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SozialarbeiterInnen stellten einen Baum auf

  • Donnerstag, 1. Januar 2004 @ 15:10
OÖ „Wir stöll`n an Bam auf“ – unter diesem Motto demonstrierten mit Rückgriff auf heimisches Brauchtum am 30. April 2003 in Linz mehr als 500 Beschäftigte von Sozialvereinen mit einem „Mai-Aufmarsch“ für ihre Interessen. Ein bunter und phantasiereicher Demonstrationszug bewegte sich, akustisch geprägt von einer Samba-Gruppe, vom Arena-Platz über die Landstraße zum Landhaus, wo eine Abschlußkundgebung stattfand bei welcher ein symbolischer Maibaum mit sechs Schleifen mit inhaltlichen Forderungen aufgestellt wurde. Aufgerufen zu der Protestaktion hatten mit Unterstützung der Sozialplattform Oberösterreich die Regionalausschüsse der Wirtschaftsbereiche Gesundheit/Soziale Dienste und Kirchen/Religionsgemeinschaften der GPA-Oberösterreich gemeinsam mit den Betriebsratskörperschaften der Lebenshilfe, pro mente, Volkshilfe, Exit sozial, Zentrum Spattstraße, Institut Hartheim, Das Dorf - Altenhof und anderer Sozialvereine.

In Oberösterreich sorgen mehr als 50 Vereine mit ihren Angeboten für alte, benachteiligte und behinderte Menschen für soziale Wärme. In dieser von den Vereinen aufgebauten Infrastruktur leisten rund 6000 Mitarbeiterinnen rund um die Uhr vielfältige und belastende Tätigkeiten und bringen neben Engagement und Fortbildungsbereitschaft oft auch eigene Freizeit und eigene Mittel ein.

Diese soziale Arbeit braucht angemessene Rahmenbedingungen, denn all diese Leistungen werden von Menschen getragen: Menschen, denen unterstützende Faktoren wie gute Entlohnung, Arbeitszufriedenheit, Arbeitnehmerinnenschutz, gesellschaftliche Anerkennung zustehen.

Wachsender Bedarf und gestiegene Qualitätsansprüche führten notwendigerweise zu Erhöhungen des Sozialbudgets. Dies den bestehenden Vereinen und Einrichtungen vorzuwerfen und deren Budgets nun zunehmend unter Druck zu setzen oder gar zu kürzen, ist unseriös und gefährdet die Qualität unserer Leistungen. Die Folgen reichen von Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiterinnen, über Personalabbau bis hin zur Unerfüllbarkeit des Versorgungsauftrages.

Die Arbeitnehmervertreterinnen der betroffenen Sozialvereine wissen um die gesamtgesellschaftliche und volkswirtschaftliche Bedeutung der Leistungen dieser Betriebe. In einem Aufruf an die verantwortlichen Politikerinnen des Landes OÖ werden mit fünf Forderungen die Anliegen der Sozialvereine dargestellt:

1. Sicherung guter Arbeitsbedingungen als Voraussetzung für Betreuungsqualität: kein Personalabbau, keine Kürzung des Personalschlüssels, kein Ersatz professioneller Dienste durch Laien oder Zivildiener, Einhaltung von Arbeitszeitnormen und Arbeitnehmerinnenschutz, Anerkennung qualifizierter Berufsbilder

2. Zustimmung des Landes zu fair ausverhandelten Kollektivverträgen und Vertragstreue gegenüber bestehenden Dienstverhältnissen (keine Änderungskündigungen)

3. Langfristige Vertragssicherheit für die Vereine statt jährlichem Budgetzittern und Subventionsgnade

4. Anerkennung der Leistungen der Beschäftigten im Sozialbereich: unsere Arbeit bringt nicht „non-profit" sondern „social profit"!

