Entlassung eines unliebsamen Betriebsrates
- Donnerstag, 17. April 2014 @ 22:07
Boris Lechthaler über Vorgänge in der voestalpine
Am 26. April 2011 besuchte Johann Linsmaier, Betriebsrat der Liste „Für Gerechtigkeit und Solidarität“, einen Arbeiter im Einlaufsteuerstand der Feuerverzinkerei im Werk Linz. Dieser Arbeiter wollte Informationen über ein neues Arbeitszeitmodell, das von der FSG-Betriebsratsmehrheit überraschend zur Abstimmung angesetzt wurde. Anwesende FSG-Betriebsräte forderten Linsmaier jedoch auf, die Anlage zu verlassen. Er habe sich nicht angemeldet und auch keine Sicherheitsbelehrung bekommen. Nachdem er dies verweigerte, wurde der Werkschutz geholt, woraufhin Linsmaier den Steuerstand verließ.
Ein Wahlkampfmanöver
Zu der Zeit herrschte in der Voest gerade Wahlkampf, nachdem von der FSG-Mehrheit der Betriebsrat vorzeitig aufgelöst wurde. Linsmaier vermutete in der Aktion einen Versuch, seinen Wahlkampf und den Kontakt zu den ArbeiterInnen zu behindern. Am nächsten Tag informierte er Generaldirektor Eder und das Betriebsratskollegium per E-Mail über den Vorfall. Darin äußerte er, dass ihn die Vorgehensweise an ein Erlebnis mit der Volkspolizei bei einer Dienstreise 1985 in Eisenhüttenstatt (DDR) erinnere und verglich dies mit „Stasi-Methoden“ .
Betriebsrat vor Gericht
Im April 2011 lief bereits das zweite von der Unternehmensleitung angestrengte Entlassungsverfahren gegen den unliebsamen Betriebsrat beim Arbeits- und Sozialgericht in Linz. Das erste wurde am 15.12.2010 abgewiesen und durch alle Instanzen bestätigt. Auch diesmal wurde ihm vorgeworfen, den Datenschutz verletzt zu haben, dem Ansehen des Unternehmens zu schaden und massive Unruhe unter der Belegschaft zu stiften.
Die E-Mail Linsmaiers mit dem „Stasi-Methoden“-Vergleich wurde von der Unternehmensleitung in das zweite Verfahren hineinreklamiert. Weil damit laut Arbeitsverfassungsgesetz „erhebliche Ehrverletzungen gegen den Betriebsinhaber, dessen im Betrieb tätige oder anwesende Familienangehörige oder Arbeitnehmer des Betriebs, die eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitglied und Betriebsinhaber nicht mehr erwarten lässt“ erfolgt seien.
Vorwurf an Konzernspitze?Das Gericht erkannte jedoch darin keine erhebliche Ehrverletzung, sondern die „Äußerungen eines Betriebsrates, der die Interessen der ArbeiterInnen vertritt und dabei einen gewissen Druck auf die klagende Partei ausüben möchte.“ Anders jedoch das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht.
Während es im Wesentlichen dem erstinstanzlichen Beschluss folgte, wurden die DDR-Assoziationen für Linsmaier zum Verhängnis. Obwohl er sich eigentlich nur über seine Kollegen beschwerte, wurde daraus plötzlich der „Vorwurf“ an den „Generaldirektor … und andere führungsverantwortliche Mitarbeiter, d.h. an die Spitze eines börsenotierten internationalen Konzerns“.
„Der Begriff Stasi (Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR) ist ein Synonym für Bespitzelung, totalitäre, menschenrechtswidrige und repressive Methoden. Dadurch dass der Beklagte die Durchsetzung von Sicherheitsmaßnahmen in seinem Fall gegenüber der Führungsriege des Unternehmens mit diesem herabwürdigenden Ausdruck bezeichnete, hat er die Reputation des Unternehmens und der angesprochenen Personen massiv beschädigt“ so das Gericht. Was sollen sich da die Aktionäre denken?
Das Oberlandesgericht erteilte jedenfalls die Zustimmung zur Entlassung wegen erheblicher Ehrverletzung und befand auch eine ordentliche Revision beim OGH für nicht zulässig, „weil keine über die Bedeutung des Einzelfalles hinausgehenden Rechtsfragen zu klären waren.“ Linsmaier hat außerordentliche Revision eingelegt.
