Lauter Frauen – lauter!
- Samstag, 18. Februar 2017 @ 08:25
Bärbel Danneberg bilanziert das Frauenvolksbegehren von 1997
Die Zeichen stehen nicht gerade auf Fortschritt im Tempo, rückständige und frauenverachtende Verhältnisse zu überwinden. Ganz im Gegenteil. Bis Frauen und Männer weltweit für die gleiche Arbeit gleich bezahlt werden, wird es einer Studie zufolge noch 170 Jahre dauern. Das geht aus dem letzten „Global Gender Gap Report“ des Weltwirtschaftsforums (WEF) vom Oktober 2016 hervor. Grundsätzlich wurde von den Studienautoren eine „dramatische Rückwärtsentwicklung“ geortet. Der zufolge habe sich seit 2013 die Ungleichheit weiter vergrößert. Die ein Jahr zuvor angenommene Zeitspanne bis zur weltweiten wirtschaftlichen Gleichstellung mit 118 Jahren habe sich weiter fortgesetzt. Österreich landete bei der Lohngerechtigkeit auf Platz 100 der 144 untersuchten Länder und rutschte im Gesamtranking deutlich ab.
Alles was Recht ist
Geduld ist die Mutter der Porzellankiste? Das woll(t)en Frauen so nicht hinnehmen. Sie starteten 1996 ein Frauenvolksbegehren unter dem Motto „Alles was Recht ist. FrauenVolksBegehren“. Ein Jahr lang führten sie landauf, landab Kampagnen zur Unterstützung ihrer Forderungen, die, in einem Satz ausgedrückt, lauteten: „Die UnterzeichnerInnen des Frauen-Volksbegehrens fordern den Beschluss folgender bundesgesetzlicher Maßnahmen: Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist im Bundes-Verfassungsgesetz zu verankern. Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) verpflichtet sich damit zum aktiven, umfassenden Abbau der Benachteiligungen von Frauen.“
In jedem Bundesland hatten sich Ansprechpartnerinnen und Kollektive zur Verbreitung der Ziele gefunden. Vorangegangen waren zwei Sparpakete, die Frauen ungleich härter trafen. Beide Male mobilisierten Frauenbündnisse zu Aktionen. „1996, nach dem 2. Belastungspaket, kam es dabei zu einer neuen Qualität im Bündnis.
Nicht nur autonome Gruppen, Frauen- und Mädcheneinrichtungen sowie die KPÖ-Frauen riefen auf, sondern es gelang, die ÖGB-Frauenvorsitzende Irmgard Schmidleithner wie auch die Katholische Frauenbewegung und die SPÖ-Frauen für eine gemeinsame Kundgebung am Internationalen Frauentag vorm Parlament zu gewinnen“, erinnert sich KPÖ-Frauensprecherin Heidi Ambrosch, die von Beginn an in diesem Bündnis aktiv war.
Am 11. Juni 1997 wurde das Frauenvolksbegehren dem Parlament übergeben, am 10. Juli fand im Nationalrat die erste Lesung statt. Die erste Ernüchterung folgte, als trotz regelmäßiger Stellungnahmen und Presseaussendungen des Unabhängigen Frauenforums (UFF) eine entsprechende mediale Öffentlichkeit ausblieb, die angelaufenen Gespräche mit dem Sozialministerium und der Frauenministerin, Barbara Prammer, auf der Stelle traten.
Aus der „Verpflichtung“ wurde schließlich eine „Zulässigkeit“: „Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten sind zulässig.“
Ab in die Schublade?
Bis heute wurde das Frauenvolksbegehren, das von knapp 700.000 Menschen unterzeichnet wurde, nicht einmal ignoriert. Artikel 7 des Bundesverfassungsgesetzes besagt unter anderem: „Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen.“
Der kürzlich erschienene Sozialbericht benennt in Österreich bestehende Vorrechte: 75 Prozent der Haushalte haben weniger als 50.000 Euro Bruttojahreseinkommen, fünf Prozent mehr als 100.000 Euro, und das oberste Prozent mehr als 300.000 Euro. Die Einkommen des obersten einen Prozent der Haushalte bestehen im Vergleich zu den unteren 99 Prozent wesentlich stärker aus Selbständigen- und Kapitaleinkommen.
