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Radikale Arbeitszeitverkürzung mit vollem Ausgleich statt erzwungener Teilzeit

  • Mittwoch, 6. Februar 2013 @ 12:06
Meinung Von Anne Rieger

Fast jede zweite Frau arbeitet Teilzeit (46 Prozent), viele davon nicht freiwillig, sondern „weil es einfach nicht anders geht“. Teilzeit ist Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich, geht also voll zu Lasten der Beschäftigten. Von 1995 bis 2011 hat sich die Arbeit in Teilzeit fast verdoppelt. 1995 arbeiten vier von zehn Frauen mit Kindern bis 15 Jahre in Teilzeit – 2011 sind es sieben von zehn Frauen. Was sind die Gründe? Weil sie es angeblich so wollen, soll uns häufig von der veröffentlichten Meinung eingeredet werden. Als aber Menschen gefragt wurden, warum ihrer Meinung nach so viele Frauen Teilzeit arbeiten, ergaben sich ganz andere Gründe:

Weil Beruf und Familie sonst nicht vereinbar sei (31 Prozent). Weil Frauen den Großteil der Hausarbeit übernehmen müssten (20 Prozent). Weil Frauen keinen Vollzeit-Job bekommen (14 Prozent). Weil der Kindergarten nur halbtags geöffnet ist (14 Prozent). Weil es einen zu pflegenden Angehörigen gibt (elf Prozent). Und nur zehn Prozent glauben, dass so gearbeitet werde, weil die Frauen das so wollten.

Was Frauen brauchen ist radikale Arbeitszeitverkürzung für alle bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Das würde Arbeitsvolumen für viele teilzeitbeschäftigte Frauen schaffen, die sich längere Arbeitszeiten wünschen, weil sie existenzsichernden Lohn und Aufstiegsmöglichkeiten wollen. Eine Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche bzw. sechs Stunden pro Tag würde beispielsweise Vollzeitarbeitsplätze bringen, statt Frauen in Teilzeitverhältnisse zu zwingen. Auch arbeitslose Frauen und Männer und die Frauen, die sich gar nicht mehr arbeitslos melden, würden davon profitieren. Denn Arbeitslosigkeit ist die inhumanste Form der Arbeitszeitverkürzung.

Die gesellschaftlich notwendige Arbeit für Erziehung, Reproduktion und Pflege ließe sich so in der Partnerschaft gerechter verteilen. Heute besteht eine ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern. Die Gesamtbelastung erwerbstätiger Frauen beträgt 64 Stunden, davon 34,5 bezahlt und 29,5 unbezahlt. Die Gesamtbelastung erwerbstätiger Männer beträgt 48,4 Stunden, davon 41 bezahlt und 7,4 unbezahlt.

Besser wäre es, die gesellschaftlich notwendige Arbeit nicht ehrenamtlich machen zu lassen, sondern sie als qualifizierte, tariflich gut abgesicherte Arbeit zu bezahlen. Das ist ein Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Notwendig dazu aber sind qualifiziert betreute kinderpädagogische Einrichtungen und Schulen mit kleinen Gruppen und einem tariflich gut bezahlten Personal. Dieses Problem wird allerdings immer nur als weibliches Problem diskutiert. Auch eine durchgängige Erwerbstätigkeit hat eine geringe Pension zur Folge wenn sie vorwiegend in Teilzeit ausgeübt wird.

Über das Problem der Altersarmut, die aus der Teilzeitarbeit entsteht, informiert als einzige Institution die Gewerkschaft. In einer Modellrechnung für derzeit typische „Frauenberufe“ wie z.B. Friseurin, Verkäuferin, Kellnerin und Angestellte im Sozial- und Gesundheitsbereich werden Erwerbsverläufe verglichen: Vollzeit mit Elternkarenz in Verhältnis zu zusätzlicher langer Teilzeit und Erwerbsunterbrechung wegen Betreuungsverpflichtungen. Die Pensionen fallen durch letzteres unter die Mindestpension in allen vier Berufen.

Wer soll das bezahlen? Noch nie wurde soviel Reichtum produziert wie heute. Aber der Reichtum ist einseitig verteilt. Nach einer Studie der Österreichischen Nationalbank besitzen elf Prozent der Haushalte mehr als 500.000 Euro und damit den Löwenanteil des gesamten Privatvermögens. Auf Jahressicht konnte der ATX, das heimische Börsenbarometer, also die Anleger, ein Plus von 27 Prozent einstreichen. Und für die Bankenrettung waren Milliarden da. Geringere Profite der Unternehmen und höhere Besteuerung der Vermögenden – dadurch wären unsere Forderungen bezahlbar.

Natürlich brauchen wir auch eine gesetzliche Regelung, dass wer auf Teilzeit wechselt, die Garantie erhalten muss, zur Vollzeit zurückzukehren zu können. Damit verbunden muss es einen gesetzlichen Mindestlohn von 1.600 Euro geben.

Anne Rieger ist Stellvertretende Landesvorsitzende des GLB-Steiermark