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Beschäftigungspolitische Vorschläge des GLB-Tirol

  • Freitag, 1. Juli 2005 @ 18:14
Tirol 1. Vorschlag: Arbeitszeitverkürzung: Die sofortige generelle Einführung der 35 Stundenwoche bei vollem Lohn als ersten Schritt für eine radikale Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden. Die Arbeiter und Angestellten haben in Österreich bereits massive Vorleistungen für eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit erbracht: Die Produktivitätssteigerungen der letzen Jahre sind faktisch nicht abgegolten worden. Seit 1995 ist die Produktivität in der Industrie ständig gestiegen, gleichzeitig sanken die oder stagnierten die Reallöhne. Die Ausweitung prekärerer Arbeits- und Teilzeitverhältnisse insbesondere für Frauen haben eine höhere Verfügbarkeit der Arbeitskraft erzielt, die nicht mehr vollständig abgegolten wird und überdies zur Nichtinanspruchnahme von geregelten Freizeiten führt. Die Normalarbeitszeit i durch Reduzierung der durchschnittlichen Krankenstände um zwei Tage pro Beschäftigten, daher um insgesamt 6 Mio. Arbeitstage pro Jahr gestiegen.

Der technische Fortschritt ermöglicht und erfordert die Verminderung der Lebensarbeitszeit. Die letzte Pensions"reform" zielt aber auf das genaue Gegenteil. Sie ist daher nicht nur sozial ungerecht sondern sie muss auch aus beschäftigungspolitischen Gründen zurückgenommen werden. Daher rn das gesetzliche Pensionsanfallsalter auf 60 Jahre für alle zu senken.

2. Vorschlag: Das Recht auf ein lebenslanges Lernen und ständige Weiterqualifikation

Das kann u.a. durch das Recht auf Bildungskarenz verwirklicht werden. Als ersten Schritt muß die seit 1.1. 98 eingeführte Möglichkeit der Inanspruchnahme von Bildungskarenz, um einigermaßen wirksam zu werden, zumindest mit einem existenzsichernden Karenzgeld ausgestattet und generell als Ersatzzeit in der Pensionsversicherung angerechnet werden. Karenzzeiten sollten auch generell in die Arbeitslosenversicherung einbezogen werden.

3. Vorschlag: Beschäftigungspolitisch wirksame Investitionen

Der Anteil der Mittel am Gesamtbudget, die der Bund für Investitionen ausgibt, ging in den letzten Jahren ständig zurück. Er lag in den 70er Jahren bei etwa 10 %, 1998 aber nur mehr bei 1,5%. Seit 1992 gibt es einen absoluten Rückgang um 15 Mrd. Der Anteil öffentlich erstellter Leistungen am Budget ist von 40% in den 80er Jahren auf 30% in den 90er Jahren zurückgefallen. Das spiegelt hauptsächlich die Ausgliederung und Privatisierung, ist aber auch mit einem tatsächlichen Rückgang gesellschaftlich erbrachter Leistungen und Investitionen verbunden.

Der Beschäftigungseffekt von öffentlichen Investitionen im Wert von 70 Mill. Euro liegt bei 1300 bis 1600 Arbeitsplätze. Eine Wiederherstellung des Investitionsniveaus von 1992 könnte also mehr 30.000 Arbeitsplätze schaffen.

4. Vorschlag: Frauenpolitische Maßnahmen

Ein Großteil des Zuwachses der Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren ging auf das Konto der Frauen. Haupthindernis für beschäftigungssuchende Frauen ist der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen. Vollzeitarbeitsplätze sind für Frauen fast keine mehr zu bekommen. Immer mehr Frauen werden sogar in prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt.

Alle Beschäftigungsverhältnisse müssen sozialversicherungspflichtig werden. Für geringfügige Beschäftigung ist das sozialversicherungspflichtige Minimum für den Unternehmerbeitrag von einer Bemessungsgrundlage von 1.000 Euro aus zu berechnen. Auch diese Karenzzeiten müssen in die Arbeitslosenversicherung einbezogen werden.

