Willkommen bei GLB - Gewerkschaftlicher Linksblock (Alte Website - Archiv seit Mai 2023) 

Programm des GLB-ÖBB

  • Donnerstag, 1. Januar 2004 @ 18:13
Positionen Einleitung
Die Österreichischen Bundesbahnen haben seit einigen Jahren eine Reihe von Veränderungen durchgemacht, in deren Folge mehr als zehntausend Arbeitsplätze verlorengegangen sind. Die Bediensteten des Unternehmens sehen sich mit einer Entwicklung konfrontiert, die nicht nur durch umbruchartige Organisationsänderungen gekennzeichnet ist. Nicht zuletzt sind es auch die einschneidenden Auswirkungen auf ihre Arbeit, auf das Betriebsklima und auf ihr Ansehen in der Öffentlichkeit, die ihnen ernsthafte Sorgen bereiten. Es ist wirklich “hart” geworden, EisenbahnerIn zu sein - und die umfassenden Leistungen, die heute von den ÖBB-Bediensteten für die Volkswirtschaft und für die Gesellschaft erbracht werden, bleiben vielfach gering geschätzt.

Der Gewerkschaftliche Linksblock (GLB) in der Gewerkschaft der Eisenbahner will mit den vorliegenden Orientierungen eine gesellschaftspolitische Standortbestimmung vornehmen und in einigen Grundzügen seine gewerkschaftlichen Vorstellungen darstellen.

Diese “Grundzüge einer neuen Orientierung” sollen in den nächsten Wochen und Monaten durch ein Aktionsprogramm und einen Forderungskatalog ergänzt werden.

Hans Slamanig, Manfred Groß

Veränderungen in der Gesellschaft
Zuerst empfiehlt es sich, einen Blick auf die Veränderungen der letzten Jahre zu richten, weil die Schicksale der Bahn nicht zu trennen sind, von den Veränderungen, die in der Gesellschaft vor sich gegangen sind.

Was ist geschehen, daß eine Entwicklung, wie sie noch vor wenigen Jahren unvorstellbar gewesen wäre, heute von einer breiten Öffentlichkeit als Gegebenheit hingenommen wird ?

Verfolgt man die öffentliche Diskussion, dann stößt man auf Schlagworte wie “globaler Wettbewerb”, “Verknappung der ohnedies zu teuren Arbeit”, “kostspieliges Sozialsystem” und so weiter und so fort.

Hinter diesen irreführenden Phrasen steckt weniger der vielzitierte “Wertewandel” als vielmehr die Absicht, die Menschen zu manipulieren - sie bereit zu machen, Erscheinungen wie Arbeitslosigkeit, Lohndrückerei, verschlechterte Arbeitsbedingungen und den Abbau ihrer sozialen Errungenschaften hinzunehmen. Es wird fast schon als “gottgegeben” - als unabänderliches Schicksal - dargestellt, was die Menschen bedrückt. Ziel dieser Manipulation ist es, zu verhindern, daß Protest und Widerstand Fuß fassen !

Ungerechte Verteilung
Nicht nur bei den ÖBB, nicht nur in Österreich, ja nicht nur in Europa vollzieht sich der Prozeß, der mit “Globalisierung” umschrieben wird, und der - glaubt man den Einflüsterern der “globalisierten Wirtschaft” und ihren politischen Sprachrohren - ohne Alternative abläuft, weil das Mitvollziehen der Veränderungen geradezu eine “Zwang” darstelle.

Warum aber - so fragen viele, die nicht bereit sind, vorgefertigte Meinungen zu übernehmen - soll es an der Jahrtausendwende, an der mit modernsten technologischen Mitteln und Methoden eine noch nie dagewesene Wertschöpfung möglich geworden ist, mit den sozialen Besitzständen zu Ende gehen ?

Warum - so fragen auch wir - werden Teile der Gesellschaft ärmer, während immer mehr gesellschaftlicher Reichtum produziert und angehäuft wird ?

