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Zu den „Thesen für die neue politische Positionierung der GPA“

  • Donnerstag, 1. Januar 2004 @ 18:05
Positionen Stellungnahme des GLB

Vorneweg möchten wir betonen, dass eine neue Situation neuer Antworten bedarf. Und so gesehen ist es begrüßenswert, wenn die GPA im Vorlauf ihres Bundesforums ihre Neupositionierung auf die Grundlage einer breit angelegten Diskussion stellt. Eine erfolgversprechende Reform der Gewerkschaftsbewegung setzt die aktive Teilnahme ihrer Mitglieder voraus. Anknüpfend an diesen Gedanken der Teilhabe können wir uns aber einer grund-sätzlichen Kritik am vorgelegten Papier nicht enthalten: Es ist in einer Sprache verfasst, in der sich möglicherweise Insider zurecht finden werden, nicht aber Kolleginnen und Kollegen, die im betrieblichen Alltag die Anliegen unserer Bewegung vertreten. Die Gewichtung der einzelnen Themenblöcke ist schwer nachzuvollziehen; gegen Ende des Papiers wird diese immer fragwürdiger. Dabei geht es uns nicht um Verflachung oder gar entwertende Verkürzung der Inhalte, sondern vielmehr um verständliche und nachvollziehbare Darlegung der wesentlichen Gedanken unserer Positionen.

Im übrigen vertreten wir die Auffassung, dass eine politische Neupositionierung im Unterschied zu vielen in der Vergangenheit beschlossenen Dokumenten nicht sein Schicksal in sprichwörtlichen Schubladen bzw. Datenbanken fristen, sondern im Leben der Organisation eine Rolle spielen sollte. Wir schlagen daher vor, die Positionierung einer ständigen kritischen Überprüfung und Kommentierung auf allen Ebenen der GPA zu unterziehen und bei allen folgenden Bundesforen entlang den Ergebnissen dieses Diskussionsprozesses anzupassen.

Zu den einzelnen Bereichen, die nach unserer Auffassung übersichtlicher strukturiert werden sollten, möchten wir vorerst folgende Anmerkung machen:

1. Vieles, was über Generationen von den Gewerkschaften in langen, harten Kämpfen errungen wurde, ist zur „Selbstverständlichkeit“ des heutigen Arbeits-lebens geworden. Vielen Kolleginnen und Kollegen, vor allem den Angehörigen jüngerer Generation ist nicht bewusst, dass der Bestand sozialer Regelungen das Ergebnis von Kämpfen ist, die entlang den Interessenunterschieden zwischen Lohnarbeit und Kapital geführt werden mussten. Selbstkritisch müsste dabei angemerkt werden, dass dies auch in den Gewerkschaften in Vergessenheit geraten ist. Und so ist auch das Bewusstsein gering ausgeprägt, dass die Verteidigung sozialer Errungenschaften und die Erzielung sozialer Fortschritte – zumal unter den neuen Bedingungen verstärkter Angriffe – nur auf der Basis kämpferischer Gewerkschaftspolitik möglich sein wird. So weit entsprechen wesentliche Gedanken im Thesenpapier unserer Auffassung, wenngleich wir davor warnen wollen, durch eine allzu starke Zentrierung auf die schwarz-blaue Regierung die Illusion zu vermitteln, dass mit deren Ablöse ein Gutteil der Probleme gelöst werden könnte. Der neoliberale Angriff hat eine umfassende Dimension und wird – wie aktuelle Ereignisse weltweit zeigen – unabhängig von den parteipolitischen Farben der jeweiligen Regierungen geführt. Daher scheint es uns auch von größter Bedeutung zu sein, dass sich die Gewerkschaften in ihrer interessenpolitischen Bestrebungen gegenüber der Politik emanzipieren und die Klasseninteressen der Arbeitenden – bei aller Differenziertheit – zur alleinigen Leitlinie ihres Handelns machen.