5. Vorschlag: Jugendpolitische Maßnahmen

Eine Bildung in der nicht Geschlecht, Herkunft oder sozialer Stand entscheiden, was mensch lernen wird. Freier Zugang zu sämtlichen öffentlichen Bildungseinrichtungen (Schulen, Universitäten, aber auch Museen, Ausstellungen etc.) Daher die Schaffung eines Bildungssystems, dass sich den Interessen und Bedürfnisse der Menschen und nicht die Profitgier einiger weniger Konzerne im Mittelpunkt stehen mit einer polytechnisch orientierten Gesamtschule bis mindestens 16 Jahre.

Das duale Ausbildungssystem, die Lehre, befindet sich in der Krise. Anstatt das Recht auf Berufsausbildung gesetzlich zu verankern und eine Reform des gesamten Berufsausbildungssystems durchzusetzen, hat die Regierung vor den Interessen "der Wirtschaft" kapituliert . Tausende Jugendliche keinen Lehrplatz erhalten, werden in neu kreierte "Schmalspurlehren" abgeschoben.

Daher die vollständige Integration der Berufsausbildung in das öffentliche Bildungssystems. Eine qualifizierte Ausbildung für alle in Österreich lebenden Jugendlichen ist nur über die Errichtung eines öffentlichen Berufsausbildungswesen zu erreichen. Die Berufsausbildung muss von der profitorientierten Dominanz und inhaltlichen Einengung befreit, das Bildungsangebot v.a. in allgemeinbildenden Fächern erweitert und für alle Jugendlichen frei zugänglich gemacht werden. Kurzfristig ist eine gesetzliche Ausbildungsverpflichtung für Großbetriebe zu schaffen. Nur durch das Entstehen eines Überhangs an Ausbildungsplätzen ist auch das Recht auf freie Berufswahl abzusichern. Ein öffentliches Berufsausbildungswesen würde auch neue Arbeitsplätze schaffen: zusätzliche LehrerInnen, zusätzliche AusbildnerInnen in öffentlichen Berufsausbildungsfachstätten, öffentlich beschäftigte LehrlingsausbildnerInnen, die im Rahmen von Berufsausbildungskooperationen mit Betrieben in diesen arbeiten.

6. Vorschlag: Nachfragewirksame Maßnahmen

Eine sofortige soziale Steuerreform für Klein- und Mittelverdiener könnte über eine 10%ige Senkung der Lohnsteuer unmittelbar kaufkraftwirksame Nachfrage schaffen. Die Zahl der Erwerbstätigen, die weniger als 1.000 monatlich verdienen, steigt durch steigende Teilzeitbeschäftigung. Ein Mindestlohn von 1300 Euro hätte eine starke Nachfragewirkung und so wieder positive Beschäftigungseffekte. Seit 20 Jahren sinkt der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen. Daher eine aktive und kämpferische Lohnpolitik der Gewerkschaften ein, die sicherstellt, daß die arbeitende Bevölkerung und die PensionistInnen am wachsenden gesellschaftlichen Reichtum teilhaben können.

7. Vorschlag: Maßnahmen im Bereich des Arbeitsmarktservice

Den Ausbau der aktiven und experimentiellen Arbeitsmarktpolitik insbesondere für Jugend- und Frauenprojekte. Arbeitslose müssen die Möglichkeit erhalten an allen Stufen des öffentlichen Bildungssystems teilzunehmen und dadurch einen höheren Bildungsgrad zu erwerben.

Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen beträgt nur einen Bruchteil der gemeldeten Arbeitslosen. Irgendeine Form der Zwangsverpflichtung von Arbeitslosen, d ändert daran nichts. Daher die Arbeitslosigkeit bekämpfen und nicht die Arbeitslosen dafür zu bestrafen, dass sie arbeitslos wurden.