Österreichs Politiker rühmen sich, daß unser Land zum Club der zehn reichsten Länder der Welt aufgestiegen ist. Andererseits stellen wir fest, daß den ArbeitnehmerInnen die Teilhabe am Erfolg verweigert wird, indem sie Reallohneinbußen hinnehmen müssen, indem viele ihren Arbeitsplatz verlieren, Junge keine Arbeit bekommen und immer mehr Menschen verarmen !

Die Antwort liegt auf der Hand: Der geschaffene Reichtum wird ungleich verteilt. Oder anders ausgedrückt: Jene, die mit Kopf und Hand diesen Reichtum schaffen, nehmen einen immer geringeren Anteil daran !

Es ist das alte Lied von der Verteilungsungerechtigkeit, indem die Masse hart arbeitet, die Früchte dieser Arbeit aber vom kleinsten Teil der Gesellschaft zum größten Teil angeeignet wird.

Tatsächlich ist der Anteil der “unselbständig Beschäftigten” am Volkseinkommen in den letzten Jahren gesunken. Dieser Vorgang, den man als “sinkende Lohnquote” bezeichnet, bewirkt ein überaus großes Anwachsen der Einkünfte aus Besitz und Unternehmung. Betrachten wir aber die Steuerentwicklung, dann ist es genau umgekehrt: Während die Einnahmen des Finanzministers aus der Lohnsteuer überdurchschnittlich stark steigen, sinken (!) die Steuern aus Kapitaleinnahmen. Die Vermögenssteuer wurde sogar zur Gänze gestrichen und der Spitzensteuersatz gesenkt.

Heute sind es vielfach brutale Unternehmer, die sich über Arbeits- und Sozialrecht hinwegsetzen, Spekulanten, die nur ihr Profit interessiert, und Manager, die den Profit über alle menschlichen Gesichtspunkte stellen und dafür hohe Prämien einstreifen. Sie sind die absoluten Gewinner aus dem Verteilungsunrecht, das vom Geist des sogenannten “Neoliberalismus” geprägt ist.

Deregulierung ...
Ein schreckliches Wort macht die Runde: “Deregulierung”. Gemeint ist damit sowohl der Entfall von Regelungen arbeits- und sozialrechtlicher Natur, als auch der Regelmechanismen des Staates.

Einfacher gesagt: Bei der Deregulierung handelt es sich um darum, Arbeitsverhältnisse und Arbeitszeitvereinbarungen von den gesetzlichen und kollektivvertragsmäßigen Ebenen auf die Ebene der individuellen Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu ziehen. Die Folge davon ist ein Anwachsen von ungeschützten Arbeitsverhältnissen, wie Werkverträge, geringfügige Arbeitsverhältnisse und freie Arbeitsvereinbarungen, die nichts anderes als Tagelöhnerei sind und von denen niemand leben kann.

Auf staatlicher Ebene drückt sich die Deregulierung in erster Linie in Form der Privatisierung aus. Öffentliches Eigentum wird verscherbelt, um es für die private Profitmacherei nutzbar zu machen. Dabei entfällt freilich auch die Möglichkeit, daß öffentliche Wirtschaftsbereiche als Lenkungsinstrumente in der Beschäftigungspolitik, beim Ausbau der Infrastruktur und auf anderen wichtigen volkswirtschaftlichen und sozialen Gebieten eingesetzt werden können.

Nichts ist von der Privatisierung verschont geblieben - und was sich noch im Besitz des Staates befindet, steht zur Disposition: Was mit der verstaatlichten Industrie begonnen hat, reicht mittlerweile über die staatlichen Großbanken, den Energiesektor und kommunale und soziale Dienstleistungen bis hin zur Telekommunikation und eben auch zum Verkehr. Die Bahn soll Grundstrukturen anbieten, während sich das Privatkapital auf die profitträchtige Angebotsseite wirft.

