Zwischen Armut und Zuversicht
- Dienstag, 9. April 2013 @ 09:58
Von Sarah Salmhofer
Man kann sich nicht aussuchen, wo man geboren wird. Worauf manche fahnenschwingenden Patrioten so furchtbar stolz sind, beruht nicht auf Leistung oder Errungenschaft, sondern auf purem Glück und Zufall. Wie würde unser Leben aussehen, wäre der Storch falsch abgebogen und wären wir statt im verschneiten Österreich etwas südlich unter dem Äquator mitten in der krisengeschüttelten demokratischen Republik Kongo geboren worden?
Unser Leben hätte sich deutlich anders entwickelt, als einer von 71 Millionen Menschen im zweitgrößten Land Afrikas. Vorausgesetzt wir hätten unsere Kindheit überhaupt überlebt. Denn der Kongo liegt punkto Kindersterblichkeitsrate weltweit im Spitzenfeld, jedes fünfte Kind stirbt vor seinem fünften Geburtstag.
Daran zeigt sich die Ambivalenz unserer Welt. In der unterernährten Bevölkerung spiegelt sich die globale Verteilungsungerechtigkeit wider. Die vorherrschende Armut zeugt von der zum Himmel schreienden Ungerechtigkeit, auf die sich der westliche Wohlstand seit Jahrzehnten stützt. Denn der Kongo ist kein Land, dem es an Potential mangeln würde.
Mit den Wassermassen des Kongostromes könnte Elektrizität produziert werden, die ganz Afrika erhellt. Der fruchtbare Boden könnte die Bevölkerung ausreichend und abwechslungsreich ernähren. Die Bodenschätze könnten den Kongo zu einem der reichsten Länder der Welt machen. Vorausgesetzt die ehemalige belgische Kolonie würde nicht durch jahrzehntelange Ausbeutung am Boden liegen.
Der wirtschaftliche Niedergang und die politischen Zerwürfnisse in der bewegten Geschichte Kongos zeigen ihre Auswirkungen auch im Bildungssystem und am Arbeitsmarkt. Nur rund ein Drittel der Bevölkerung besucht überhaupt eine Schule. Viele Eltern können sich das Schulgeld nicht leisten, die Unterrichtsqualität lässt zu wünschen übrig und es gibt einen großen Mangel an geeignetem Lehrpersonal.
Weniger als ein Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung hat ein festes Arbeitsverhältnis. Weil der magere Lohn den ArbeiterInnen und Beamten, wenn überhaupt, oft erst verspätet ausgezahlt wird, versuchen sich die meisten anderweitig über Wasser zu halten. Beamte bessern ihre Löhne mit Schmiergeld auf, die Korruption steigt, der Schwarzmarkt blüht.
Besonders prekär ist die Lage der Frauen. Nicht einmal die Hälfte kann ausreichend schreiben und lesen, ihr Wert bemisst sich oftmals nach der Mitgift, die sie einbringen. Sozial benachteiligte Frauen, Witwen, alleinerziehende oder sehr junge Mütter stehen am untersten Rand der Gesellschaft. Ihnen bleibt oft nur der Weg in die Prostitution, angesichts der HIV-Rate vielfach ein Todesurteil.
Ein Sozialsystem ist im Kongo de facto nicht existent. Es sind vor allem kirchliche und westliche Einrichtungen, die sich um die Probleme der Bevölkerung annehmen. Unter den HelferInnen befindet sich auch die Don-Bosco-Schwester Hildegard Litzlhammer. Die Oberösterreicherin ist seit über 30 Jahren karitativ im Kongo tätig und will Straßenmädchen jeglichen Alters eine Chance auf eine positive Zukunft ermöglichen. So hat sie alleine in Kinshasa zwei Waisenhäuser mit dazugehörigen Schulen gegründet, eine dieser Ausbildungsstätten ist zum Schulzentrum für über 2.000 Kinder avanciert.
Der Fokus des Projekts „Bildung für Mädchen“ liegt auf der Vermittlung von praktischen Fähigkeiten. Die Ausbildung zu Bäckerinnen oder Serviererinnen ermöglicht, später auf eigenen Beinen stehen zu können. Unterstützt wird das Projekt unter anderem vom Land Oberösterreich und vom Verein „Rock for Kongo“, vor sieben Jahren im Bezirk Vöcklabruck gegründet.
Im Sommer 2012 konnten die Vereinsmitglieder das Bildungsprojekt in Kinshasa besuchen und einige der Mädchen persönlich kennenlernen. Deren Lebensgeschichten sind tragisch, ihre unbändige Lebenslust inspirierend. Zu sehen, wie zuversichtlich sie ihr Leben trotz aller Widrigkeiten und Schicksalsschläge meistern, war mehr als eindrucksvoll. Eine solche Erfahrung lehrt Demut und Dankbarkeit. Denn wären die Würfel nur etwas anders gefallen, wären es vielleicht wir, die tagtäglich um unser Überleben kämpfen müssten und deren ungewisse Zukunft in den Sternen stehen würde.