Von der FSG abgewählt
Linsmaier ist nicht irgendwer. Er ist seit 6.2.1974 in der Voestalpine beschäftigt, seit 1986 ist er Betriebsrat, die längste Zeit bei der FSG. Von April 2008 bis Dezember 2009 war er Arbeiterbetriebsratsvorsitzender. Am 22.12.2009 wurde er vom BR-Kollegium mit knapper Mehrheit abgewählt. Erst dann gründete er seine eigene „Liste für Gerechtigkeit und Solidarität“.
„Als ich Betriebsratsvorsitzender wurde, habe ich erstmals einen genauen Einblick in die Gebarung des Betriebsratsfonds und die Entlohnung von Betriebsräten bekommen. Ich musste leider feststellen, dass es Ungereimtheiten gibt – Prämienzahlungen, erhöhte Abfertigungen, falsche Dienstreiseabrechnungen, Kilometergeldbezahlung bei Verwendung eines Dienstautos, gesetzwidrige Urlaubsauszahlungen.“ Zudem rücken führende Voest-Betriebsräte traditionell in bezahlte politische Funktionen (Nationalrat, Landtag, Gemeinderat) auf.
Linsmaier, dessen eigene Liste 2010 zwei Mandate erreichte, wehrte sich gegen Einsparungen auf Kosten der Arbeitenden. So versuchte er die Verschlechterung infolge der Ausgliederung der Kantinen-Beschäftigten aus dem Metall-KV in den Gastronomie-KV abzufedern und verglich die erzielten Einsparungen mit manchen Privilegien seiner BR-Kollegen.
Freilich, so etwas kann „Unruhe in der Belegschaft stiften“. Klar, dass die Unternehmensleitung das nicht will. Zu was zahlt man freiwillige Abfertigungen an Betriebsräte in fünfstelliger Höhe. Der gehört weg. Dass man dafür in der Zwischenzeit Verbündete in der Justiz findet, sollte uns alarmieren.
Boris Lechthaler ist Versicherungskaufmann und Vorsitzender der Solidarwerkstatt, Artikel aus „Werkstatt-Blatt“ 1/2014
Am 26. April 2011 besuchte Johann Linsmaier, Betriebsrat der Liste „Für Gerechtigkeit und Solidarität“, einen Arbeiter im Einlaufsteuerstand der Feuerverzinkerei im Werk Linz. Dieser Arbeiter wollte Informationen über ein neues Arbeitszeitmodell, das von der FSG-Betriebsratsmehrheit überraschend zur Abstimmung angesetzt wurde. Anwesende FSG-Betriebsräte forderten Linsmaier jedoch auf, die Anlage zu verlassen. Er habe sich nicht angemeldet und auch keine Sicherheitsbelehrung bekommen. Nachdem er dies verweigerte, wurde der Werkschutz geholt, woraufhin Linsmaier den Steuerstand verließ.
Ein Wahlkampfmanöver
Zu der Zeit herrschte in der Voest gerade Wahlkampf, nachdem von der FSG-Mehrheit der Betriebsrat vorzeitig aufgelöst wurde. Linsmaier vermutete in der Aktion einen Versuch, seinen Wahlkampf und den Kontakt zu den ArbeiterInnen zu behindern. Am nächsten Tag informierte er Generaldirektor Eder und das Betriebsratskollegium per E-Mail über den Vorfall. Darin äußerte er, dass ihn die Vorgehensweise an ein Erlebnis mit der Volkspolizei bei einer Dienstreise 1985 in Eisenhüttenstatt (DDR) erinnere und verglich dies mit „Stasi-Methoden“ .
Betriebsrat vor Gericht
Im April 2011 lief bereits das zweite von der Unternehmensleitung angestrengte Entlassungsverfahren gegen den unliebsamen Betriebsrat beim Arbeits- und Sozialgericht in Linz. Das erste wurde am 15.12.2010 abgewiesen und durch alle Instanzen bestätigt. Auch diesmal wurde ihm vorgeworfen, den Datenschutz verletzt zu haben, dem Ansehen des Unternehmens zu schaden und massive Unruhe unter der Belegschaft zu stiften.