Die bestehenden Regeln und Regulierungsinstrumente stören bei der Verwertung von Kapital - also sollen sie beseitigt werden. Die Profitmacherei soll von gesellschaftlicher Verantwortung frei gemacht werden - eine Freiheit, also “Liberalität”, die den ArbeitnehmerInnen teuer zu stehen kommt !

Ein Filz aus Wirtschaft und Politik
Klar ist aber auch, daß die Entwicklung zu Sozial- und Lohnabbau sowie zum Ausverkauf des öffentlichen Wirtschaftseigentums nicht möglich wäre, wenn die Politik nicht mitmachen würde. Und sie macht mit, weil die Interessen zwischen den Wirtschaftskapitänen und den politischen Machtträgern aufs engste verfilzt und verflochten sind.

Die Politik ist es, die den “liberalen Zeitgeist” prägt und die der Veränderung Schrittmacherdienste leistet. Man könnte Goethe zitieren, der schon zu seiner Zeit erkannt hat, daß der “Geist der Zeiten” stets der “Geist der Herrschenden” ist.

Moderner ausgedrückt: Die zeitgeistige Moral wird von jenen gemacht, welche die wirtschaftliche Macht haben, auch die Politik zu bestimmen und zu lenken.

Politik und Gewerkschaften
Politiker und politische Parteien naschen nicht nur an den Mitteln mit, die aus den Händen der arbeitenden Bevölkerung abgezweigt werden - sie versuchen auch noch, ihr Tun moralisch zu bemänteln. So hören wir tagtäglich, daß letztlich alles - von den Verschlechterungen im Arbeits- und Sozialrecht über die Kürzungen von Leistungen bis hin zu den Sparpaketen - letztlich zu unserem besten sei und daß die Politik in Verantwortung für die Zukunft handle.

Gesellschaftliche Organisationen und Interessensverbände, wie die Gewerkschaften, werden in die parteipolitische Pflicht genommen, Funktionäre zur Parteiräson gebracht oder einfach übergangen.

Wider besseren Wissens und Gewissens vollziehen sie letztlich nach, was von der Politik vorgegeben wird. Sie geben Zustimmungen, wo sie sich verweigern müßten. Widerstand - berechtigte Gegenwehr - bleibt in der Regel nur bei der Ankündigung.

Die jüngste Geschichte der ÖBB kennt viele Beispiele dafür und auch der ÖGB insgesamt übt sich mehr im Kettenrasseln als im ernsthaften Widerstand. Denken wir nur an die Sparpakete und die Pensionsreform !

Versagen der Gewerkschaftspolitik - am Beispiel EU
Ein herausragendes Beispiel für die folgenschwere Verquickung von gewerkschaftlicher Interessensvertretung und Politik ist der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union.

Der ÖGB und auch die Arbeiterkammer haben Bedingungen für den europäischen Integrationsprozeß genannt: Schutz und Ausbau der Rechte der Arbeitnehmer, Weiterentwicklung des Sozialrechts, Schutz des öffentlichen Eigentums, Beteiligung der ArbeitnehmerInnen am Wirtschaftswachstum in Form von Reallohnerhöhungen, Beibehaltung der Neutralität ...

Keine einzige dieser Bedingungen ist erfüllt worden - im Gegenteil: in allen diesen Bereichen gab es Einbrüche und Rückschläge.

Die Gewerkschaftsbewegung hat sich in den EU-Prozeß involviert, obwohl es ihre Pflicht gewesen wäre, die Rechte und Errungenschaften der ArbeitnehmerInnen Punkt für Punkt zu verteidigen.

Wandel notwendig
In dieser für alle Gewerkschaftsmitglieder und darüber hinaus alle ArbeitnehmerInnen äußerst schwierigen Situation, des offensichtlichen Versagens der Gewerkschaftspolitik der ÖGB-Führung, ruft der Gewerkschaftliche Linksblock dazu auf, einen Wandel in der Gewerkschaftspolitik herbeizuführen !