Faktisch profitiert fast nur dieses oberste ein Prozent der Haushalte von hohen Kapitaleinkommen und wird mit einem Steuersatz von 25 Prozent auf Kapitaleinkommen (27,5 Prozent auf Dividenden und Aktiengewinne) begünstigt, während Arbeitseinkommen viel stärker mit Abgaben belastet werden (Marc Pointecker, Leiter der sozialpolitischen Grundlagenarbeit im Sozialministerium).
Vor allem auf den Rücken der Frauen wird diese Ungleichverteilung von Reichtum und Forcierung von Armut vorangetrieben. Die unentgeltlich geleistete Frauenarbeit im Care- und Sorgebereich, ihre schlechtere Bezahlung am Arbeitsmarkt sind Wertgrößen, die in keiner Volkswirtschaftsrechnung aufscheinen. Insgesamt aber speist sich der Reichtum aus dem Widerspruch zwischen Kapital und (Erwerbs-)Arbeit. Dieses Füllhorn blieb bislang von jeder Regierung und ihren Finanzministern unangetastet.
Auch wenn politisch und medial ignoriert – die Frauen sind nicht stumm. Die Plattform 20000frauen (http://zwanzigtausendfrauen.at/) hat mit vielen Aktionen, etwa zum Frauentag oder bei feministischen Tischgesellschaften, dem Vergessen entgegengewirkt. Unter dem Titel „Lauter Frauen – eine exzessive Utopie“ wird es im Kosmos-Theater am 28. April eine Veranstaltung zur utopischen Re-Animierung der Forderungen des Frauenvolksbegehrens geben.
Bärbel Danneberg ist Journalistin und lebt in Wien
Die Zeichen stehen nicht gerade auf Fortschritt im Tempo, rückständige und frauenverachtende Verhältnisse zu überwinden. Ganz im Gegenteil. Bis Frauen und Männer weltweit für die gleiche Arbeit gleich bezahlt werden, wird es einer Studie zufolge noch 170 Jahre dauern. Das geht aus dem letzten „Global Gender Gap Report“ des Weltwirtschaftsforums (WEF) vom Oktober 2016 hervor. Grundsätzlich wurde von den Studienautoren eine „dramatische Rückwärtsentwicklung“ geortet. Der zufolge habe sich seit 2013 die Ungleichheit weiter vergrößert. Die ein Jahr zuvor angenommene Zeitspanne bis zur weltweiten wirtschaftlichen Gleichstellung mit 118 Jahren habe sich weiter fortgesetzt. Österreich landete bei der Lohngerechtigkeit auf Platz 100 der 144 untersuchten Länder und rutschte im Gesamtranking deutlich ab.
Alles was Recht ist
Geduld ist die Mutter der Porzellankiste? Das woll(t)en Frauen so nicht hinnehmen. Sie starteten 1996 ein Frauenvolksbegehren unter dem Motto „Alles was Recht ist. FrauenVolksBegehren“. Ein Jahr lang führten sie landauf, landab Kampagnen zur Unterstützung ihrer Forderungen, die, in einem Satz ausgedrückt, lauteten: „Die UnterzeichnerInnen des Frauen-Volksbegehrens fordern den Beschluss folgender bundesgesetzlicher Maßnahmen: Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist im Bundes-Verfassungsgesetz zu verankern. Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) verpflichtet sich damit zum aktiven, umfassenden Abbau der Benachteiligungen von Frauen.“
In jedem Bundesland hatten sich Ansprechpartnerinnen und Kollektive zur Verbreitung der Ziele gefunden. Vorangegangen waren zwei Sparpakete, die Frauen ungleich härter trafen. Beide Male mobilisierten Frauenbündnisse zu Aktionen. „1996, nach dem 2. Belastungspaket, kam es dabei zu einer neuen Qualität im Bündnis.
Nicht nur autonome Gruppen, Frauen- und Mädcheneinrichtungen sowie die KPÖ-Frauen riefen auf, sondern es gelang, die ÖGB-Frauenvorsitzende Irmgard Schmidleithner wie auch die Katholische Frauenbewegung und die SPÖ-Frauen für eine gemeinsame Kundgebung am Internationalen Frauentag vorm Parlament zu gewinnen“, erinnert sich KPÖ-Frauensprecherin Heidi Ambrosch, die von Beginn an in diesem Bündnis aktiv war.
Am 11. Juni 1997 wurde das Frauenvolksbegehren dem Parlament übergeben, am 10. Juli fand im Nationalrat die erste Lesung statt. Die erste Ernüchterung folgte, als trotz regelmäßiger Stellungnahmen und Presseaussendungen des Unabhängigen Frauenforums (UFF) eine entsprechende mediale Öffentlichkeit ausblieb, die angelaufenen Gespräche mit dem Sozialministerium und der Frauenministerin, Barbara Prammer, auf der Stelle traten.
Aus der „Verpflichtung“ wurde schließlich eine „Zulässigkeit“: „Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten sind zulässig.“
Ab in die Schublade?
Bis heute wurde das Frauenvolksbegehren, das von knapp 700.000 Menschen unterzeichnet wurde, nicht einmal ignoriert. Artikel 7 des Bundesverfassungsgesetzes besagt unter anderem: „Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen.“
Der kürzlich erschienene Sozialbericht benennt in Österreich bestehende Vorrechte: 75 Prozent der Haushalte haben weniger als 50.000 Euro Bruttojahreseinkommen, fünf Prozent mehr als 100.000 Euro, und das oberste Prozent mehr als 300.000 Euro. Die Einkommen des obersten einen Prozent der Haushalte bestehen im Vergleich zu den unteren 99 Prozent wesentlich stärker aus Selbständigen- und Kapitaleinkommen.
Faktisch profitiert fast nur dieses oberste ein Prozent der Haushalte von hohen Kapitaleinkommen und wird mit einem Steuersatz von 25 Prozent auf Kapitaleinkommen (27,5 Prozent auf Dividenden und Aktiengewinne) begünstigt, während Arbeitseinkommen viel stärker mit Abgaben belastet werden (Marc Pointecker, Leiter der sozialpolitischen Grundlagenarbeit im Sozialministerium).
Vor allem auf den Rücken der Frauen wird diese Ungleichverteilung von Reichtum und Forcierung von Armut vorangetrieben. Die unentgeltlich geleistete Frauenarbeit im Care- und Sorgebereich, ihre schlechtere Bezahlung am Arbeitsmarkt sind Wertgrößen, die in keiner Volkswirtschaftsrechnung aufscheinen. Insgesamt aber speist sich der Reichtum aus dem Widerspruch zwischen Kapital und (Erwerbs-)Arbeit. Dieses Füllhorn blieb bislang von jeder Regierung und ihren Finanzministern unangetastet.
Auch wenn politisch und medial ignoriert – die Frauen sind nicht stumm. Die Plattform 20000frauen (http://zwanzigtausendfrauen.at/) hat mit vielen Aktionen, etwa zum Frauentag oder bei feministischen Tischgesellschaften, dem Vergessen entgegengewirkt. Unter dem Titel „Lauter Frauen – eine exzessive Utopie“ wird es im Kosmos-Theater am 28. April eine Veranstaltung zur utopischen Re-Animierung der Forderungen des Frauenvolksbegehrens geben.
Bärbel Danneberg ist Journalistin und lebt in Wien