Sarah Salmhofer studiert in Wien und ist im Verein Rock for Kongo im Bezirk Vöcklabruck aktiv
Man kann sich nicht aussuchen, wo man geboren wird. Worauf manche fahnenschwingenden Patrioten so furchtbar stolz sind, beruht nicht auf Leistung oder Errungenschaft, sondern auf purem Glück und Zufall. Wie würde unser Leben aussehen, wäre der Storch falsch abgebogen und wären wir statt im verschneiten Österreich etwas südlich unter dem Äquator mitten in der krisengeschüttelten demokratischen Republik Kongo geboren worden?
Unser Leben hätte sich deutlich anders entwickelt, als einer von 71 Millionen Menschen im zweitgrößten Land Afrikas. Vorausgesetzt wir hätten unsere Kindheit überhaupt überlebt. Denn der Kongo liegt punkto Kindersterblichkeitsrate weltweit im Spitzenfeld, jedes fünfte Kind stirbt vor seinem fünften Geburtstag.
Daran zeigt sich die Ambivalenz unserer Welt. In der unterernährten Bevölkerung spiegelt sich die globale Verteilungsungerechtigkeit wider. Die vorherrschende Armut zeugt von der zum Himmel schreienden Ungerechtigkeit, auf die sich der westliche Wohlstand seit Jahrzehnten stützt. Denn der Kongo ist kein Land, dem es an Potential mangeln würde.
Mit den Wassermassen des Kongostromes könnte Elektrizität produziert werden, die ganz Afrika erhellt. Der fruchtbare Boden könnte die Bevölkerung ausreichend und abwechslungsreich ernähren. Die Bodenschätze könnten den Kongo zu einem der reichsten Länder der Welt machen. Vorausgesetzt die ehemalige belgische Kolonie würde nicht durch jahrzehntelange Ausbeutung am Boden liegen.
Der wirtschaftliche Niedergang und die politischen Zerwürfnisse in der bewegten Geschichte Kongos zeigen ihre Auswirkungen auch im Bildungssystem und am Arbeitsmarkt. Nur rund ein Drittel der Bevölkerung besucht überhaupt eine Schule. Viele Eltern können sich das Schulgeld nicht leisten, die Unterrichtsqualität lässt zu wünschen übrig und es gibt einen großen Mangel an geeignetem Lehrpersonal.
Weniger als ein Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung hat ein festes Arbeitsverhältnis. Weil der magere Lohn den ArbeiterInnen und Beamten, wenn überhaupt, oft erst verspätet ausgezahlt wird, versuchen sich die meisten anderweitig über Wasser zu halten. Beamte bessern ihre Löhne mit Schmiergeld auf, die Korruption steigt, der Schwarzmarkt blüht.
Besonders prekär ist die Lage der Frauen. Nicht einmal die Hälfte kann ausreichend schreiben und lesen, ihr Wert bemisst sich oftmals nach der Mitgift, die sie einbringen. Sozial benachteiligte Frauen, Witwen, alleinerziehende oder sehr junge Mütter stehen am untersten Rand der Gesellschaft. Ihnen bleibt oft nur der Weg in die Prostitution, angesichts der HIV-Rate vielfach ein Todesurteil.
Ein Sozialsystem ist im Kongo de facto nicht existent. Es sind vor allem kirchliche und westliche Einrichtungen, die sich um die Probleme der Bevölkerung annehmen. Unter den HelferInnen befindet sich auch die Don-Bosco-Schwester Hildegard Litzlhammer. Die Oberösterreicherin ist seit über 30 Jahren karitativ im Kongo tätig und will Straßenmädchen jeglichen Alters eine Chance auf eine positive Zukunft ermöglichen. So hat sie alleine in Kinshasa zwei Waisenhäuser mit dazugehörigen Schulen gegründet, eine dieser Ausbildungsstätten ist zum Schulzentrum für über 2.000 Kinder avanciert.
Der Fokus des Projekts „Bildung für Mädchen“ liegt auf der Vermittlung von praktischen Fähigkeiten. Die Ausbildung zu Bäckerinnen oder Serviererinnen ermöglicht, später auf eigenen Beinen stehen zu können. Unterstützt wird das Projekt unter anderem vom Land Oberösterreich und vom Verein „Rock for Kongo“, vor sieben Jahren im Bezirk Vöcklabruck gegründet.
Im Sommer 2012 konnten die Vereinsmitglieder das Bildungsprojekt in Kinshasa besuchen und einige der Mädchen persönlich kennenlernen. Deren Lebensgeschichten sind tragisch, ihre unbändige Lebenslust inspirierend. Zu sehen, wie zuversichtlich sie ihr Leben trotz aller Widrigkeiten und Schicksalsschläge meistern, war mehr als eindrucksvoll. Eine solche Erfahrung lehrt Demut und Dankbarkeit. Denn wären die Würfel nur etwas anders gefallen, wären es vielleicht wir, die tagtäglich um unser Überleben kämpfen müssten und deren ungewisse Zukunft in den Sternen stehen würde.
Sarah Salmhofer studiert in Wien und ist im Verein Rock for Kongo im Bezirk Vöcklabruck aktiv