Wir kämpfen für eine Alternative im ÖGB und seinen Gewerkschaften und nicht gegen den ÖGB. Es wäre interessenspolitischer Selbstmord, die gewerkschaftlichen Organisationen zu zerschlagen und politisch zu zersplittern, wie es etwa von den Freiheitlichen versucht wird.

Haiders FPÖ versucht freilich, die interessenspolitische Suppe des Kapitals zu kochen, indem sie die Spaltung anstreben. “Divide et impere” - teile und herrsche - heißt die Devise des Großkapitalisten Jörg Haider und seines Gefolges. Das soll niemand übersehen, der mit einem ÖGB-Austritt liebäugelt, um sich auf die blaue Leimrute zu setzen.

Aufruf zur Organisierung
Aber ist es nicht ein Widerspruch, wenn der GLB einerseits ein Versagen der Gewerkschaftsführung feststellt, andererseits aber zur Organisierung in den ÖGB-Gewerkschaften aufruft ?

Mitnichten - denn zum einen dürfen wir die Fortschritte nicht übersehen, die trotz aller Sozialpartnerschaft und Parteiverquickung erreicht wurden und werden - zum anderen halten wir den Wandel zu einer echten und konsequenten Interessenspolitik für möglich, wenn die ArbeitnehmerInnen diesen Wandel wollen und bei Personalvertretungs-, Betriebsrats- und Arbeiterkammerwahlen die einzementierten Koalitionsmehrheiten zerbrechen.

Die sozialdemokratische Mehrheit wird sich einer anderen Politik im Interesse der Beschäftigten befleißigen müssen, wenn sie Druck von links bekommt und wenn die Positionen und Mitbestimmungsmöglichkeiten fortschrittlicher und regierungskritischer GewerkschafterInnen entscheidend ausgeweitet werden.

So gesehen waren die Gewinne des GLB bei den letzten Personalvertretungswahlen ein zwar kleiner, aber doch wichtiger Schritt. Dieser Weg kann aber nur weitergegangen werden, wenn sich mehr Kolleginnen und Kollegen bereit erklären, sich im Sinne einer wirkungsvollen Interessenspolitik zu engagieren.

Der GLB lädt dazu ein, unbeschadet von Weltanschauung oder Parteizugehörigkeit in seinen Reihen mitzuarbeiten. Einzige Bedingung dafür ist die Anerkennung einer einzig und allein den Interessen der Arbeitenden untergeordneten Gewerkschaftspolitik - frei von Fremd- oder Kapitalinteressen.

Grundzüge einer neuen Gewerkschaftspolitik
Wo liegen die wichtigsten Ansatzpunkte zu einem Wandel in der Gewerkschaftspolitik ? Der Gewerkschaftliche Linksblock sieht hier drei wesentliche Anforderungen:

Der Gewerkschaftsbund und seine Einzelgewerkschaften - gerade auch die GdE - müssen sich aus der sozialpartnerschaftlichen Einbindung und der Abhängigkeit von Regierungsseite freispielen. Nur wenn sie konsequent und ausschließlich die Interessen ihrer Mitglieder zum bestimmenden Element ihrer Politik machen, wird die Einsicht in die Notwendigkeit der Organisierung auch bei jüngeren Kolleginnen und Kollegen wachsen.

Die Gewerkschaften müssen sich mit dem Ziel reformieren, eine optimale Interessensvertretung zu sein und die Mitglieder aktiv in wichtige Entscheidungsprozesse einzubinden. So schlagen wir die Einführung von Urabstimmungen in Konfliktfällen mit dem Arbeitgeber und mit der Regierung vor. Es kann und darf nicht so sein, daß bedeutende Entscheidungen über die Köpfe der Betroffenen hinweg getroffen werden. Nur so können die Kolleginnen und Kollegen auch in Konflikten mobilisiert werden, was die Durchschlagskraft der Organisation erhöht.