8. Vorschlag: Schaffung eines öffentlichen Beschäftigungssektors für nicht-marktgängige Berufsarbeit

Ein öffentlicher Beschäftigungssektor darf kein "zweiter Arbeitsmarkt" in dem mit niedrigen Löhnen und unterhalb der KV-Bedingungen gearbeitet wird sein . Schon heute sind über 150.000 Menschen im sog. "non-profit"-Bereich tätig, allerdings unter zum Teil entwürdigenden und selbstausbeuterischen Verhältnissen. Die öffentliche Förderung muss deshalb an die normalen arbeitsrechtlichen und tariflichen bzw. KV-Bedingungen geknüpft sein bzw. diese absichern. So könnten demokratische Selbstorganisation, Genossenschaften, Alternativbetriebe u.a. Initiativen unterstützt werden.

9. Vorschlag: weitere wirtschaftspolitische Maßnahmen

Sofortiger Privatisierungsstop für alle öffentlichen Dienste und Dienstleistungsbetriebe (Bahn, Post, Krankenanstalten u.a.), die Schaffung eines öffentlichen Investitionsfonds zum Rückkauf ehemals verstaatlichter u.a. Betriebe, die österreichischer Kontrolle entzogen wurden, zur Sicherung strategischer Eigentümerschaften und öffentlicher Kontrolle und Mitsprache.

Eine regionale Beschäftigungsautomatik: Bei Überschreiten eines gewissen Schwellwertes der regionalen Arbeitslosenraten werden zusätzliche arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Maßnahmen ausgelöst, die durch eine Beschäftigungsabgabe aller Unternehmen finanziert werden, wie das jetzt bereits beim Insolvenz-Ausfallsgeld-Fond der Fall ist.

Forschung und Entwicklung (FuE) sind in Österreich tradtionell unterdotiert. Die jetzt versprochene "Technologiemilliarde" ist allerdings wieder z.T. nicht für FuE sondern für Exportförderungen vorgesehen. Kurzfristig sind zumindest die für Fu E vorgesehenen Mittel vor allem im Bereich der Klein und Mittelbetriebe und für Forschungsprojekte im Universitätsbereich unverkürzt einzusetzen.Es ist die lineare Kürzung der Mittel für die Universitäten um 10% rückgängig zu machen. Es darf keine Kürzung von Planstellen im gesamten Bildungswesen geben.

10. Vorschlag: Maßnahmen zur Finanzierung

Derzeit profitiert das Kapital dreifach von der Budget- und Steuerpolitik: Erstens werden Profite und Kapitalvermögen steuerlich entlastet, was hauptverantwortlich für die Verschuldung ist. Dadurch profitieren Finanzkapital, Banken und Versicherungen, die 100 Mrd. jährlich durch die Zinsen auf die Staatsschuld zusätzlich einstreifen. 85% der Staatseinnahmen, aus denen ja auch die Zinsen gezahlt werden, werden von den Arbeitern, Angestellten und Pensionisten getragen. Und drittens entzieht das Kapital durch spekulative Finanzanlagen dem produktiven Wirtschaftskreislauf immer mehr Mittel, um damit noch höhere kurzfristige Gewinne zu erzielen, wobei sich der Druck auf Beschäftigte und Arbeitslose erhöht.

Dieser ruinöse, aber für eine kleine Schicht von Kapitalmagnaten äußerst profitable Kreislauf muss durchbrochen werden. Dazu ist auch eine Steuer- und Budgetpolitik notwendig, die die Beschäftigungswirkung jeder Maßnahme an die Spitze stellt:

Anhebung der Profit- und Kapitalbesteuerung auf das Durchschnittsniveau in der EU; Zinsen, Dividenden und sonstige Kapitalerträge ab 10.000 Euro jährlich sind mit dem Spitzensteuersatz von 50% und nicht wie derzeit mit 25% zu versteuern; Rückzahlung öffentlicher Förderungen bei Abwanderung von Betrieben; die Vermögensteuer wieder einführen und der Verzicht auf Militärausgaben in den nächsten 10 Jahren.

Juli 2005