mehr einzelne Dienste liberalisiert werden, sondern die öffentlichen Leistungen insgesamt verschwinden. „Der Staat soll nur mehr die Verantwortung für öffentliche Dienste tragen, darf sie aber nicht mehr selbst bereit stellen, sondern muss bei Privaten bestellen“ kommentierte die Europäische Transportarbeiter-Vereinigung (ETF) diese Entwicklung. Mit der „Bolkestein-Direktive“ setzte die EU-Kommission diesem Kurs die Krone auf.
Als Resümee liegt auf der Hand, dass die Kritik an der Richtlinie zur Liberalisierung von Dienstleistungen nicht von der Auseinandersetzung mit der EU-Verfassung zu trennen ist. Bezeichnenderweise vermeiden ÖGB, AK, SPÖ und Grüne in ihrer Kritik an der Dienstleistungsrichtlinie jeden Zusammenhang mit der Verfassung.
Bislang erfolgte kaum eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Verfassung. Regierung und Parlament orientieren mit einem „nationalen Schulterschluss“ darauf, die EU-Verfassung lediglich durch den Nationalrat zu legitimieren und wollen damit unangenehme Fragen zum Inhalt umschiffen. Umso wichtiger ist die Forderung nach einer Volksabstimmung – wie sie in elf der 25 EU-Länder durchgeführt wird – auch in Österreich. ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch forderte Ende Oktober 2004 im Zusammenhang mit einer Kritik an der Verfassung („keine Sozialunion, Gefährdung der Neutralität“) eine Volksabstimmung darüber. Gerade im Gewerkschaftsbereich kann dies zum Anlass für Aktivitäten genommen werden, dass den Worten auch Taten folgen.
Mit einer Volksabstimmung verbunden ist zwangsläufig auch eine breite öffentliche Debatte über die Kernpunkte der Verfassung und damit natürlich auch deren Bedeutung für die Liberalisierung und damit Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen.
Juristin und Sozialpädagogin
BRV EXIT-sozial Linz
GLB-Bundesvorsitzende
Dienstleistungsliberalisierung und EU-Verfassung
Vom vormaligen EU-Kommissar Frits Bolkestein wurde im Februar 2004 die EU-Richtlinie KOMM 2004(2) zur Liberalisierung von Dienstleistungen vorgelegt. Der Entwurf dieser auch als „Bolkestein-Direktive“ bekannt gewordenen Richtlinie stellt das bisher umfassendste Liberalisierungsvorhaben der EU dar. Sämtliche Dienstleistungen einschließlich weiter Bereiche der Grundversorgung sind davon betroffen, eine Unterscheidung zwischen privat erbrachten und öffentlichen Dienstleistungen gibt es darin nicht. Der Kommissionsvorschlag greift tief in die Kompetenzen von Bund, Ländern und Gemeinden ein. Die Kommission will für weite Bereiche des öffentlichen Sektors Fakten schaffen, während die mit dem Grünbuch und dem Weißbuch über „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ begonnene Debatte über die Zukunft der Daseinsvorsorge noch längst nicht abgeschlossen ist.
Die zwei Eckpunkte der Richtlinie sind das Herkunftslandprinzip und das Entgeltprinzip. Ersteres öffnet einem hemmungslosen Dumping bei den Standards für Arbeit, Soziales und Umwelt Tür und Tor, zweiteres unterwirft alle bislang geschützten Bereiche am sog. Non-Profit-Sektor den Kriterien von Preis und Profit.
Auf EU-Ebene lehnten Frankreich und Deutschland, in Österreich ÖGB, Arbeiterkammer, Armutskonferenz und KPÖ die Richtlinie ab. Bei der Behandlung im zuständigen Unterausschuss des Nationalrates im November 2004 wurde aber auch deutlich, dass SPÖ und Grünen die Richtlinie nicht grundsätzlich in Frage stellen, sondern eine „schrittweise Harmonisierung“ im Einklang mit der „Lissabon-Strategie“ der EU forcieren.