Die Gewerkschaften müssen der Politik des Neoliberalismus und der Deregulierung die Stirn bieten, wenn sie die Errungenschaften der Beschäftigten wahren und soziale Reformen durchsetzen wollen. Dazu gehört die Forderung nach Privatisierungsstopp, nach mehr öffentlicher Investition und nach allgemeiner und voll bezahlter Arbeitszeitverkürzung ebenso wie der Kampf um Umverteilung durch aktive Lohnpolitik und soziale Steuerreform sowie Schutz und Ausbau des Sozialwesens und der Sozialversicherungen. Für uns Eisenbahner wird es wichtig sein, daß die Gewerkschaftsbewegung für eine andere Haltung des Staates zum öffentlichen Eigentum und zur Verkehrsinfrastruktur sowie für einen eindeutigen Vorrang der Schiene gegenüber der Straße kämpft.

ÖBB als Symbolfall - Ausgliederung und Reform
Mit dem Bundesbahngesetz 1993 wurden die österreichischen Bundesbahnen aus dem Bundeshaushalt ausgegliedert. Diese Reform wurde als unabdingbare Vorleistung Österreichs für den Beitritt zur europäischen Gemeinschaft erbracht. Die Trennung des Betriebes in Infrastruktur und Absatz wurde vorerst einmal rechnerisch vollzogen. Die Befürchtungen in der damals durchgeführten Diskussion haben sich, wie wir heute sehen können, mehr als bewahrheitet:

Der Übergang von einen im Bundeshaushalt geführten öffentlichen Dienstleistungsunternehmen, mit klaren volkswirtschaftlichen Aufgabenstellungen, in ein nach rein betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführtes Unternehmen, mußte zu jenen Problemen führen, mit denen wir es heute als Eisenbahner zu tun haben.

Diese Gegenreform - so muß man sie wohl oder übel bezeichnen - beschränkt sich nicht allein auf Österreich. Sie hat europäische Ausmaße. Ziele sind die weitgehende Herausnahme des Bahnwesens aus der staatlichen Regulierung und die bessere Verwertbarkeit im Sinne privater Kapitalinteressen. Diese Orientierung muß sich zwangsläufig gegen die Rechte und Interessen der Eisenbahner auswirken.

Anstatt im Hinblick auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der Bahn die Verantwortung des Staates voll aufrecht zu erhalten und den Betrieb gegen die neoliberalen Zergliederungs- und Privatisierungspläne zu schützen, überließ man die Bahn dem “freien Spiel der Kräfte”. Die Situation ist umso komplizierter und gefährlicher, als in den vergangenen Jahrzehnten notwendige Investitionen und Modernisierungen unterblieben sind und ein nicht unbeträchtlicher Schuldenberg der neuen Gesellschaft aufgeladen wurde. Anstatt eine Entschuldung, wie sie beispielsweise in der DB-AG erreicht wurde, kämpft die ÖBB mit einen Schuldenberg von heute immer noch mehr als 14 Milliarden Schilling. Die Bedienung dieser Schulden schmälert natürlich den Erfolg und engt die Spielräume bei den Investitionen ein. Gleichzeitig versucht das Management über radikalen Stellenabbau kostenseitige Entlastungen zu erzielen.

Es wird immer deutlicher, daß der Personalabbau bereits die Grenzen einer vernünftigen Betriebsplanung gesprengt hat, und daß der notwendige Investitionsbedarf von einbekannten 160 Milliarden Schilling in den nächsten Jahren angesichts des Diktates der leeren Kassen immer unwahrscheinlicher bewältigt werden kann.

An diesen Punkten zeigt sich die Verantwortungslosigkeit der Politik ebenso wie die Tatsache, daß die von der EU inspirierte neoliberale Wirtschaftsorientierung ein Fehler mit fatalen Auswirkungen ist.

Ohne eine grundlegende Änderung der Verkehrspolitik, daß heißt der politischen Einsicht, daß die Verkehrsprobleme der Zukunft nur unter voller Verantwortung des Staates und unter Einsatz gesellschaftlicher Mittel zu lösen ist, werden die Probleme in der ÖBB eher noch zu- als abnehmen und existenzbedrohende Ausmaße annehmen.