5. Kein Ausverkauf sozialer Dienstleistungen an gewinnorientierte Privatunternehmen durch GATS oder ähnliche Abkommen“

Unsere Leistungsgesellschaft und eine überalternde Bevölkerungsstruktur bedingen notwendige quantitative und qualitative Ausweitungen des sozialen Dienstleistungsangebotes in Österreich. Diese Entwicklung erfordert sowohl entsprechendes gesellschaftliches Bewußtsein als auch finanziellen Rückhalt und deutliche Prioritätensetzungen in den jeweiligen öffentlichen Budgets.

Auch die oö Sozialvereine und deren MitarbeiterInnen sehen sich mit knapperen Ressourcen, Sparbudgets und schlechten Arbeitsbedingungen konfrontiert, und diese Schere droht in dieser immer "eigenverantwortlicheren" Gesellschaft künftig noch weiter auseinander zu klaffen. Dies kann und darf aber nicht auf dem Rücken des Leistungsangebotes für sozial Schwache und/oder der ohnehin stark belasteteten MitarbeiterInnen des Sozialbereichs passieren.

Bei der Abschlußkundgebung wiesen nach einer Begrüßung durch die zuständige GPA-Wirtschaftsbereichssekretärin Edith Goltsch die Betriebsratsvorsitzenden jener Sozialvereine, die zu der Demonstration aufgerufen hatten – Andreas Brandstetter (pro mente), Martha Fleschurz (Volkshilfe), Karin Antlanger (EXIT-sozial), Walter Wöhrer (Lebenshife), Harald Obermayer (Das Dorf), Kurt Weilguny (Institut Hartheim) – auf die brennendsten Anliegen der Beschäftigten dieser Einrichtungen hin.

Betriebsratsvorsitzende Karin Antlanger führte dabei unter anderem aus: „In Oberösterreich wurde bislang eine umsichtige und auch zukunftsweisende Sozialpolitik verfolgt, die jedoch budgetär gefährdet ist. Zum einen führt die neoliberale Umgestaltung weiter gesellschaftlicher Bereiche durch die schwarz-blaue Regierung dazu, dass wesentlich mehr Hilfesuchende auf die Dienstleistungen von Sozialvereinen angewiesen sind, zum anderen erfordert alleine die gestiegene Lebenserwartung einen rasanten Ausbau der Pflegedienstleistungen.

Die Aufrechterhaltung und der erforderliche Ausbau qualitativ guter sozialer Dienstleistungen erfordert aber auch die Zuteilung entsprechender Geldmittel durch das Finanzressort an das Sozialreferat des Landes. Und wenn wir gutes Geld für gute Arbeit fordern, dann richten wir auch an LH Dr. Pühringer in seiner Funktion als Finanzreferenten die Frage: Was ist der Gesellschaft soziale Arbeit wert? Bzw. ist das schuldenfreie Land OÖ bereit, das Sozialressort finanziell so auszustatten, dass auch in Hinkunft OÖ richtungweisend für andere Bundesländer sein kann? Und schließlich bedeutet „gutes Geld für gute Arbeit“ auch, dass der Sozialbereich nicht zur neuen Billiglohnbranche verkommen darf, wo in erster Linie wieder Frauen das Nachsehen haben.“

Unterstützt wurden die Anliegen der Protestierenden durch Statements vom grünen Landtagsabgeordneten Gunther Trübswasser, GPA-Landesgeschäftsführer und AK-Vizepräsident Johann Kalliauer sowie Soziallandesrat Josef Ackerl. Schmährufe gab es hingegen für den aus Termingründen nicht anwesenden Landeshauptmann und Finanzreferenten Josef Pühringer – der es wohlweislich unterlassen hatte eine Vertretung zu entsenden – sowie für die Medien, die eine Pressekonferenz boykottiert hatten. Im Anschluß an die Kundgebung deponierte eine Delegation von BetriebsrätInnen die Forderungen im Büro von LH Pühringer. Die Protestaktion wird nicht die letzte gewesen sein: Für 12. Juni hat die GPA zu einer landesweiten oö Betriebsversammlung der Sozialvereine in die Kürnberghalle in Leonding geladen...

@ Leo Furtlehner