2. Die Sozialpartnerschaft als Regulierungsinstrumentarium im System politischer Kräfteverhältnisse und als Lenkungsmechanismus in wirtschafts- und sozial-politischen Entscheidungsprozessen unterliegt schon seit längerer Zeit einem Errosionsprozess. Die Existenzbedingungen der Sozialpartnerschaft waren neben der politischen Übereinkunft zwischen SPÖ und ÖVP eine wie in den Thesen richtig festgestellte relative Schwäche des österreichischen Kapitals sowie ein hoher Anteil öffentlichen Eigentums am gesamten Volksvermögens, besonders aber in den strategischen Wirtschaftsbereichen wie Industrie, Banken, Energie, Kommunalwirtschaft, Post- und Telekommunikation sowie Infrastruktur und Verkehr. Es ist somit nicht nur der Bruch des politischen Konsens, der die Sozial-partnerschaft in die Auflösung treibt, sondern der Wegfall ihrer wesentlichen Existenzbedingungen. Neoliberale Politik und Privatisierungsschritte – nicht erst seit Schwarz-Blau – entziehen neben dem mit dem EU-Beitritt verbundenen Kompetenzabfluss in Regulierungsfragen diesem spezifisch österreichisch geprägten, umfassenden System den Boden. Es ist daher – unabhängig von seiner Bewertung – nicht mehr herbeizureden. Interessenkonflikte werden daher schärfer und offener ausgetragen werden müssen und sich zunehmend „internationalisieren“. Das ist ein objektiver Prozess, der neuer gewerkschaftlicher Strategien und Taktiken, neuer Themen und Inhalte wie auch neuer Methoden im Rahmen eines „alten“ Konfliktes, des Interessenkampfes zwischen Kapital und Arbeit, bedarf. Das ist deutlich zu machen, womit die Dimension dieses Konfliktes über die sozial-ökonomischen Fragen der Verteilung hinaus besser sichtbar zu machen sind.

3. Gewerkschaftspolitik muss also über die engeren Grenzen der Interessenpolitik in Betrieb und Staat hinausreichen und gesellschaftspolitische Zielvorstellungen formulieren. Gewerkschaftspolitik ist humanistische Politik, die den Menschen und seine Interessen und Bedürfnisse zum Zentrum hat und nicht dessen Verwertbarkeit. Der Gegensatz zwischen dieser menschlichen, sozialen Orien-tierung und den Verwertungsinteressen des Kapitals widerspiegelt sich in allen Bereichen der Gesellschaft – in Arbeitswelt und Freizeit, in Politik und Kultur – umso schärfer, als neoliberale Politik in alle Lebensbereiche greift. Bei unterschiedlicher Betrachtung dieser Kapitalismusentwicklung, sind gemeinsame Positionen und Ziele im Sinne des Bruches mit dem Neoliberalismus und seinen fatalen Folgen für die Arbeitenden herauszuarbeiten.

4. Gewerkschaften stehen gegen Ausbeutung und Ausplünderung, Diskriminierung und Entwürdigung, egal, ob sich diese Phänomene in offener oder verdeckter Form zeigen. Und somit stehen sie auch gegen deren Durchsetzung, sei es in mehr oder weniger gewaltsamer Form. Entdemokratisierung, Repression, Aggression und Krieg sind Angriffsziele gewerkschaftlicher Politik und dürfen in einer politischen Positionierung nicht fehlen. Sozialer Fortschritt ist nur unter den Bedingungen des Friedens und demokratischer „Einmischung“ der großen Mehrheit des Menschen und ihrer Interssenorganisationen denkbar, weshalb wir dafür plädieren, uns in dem Positionspapier eindeutig zu diesen Fragen zu äußern.

5. Antipatriarchale, emanzipatorische Ziele dürfen nicht allein aus den sozialökonomischen Fragen – so grundlegend diese sind – abgeleitet werden. Hier schlagen wir vor, die von den GPA-Frauen bereits erarbeiteten Positionen in das Papier aufzunehmen und in Gegensatz zu den reaktionären Tendenzen der herrschenden Politik zu stellen. Tatsächlich geht es ja nicht nur darum, formale Gleichberechtigung in reale zu verwandeln, sondern auch das gesellschaftliche Denken im Sinne der Emanzipation zu beeinflussen. Anders ausgedrückt: Die Zurückdrängung reaktionären Denkens in der Geschlechterfrage und ein Umdenken in breiterem Maße – vor allem durch Männer – ist geradezu die Voraussetzung dafür, echte Fortschritte zu erzielen und die Gleichstellung im realen Leben zu erreichen.

6. In den Fragen Umwelt und nachhaltige Entwicklung ist klarer herauszuarbeiten, dass auch diese im Zusammenhang mit dem grundlegenden Widerspruch der Gesellschaft – hier menschliche Bedürfnisse, dort Verwertungsinteressen des Kapitals stehen. Dies scheint uns umso wichtiger zu sein, um unsere diesbezüg-lichen Forderungen und Vorstellungen nicht zu „Wünschen ans Christkind“ werden zu lassen. Schritte in Richtung Nachhaltigkeit sind mit Kosten verbunden, wobei von unserer Seite deutlich gemacht werden muss, wie sich diese Kosten verteilen sollen.

Abschließend wollen wir festhalten, dass wir an der Entwicklung einer grundlegenden politischen Positionierung der GPA interessiert sind und daran mitarbeiten wollen und hoffen, dass unsere Gedanken dabei Berücksichtigung finden. Denn: Eine andere, eine gerechte Welt ist möglich!

Stellungnahme des GLB vom November 2002