Die gesellschaftliche Rolle der ÖBB - Anspruch und Wirklichkeit
Die Bedeutung der Bahn wird in öffentlichen Sonntagsreden immer besonders herausgestrichen. In der Tat käme der Bahn heute wie in Zukunft eine besondere Rolle bei der Lösung der immer dramatisch werdenden Verkehrsprobleme zu.

Der motorisierte Individualverkehr wie der Schwerverkehr auf der Straße machen das tagtäglich deutlich. Die ÖBB haben sich angesichts der Reform vom Gedanken der Bahn als volkswirtschaftlichen Verkehrsträger mit allgemeiner Transportgarantie längst verabschiedet. Nach den rein betriebswirtschaftlichen Grundsätzen wird seit der Reform jede Transportleistung nur dann angeboten, wenn sie sich rechnet. Gleichzeitig entziehen sich der Staat und seine Gebietskörperschaften weitgehend ihren Zahlungsverpflichtungen. Eine Reihe von Transportleistungen fallen dabei den betriebswirtschaftlichen Konzepten zum Opfer.

Die volkswirtschaftliche Notwendigkeit spielt offensichtlich keine Rolle mehr. Der Fahrplan und die Vergabe von Trassen nimmt auf die Bedürfnisse der Bevölkerung so gut wie überhaupt nicht mehr Rücksicht. Wer bestellt, hat die Kosten zu tragen - widrigenfalls findet etwa der öffentliche Personennahverkehr überhaupt nicht mehr statt. Nachdem die Spielräume der Bahn extrem verengt worden sind und es andererseits der Regierung fast nur mehr um die Entlastung der öffentlichen Haushalte geht, bleiben die volkswirtschaftlich nicht unbedeutenden Aufgaben der Bahn auf der Strecke.

Anstatt “mehr Bahn” - wie immer wieder beschworen - gibt es real immer weniger Bahn. Die Verantwortung dafür liegt, wie aufgezeigt, sicher nicht bei der Bahn alleine. Allerdings muß man kritisch vermerken, daß das Management der ÖBB seinerseits eine Abkehr von der gesellschaftlichen Verantwortungen betreibt.

Das Angebot der Bahn insgesamt, aber vor allem die Pläne im Personenverkehr, lassen schlimmstes befürchten. So hat man bekanntlich den berühmten NAT mit Kostenargumenten nicht nur zurückgenommen, sondern überhaupt begraben. Kostenseitig mag das sogar zu argumentieren sein, tatsächlich wird damit eine produktive Entwicklung des Personenverkehrs - von Ballungszentren einmal abgesehen - nicht mehr möglich sein. Der Anspruch der ÖBB, ein attraktives Verkehrsmittel auch im Personenverkehr zu sein, leidet dadurch nicht unbeträchtlich. Die gesellschaftliche Bedeutung der Bahn kommt daher weiter ins Hintertreffen.

Kostensenkungsprogramme, wie beispielsweise das Programm “Eurofit”, geben vor, daß wir antreten, um im Wettbewerb mit der Konkurrenz als Sieger hervorzugehen. Wir müssen nur entsprechend kostenschlank und “eurofit” sein. Allerdings: So wichtig eine gesunde Betriebswirtschaft ist, können wir auf den Märkten nur dann erfolgreich sein, wenn wir unseren gesellschaftlichen Aufgaben nachkommen können. Und das können wir nur als ein modernes Verkehrsunternehmen, das mit den entsprechenden Mitteln, moderner Technik und einem motivierten Personal ausgestattet die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Volkswirtschaft zu befriedigen weiß !

Eine Bahn die sich letztendlich von den volkswirtschaftlichen Aufgaben aus Kostengründen verabschiedet, kann noch so “eurofit” sein, sie wird den Anforderungen zukünftiger Verkehrsentwicklungen nicht gerecht werden !

ÖBB und die Verkehrspolitik
Warum steht der GLB der gegenwärtigen Entwicklung äußerst kritisch gegenüber? Wir wissen, daß durch die betriebswirtschaftliche Ausrichtung der österreichischen wie der europäischen Bahnen, tausende Arbeitsplätze vernichtet werden. Das mag ein wesentlicher Grund sein. Für uns ist es aber auch von entscheidender Bedeutung, daß das freie Spiel des Marktes an den allgemeinen Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeigeht. Beides können und wollen wir nicht akzeptieren.

Eine Hochgeschwindigkeitsbahn, die kaufkräftige Geschäftsleute von einer Stadt zu anderen bringt, mag zwar interessant sein, nützt aber breiten Bevölkerungskreisen so gut wie nichts. Eine Bahn, die sich beim Güterverkehr Schritt für Schritt aus dem Flächenangebot beim Güterverkehr zurückzieht, wird den großen verkehrs- und umweltpolitischen Anforderungen in keiner Weise gerecht werden können. Deshalb ist es notwendig, daß sich die Verkehrspolitik von Grund auf ändert. Die volkswirtschaftliche Rolle der Bahn muß in die Verkehrspolitik zurückgebracht werden.

Den Gewerkschaften kommt gerade in dieser Frage eine entscheidende Aufgabe zu. Der Ansatz der europäischen Eisenbahner, die Verkehrspolitik europaweit in Angriff zu nehmen, ist zu begrüßen. Es darf jedoch nicht nur bei Forderungen bleiben. Wichtig wird es sein, die notwendigen Änderungen auch tatsächlich durchzusetzen. Wir wollen als Fraktion dabei unseren Beitrag leisten.

Alternativen des GLB zur ÖBB Reform und zur Verkehrspolitik
Einer Bahn mit nur geplanten vierzigtausend Beschäftigten und ausschließlich kostenwirtschaftlich relevanten Teilen der möglichen Verkehrsleistungen, halten wir unsere Alternativen entgegen.

Wenn eine Verselbstständigung vom Eigentümer Republik Österreich nicht vermeidbar war, so muß an den Bedingungen, die diese Ausgliederung begleiteten, unbedingt eine Korrektur erfolgen.

Die Schulden in Milliardenhöhe, die Millionen an Zinsendiensten erforderlich machen, müssen vom Bund abgelöst werden.

Weiters ist seitens des Eigentümers der Umbau der ÖBB in einem sozial verträglichen Zeitrahmen zu stellen. Das heißt, die Bundesregierung muß ihrer Verantwortung gerecht werden.

Die erforderlichen Investitionsmittel für den Ausbau der Bahn zum leistungsstarken Verkehrsträger sind mit Vorrang aus dem Staatshaushalt zu leisten.

Gerade im Hinblick auf die dramatische Zunahme des Güterverkehrs auf der Straße, muß es zu Regulativen gegen den Straßengüterverkehr kommen. Dabei können auch Mittel für den Bahnausbau lukriert werden. Nachtfahrverbote aber auch Gewichtsbeschränkungen und kostendeckende Gebühren seien als Beispiel angeführt.

Die Liberalisierung des Verkehrsmarktes darf nicht an den Umweltbedürfnissen der Bevölkerung vorübergehen.

Einer weiteren Einschränkung des öffentlichen Sektors der heimischen Wirtschaft muß entschieden entgegengetreten werden. Also: Privatisierungsstopp und Neuformierung des öffentliche Sektors.

Die Bahnreform muß mit einem Modell aktiver Mitbestimmung durch die Belegschaft und die Personalvertretung sowie optimaler Nutzung ihres Know-hows verbunden sein.

Der Gewerkschaftliche Linksblock unterstützt die Forderungen und Vorstellungen des Verbandes der Verkehrsgewerkschaften in der Europäischen Union und schlägt vor, für deren Umsetzung und Verwirklichung gemeinsame Aktionen in allen europäischen Ländern zu setzen.