Angesichts des EU-weiten Widerstandes startete die Kommission ein Verwirrspiel: „Zurück an den Start“ hieß es Anfang Februar 2005. Dann wurde dies dementiert, aber eine Überarbeitung eingeräumt. Die EU-Kommission will von ihrem Vorhaben, alle Dienstleistungen dem Markt zu unterwerfen, nicht abrücken. Das liegt schließlich schon in der Traditionslinie aller bisherigen Liberalisierungsrichtlinien.
Die Richtlinie kann aber nicht losgelöst von der EU-Verfassung gesehen werden, die im Juni 2004 beim EU-Gipfel in Brüssel akkordiert, im Oktober 2004 in Rom unterzeichnet und nach Billigung durch Volksabstimmungen oder die nationalen Parlamente 2009 in Kraft treten soll. Diese Verfassung stützt sich auf die drei Säulen Militarisierung, Neoliberalismus und Hierarchisierung als Basis für die Entwicklung zu einer mit den USA auf Augenhöhe agierenden Supermacht.
Ebenso einmalig wie die Festschreibung des Zwanges zur Aufrüstung in einer Verfassung ist auch die Verankerung des neoliberalen Wirtschaftsmodells. Die EU-Mitgliedstaaten werden durch diese Verfassung verpflichtet, eine Wirtschaftspolitik zu verfolgen, die „dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist“.
In der vom Konvent bis 2003 ausgearbeiteten und per Intervention durch Deutschland und Frankreich „angereicherten“ EU-Verfassung sind die vier Grundfreiheiten des Maastricht-Vertrages von 1991 (Warenverkehr, Güterverkehr, Personenverkehr, Dienstleistungsverkehr) sowie der Binnenmarkt und damit die umfassende Mobilität für die Interessen das Kapitals ebenso verankert wie die Europäische Zentralbank (EZB) als einer von jeglichen Weisungen der Politik unabhängigen und damit nur auf Zurufe der Konzerne agierenden Institution. Während es für die Budgetpolitik konkrete Auflagen in Form der Maastricht-Kriterien gibt, sind für die Sozialpolitik nur unverbindliche Absichtserklärungen enthalten.
Dies sind wesentliche Druckmittel für die Gebietskörperschaften die öffentlichen Dienstleistungen sukzessive nach Marktkriterien zu gestalten, wollen sie die von den Maastricht-Kriterien und dem Euro-Stabilitätspakt geforderten Budgetauflagen erfüllen. Das beginnt mit einer marktkonformen Tarifgestaltung – sprich massiven Tariferhöhungen – setzt sich über Ausgliederungen und gemischte Eigentumsverhältnisse – Stichwort PPP – fort und endet letztlich bei der völligen Privatisierung bislang öffentlicher Dienstleistungen.
Ausgehebelt werden durch die EU-Verfassung die Vetomöglichkeit und Mitbestimmung der nationalen Parlamente. Bereits der Nizza-Vertrag hat das Einstimmigkeitsprinzip im Ministerrat beim Abschluss von Handelsverträgen aufgebrochen, die Kommission führt die Verhandlungen – etwa über GATS – im Auftrag der EU-Mitgliedstaaten. Die Abstimmung erfolgt im so genannten 133er-Ausschuss.
Mit der EU-Verfassung entscheidet auch über so sensible Bereiche wie Soziales, Bildung und Gesundheit der Ministerrat nur noch mit qualifizierter Mehrheit, also ohne Vetomöglichkeit. Allerdings muss das EU-Parlament den Handelsabkommen zustimmen. Ein Widerstand des EU-Parlaments ist nicht zu erwarten – die tausenden Konzernlobbyisten sorgen schon für die notwendigen Mehrheiten. Gewerkschaften, Konsumentenschutzorganisationen oder Umweltgruppen können zwar nationale Parlamente beeinflussen, in Brüssel rangieren sie unter ferner liefen.