Die E-Mail Linsmaiers mit dem „Stasi-Methoden“-Vergleich wurde von der Unternehmensleitung in das zweite Verfahren hineinreklamiert. Weil damit laut Arbeitsverfassungsgesetz „erhebliche Ehrverletzungen gegen den Betriebsinhaber, dessen im Betrieb tätige oder anwesende Familienangehörige oder Arbeitnehmer des Betriebs, die eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitglied und Betriebsinhaber nicht mehr erwarten lässt“ erfolgt seien.
Vorwurf an Konzernspitze?Das Gericht erkannte jedoch darin keine erhebliche Ehrverletzung, sondern die „Äußerungen eines Betriebsrates, der die Interessen der ArbeiterInnen vertritt und dabei einen gewissen Druck auf die klagende Partei ausüben möchte.“ Anders jedoch das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht.
Während es im Wesentlichen dem erstinstanzlichen Beschluss folgte, wurden die DDR-Assoziationen für Linsmaier zum Verhängnis. Obwohl er sich eigentlich nur über seine Kollegen beschwerte, wurde daraus plötzlich der „Vorwurf“ an den „Generaldirektor … und andere führungsverantwortliche Mitarbeiter, d.h. an die Spitze eines börsenotierten internationalen Konzerns“.
„Der Begriff Stasi (Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR) ist ein Synonym für Bespitzelung, totalitäre, menschenrechtswidrige und repressive Methoden. Dadurch dass der Beklagte die Durchsetzung von Sicherheitsmaßnahmen in seinem Fall gegenüber der Führungsriege des Unternehmens mit diesem herabwürdigenden Ausdruck bezeichnete, hat er die Reputation des Unternehmens und der angesprochenen Personen massiv beschädigt“ so das Gericht. Was sollen sich da die Aktionäre denken?
Das Oberlandesgericht erteilte jedenfalls die Zustimmung zur Entlassung wegen erheblicher Ehrverletzung und befand auch eine ordentliche Revision beim OGH für nicht zulässig, „weil keine über die Bedeutung des Einzelfalles hinausgehenden Rechtsfragen zu klären waren.“ Linsmaier hat außerordentliche Revision eingelegt.
Von der FSG abgewählt
Linsmaier ist nicht irgendwer. Er ist seit 6.2.1974 in der Voestalpine beschäftigt, seit 1986 ist er Betriebsrat, die längste Zeit bei der FSG. Von April 2008 bis Dezember 2009 war er Arbeiterbetriebsratsvorsitzender. Am 22.12.2009 wurde er vom BR-Kollegium mit knapper Mehrheit abgewählt. Erst dann gründete er seine eigene „Liste für Gerechtigkeit und Solidarität“.
„Als ich Betriebsratsvorsitzender wurde, habe ich erstmals einen genauen Einblick in die Gebarung des Betriebsratsfonds und die Entlohnung von Betriebsräten bekommen. Ich musste leider feststellen, dass es Ungereimtheiten gibt – Prämienzahlungen, erhöhte Abfertigungen, falsche Dienstreiseabrechnungen, Kilometergeldbezahlung bei Verwendung eines Dienstautos, gesetzwidrige Urlaubsauszahlungen.“ Zudem rücken führende Voest-Betriebsräte traditionell in bezahlte politische Funktionen (Nationalrat, Landtag, Gemeinderat) auf.
Linsmaier, dessen eigene Liste 2010 zwei Mandate erreichte, wehrte sich gegen Einsparungen auf Kosten der Arbeitenden. So versuchte er die Verschlechterung infolge der Ausgliederung der Kantinen-Beschäftigten aus dem Metall-KV in den Gastronomie-KV abzufedern und verglich die erzielten Einsparungen mit manchen Privilegien seiner BR-Kollegen.
Freilich, so etwas kann „Unruhe in der Belegschaft stiften“. Klar, dass die Unternehmensleitung das nicht will. Zu was zahlt man freiwillige Abfertigungen an Betriebsräte in fünfstelliger Höhe. Der gehört weg. Dass man dafür in der Zwischenzeit Verbündete in der Justiz findet, sollte uns alarmieren.
Boris Lechthaler ist Versicherungskaufmann und Vorsitzender der Solidarwerkstatt, Artikel aus „Werkstatt-Blatt“ 1/2014