Wir tragen Verantwortung vor der Geschichte
Die Gewerkschaft der Eisenbahner steht in der Tradition, für die Bediensteten und ihre Rechte und Errungenschaften stets aktiv eingetreten zu sein.

In den schwierigsten Phasen der Geschichte, wie unter den Bedingungen des Faschismus, haben Eisenbahner unter Einsatz ihres Lebens und unter den Bedingungen tiefster Illegalität für ein freies, unabhängiges Österreich und für die Rechte der arbeitenden Menschen gekämpft.

Die Erfahrungen mit diesem dunklen Abschnitt des Faschismus und der menschenverachtenden Knebelung demokratischer Kräfte waren lehrreich. 1945 wurde eine einheitliche Organisation ins Leben gerufen, in der verschiedene demokratische Kräfte im gemeinsamen Interesse zusammenwirken. Die Eisenbahner standen an der Wiege des heutigen ÖGB.

Der Gewerkschaftliche Linksblock war eine Gründerfraktion des ÖGB. Er ist aus den Kommunistischen Gewerkschaftern und später aus der Gewerkschaftlichen Einheit hervorgegangen. Er verstand und versteht sich als integraler Bestandteil des ÖGB und der GdE, ohne deshalb seine politische Identität und seine Prinzipien unter den Tisch zu kehren.

Im Gegenteil: Gerade heute ist es notwendig geworden, daß es eine gewerkschaftliche Linkskraft gibt, die sich einzig und allein an den Interessen der Arbeitenden orientiert und für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik eintritt. Der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit besteht weiter und tritt heute sogar in verschärfter Form zu Tage.

Dabei achten und respektieren wir die weltanschauliche Herkunft aller, die gemeinsam mit uns und im Rahmen des GLB für einen Wandel, für eine neue Orientierung in der Gewerkschaftspolitik eintreten wollen. Unser Grundprinzip ist die völlig gleichberechtigte Zusammenarbeit von Kolleginnen und Kollegen - ohne sie nach einem Parteibuch zu fragen.

Unsere historischen Wurzeln liegen bei den Kommunistischen Gewerkschaftern. Sie haben auch in der Minderheit viele soziale Regelungen vorgedacht, für deren Verwirklichung gekämpft und nicht wenig erreicht.

Heute ist der GLB eine offene Organisation, die ihre Politik selbständig erarbeitet. Mit der KPÖ, die ihrerseits den Weg der Erneuerung geht, verbindet uns ein Einverständnis in vielen Fragen der Gesellschaftsentwicklung. Es ist ein Bündnis, in dem die Eigenständigkeit beider Teile respektiert wird.

Wir verschließen dabei nicht die Augen vor unseren eigenen Fehlern, oder vor den tragischen, unmenschlichen Auswüchsen, die im Namen des Kommunismus in der ehemaligen Sowjetunion und anderen Ländern zum Tragen kamen.

Wir können und wollen aber nicht übersehen, was es an Elend, Not, Kriegen und Unterdrückung gibt. Und wir übersehen nicht, daß es der Hunger nach Profit ist, der diese Zustände immer und immer wieder hervorbringt. Wo es keine entsprechenden Gegenkräfte gibt, zeigt der Kapitalismus eine entmenschlichte Fratze und es gibt kein Verbrechen, das nicht durch die Profitgier gerechtfertigt werden würde.

Daher kann unser übergeordnetes Ziel nur darauf gerichtet sein, gesellschaftliche Zustände zu erreichen, in denen soziale Sicherheit und Gerechtigkeit, sinnerfüllte und existenzsichernde Arbeit sowie wahrhaft demokratische Verhältnisse keine Utopie sondern Wirklichkeit sind - eine Gesellschaft, in der die Freiheit des einzelnen die Bedingung der Freiheit aller ist und umgekehrt, und in der jede Form der Ausbeutung der Vergangenheit angehört !