Die Hindernisse für den Ausverkauf der Daseinsvorsorge (Bildung, Gesundheit, Pensionen, Grundsicherung, Wasserversorgung…) werden damit aus dem Weg geräumt. Bezeichnenderweise wird in der Grundrechtscharta der EU-Verfassung das Recht auf unentgeltliche Bildung ausdrücklich auf den Pflichtschulbereich beschränkt. Bislang konnten der Zwang zur Einstimmigkeit und die Ratifizierung durch die nationalen Parlamente den Liberalisierungsdruck der EU-Kommission noch zähmen. Mit der Verfassung gibt es keine Bremse mehr. Die „Bolkestein-Direktive“ ist bereits ein Vorgriff darauf.
Durch diese Entwicklung droht sogar das angesichts massiver Widerstände vorläufig ausgesetzte Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) mit dem Ziel einer weitestgehenden Liberalisierung des weltweiten Handels mit Dienstleistungen klammheimlich in der EU-Verfassung verankert zu werden. Laut Attac-Stuttgart ist „die Überlegung, dass die EU demnächst wie in einem Teppichbasar über die Liberalisierung von öffentlichen Dienstleistungen … verhandelt, nicht von der Hand zu weisen“.
Die EU-Kommission agierte schon bislang als Speerspitze der EU-Konzerne bei der Deregulierung des internationalen Handels. So forderte etwa die EU im Zuge der GATS-Verhandlungen 72 der 109 Staaten auf, ihre Trinkwasserversorgung zu liberalisieren. Die Liberalisierung der Wasserversorgung wäre ein Dammbruch, der bisher noch nicht einmal innerhalb der EU erfolgt ist. Auf der Basis der EU-Verfassung könnte das allerdings rasch passieren. Selbst wenn GATS scheitert, hätte die EU-Kommission mit der EU-Verfassung das Mittel in der Hand, das GATS-Regime im EU-Binnenmarkt durchzupeitschen.
Laut dem im Juni 2003 von der Kommission vorgelegten „Grünbuch über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ sollen nun nicht mehr einzelne Dienste liberalisiert werden, sondern die öffentlichen Leistungen insgesamt verschwinden. „Der Staat soll nur mehr die Verantwortung für öffentliche Dienste tragen, darf sie aber nicht mehr selbst bereit stellen, sondern muss bei Privaten bestellen“ kommentierte die Europäische Transportarbeiter-Vereinigung (ETF) diese Entwicklung. Mit der „Bolkestein-Direktive“ setzte die EU-Kommission diesem Kurs die Krone auf.
Als Resümee liegt auf der Hand, dass die Kritik an der Richtlinie zur Liberalisierung von Dienstleistungen nicht von der Auseinandersetzung mit der EU-Verfassung zu trennen ist. Bezeichnenderweise vermeiden ÖGB, AK, SPÖ und Grüne in ihrer Kritik an der Dienstleistungsrichtlinie jeden Zusammenhang mit der Verfassung.
Bislang erfolgte kaum eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Verfassung. Regierung und Parlament orientieren mit einem „nationalen Schulterschluss“ darauf, die EU-Verfassung lediglich durch den Nationalrat zu legitimieren und wollen damit unangenehme Fragen zum Inhalt umschiffen. Umso wichtiger ist die Forderung nach einer Volksabstimmung – wie sie in elf der 25 EU-Länder durchgeführt wird – auch in Österreich. ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch forderte Ende Oktober 2004 im Zusammenhang mit einer Kritik an der Verfassung („keine Sozialunion, Gefährdung der Neutralität“) eine Volksabstimmung darüber. Gerade im Gewerkschaftsbereich kann dies zum Anlass für Aktivitäten genommen werden, dass den Worten auch Taten folgen.
Mit einer Volksabstimmung verbunden ist zwangsläufig auch eine breite öffentliche Debatte über die Kernpunkte der Verfassung und damit natürlich auch deren Bedeutung für die Liberalisierung und damit Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen.