Ein gerechteres System ist möglich
- Mittwoch, 2. Juli 2014 @ 11:50
Nikolaus Lackner über die Dringlichkeit einer Steuerreform
Manche Begriffe lösen in Gesprächen mit KollegInnen eher gelangweilte Blicke denn hitzige Debatten aus: „Steuerreform“ und „kalte Progression“ sind Beispiele dafür. Doch wenn man diese Begriffe in einer Sprache erklärt die leicht verständlich ist, wendet sich das Blatt. Vereinfacht: Es geht um „Gerechtigkeit“ und „Lohnkürzungen“. Der Finanzminister betont gebetsmühlenartig: Erstens muss gespart werden und zweitens will er keine neuen Steuern. Warum er sich so in seiner Position einbetoniert ist, dass er mit der „kalten Progression“ über ein Werkzeug verfügt, welches ihm stetig steigende Einnahmen aus der Lohnsteuer beschert.
Die ohnehin viel zu geringen Lohnsteigerungen bewirken bei vielen Lohnabhängigen genau das Gegenteil: Sie rutschen in eine neue Steuerklasse und haben dadurch weniger im Börserl als zuvor. De facto handelt es sich bei diesem Instrument um nichts anderes als effektive Lohnkürzungen an denen der Staat verdient. Die Beseitigung der „kalten Progression“ muss daher ein integraler Bestandteil eines gerechten Steuersystems sein.
Apropos Gerechtigkeit
Das Mantra „keine neuen Steuern“, welches uns abwechselnd von VertreterInnen der Wirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung und der ÖVP via Medien vorgebetet wird, dient nur dazu, den Blick auf die größte Ungerechtigkeiten unseres Steuersystems zu vernebeln: Wer über viel, sehr viel oder gar extrem viel Vermögen verfügt zahlt einen international gesehen lächerlich geringen Steuersatz. Dies gilt für die Kapitalerträge ebenso wie für in Stiftungen geparkte Großvermögen.
Damit selbst bei der Weitergabe dieser Reichtümer an die nächste Generation kein Beitrag für die Allgemeinheit geleistet werden muss, hat man auch gleich die Erbschaftssteuer abgeschafft. Und man verhindert deren Wiedereinführung mit einer weiteren Nebelgranate: Selbst beim kleinsten Häuslbauern und den WohnungsbesitzerInnen wird die Angst geschürt, eine Erbschaftssteuer beträfe sie, obwohl es in Wahrheit um die Großvermögen geht. Das Kapital nimmt hier via Kleinformat gekonnt die Kleinen in Geiselhaft bei der Verteidigung des eigenen Vorteils.
Richtig übel kann einem werden, wenn man sich die Steuerleistung der multinationalen Konzerne ansieht. Die Gruppenbesteuerung ermöglicht es diesen nämlich, die Gewinne und Verluste zwischen verschiedenen Tochtergesellschaften im In- und Ausland solange hin- und herzuschieben, bis eine den Aktionären genehme Steuerlast entsteht, die aberwitzig gering ausfällt. Der Allgemeinheit entgehen hier Milliarden die direkt in die Taschen der AktionärInnen wandern - wiederum gering besteuert.
Soll das Spitze sein?
Die meisten Lohnabhängigen kommen nie in den Genuss, den Spitzensteuersatz auf ihr Einkommen bezahlen zu dürfen. Denn sie verdienen dafür zu wenig. Man muss schon über 60.000 Euro im Jahr erhalten, um für das darüber hinaus gehende Einkommen mit 50 Prozent besteuert zu werden.
Dabei ist es egal, ob man 65.000 oder 6,5 Millionen Einkommen hat – der Spitzensteuersatz bleibt gleich. Besonders perfide ist aber der lächerlich geringe Unterschied zwischen Eingangs- und Spitzensteuersatz: Er beträgt knapp zwölf Prozentpunkte. Die Putzfrau zahlt also auf ihren kargen Lohn nur um zwölf Prozent weniger als der Konzernmanager. Die Anhebung dieses Spitzensteuersatzes muss also auf jeden Fall Teil einer Steuerreform sein, die diesen Namen wirklich verdient.
Druck erzeugen
Bislang haben weder die Lippenbekenntnisse der regierenden SPÖ noch die Forderungen des nur in Wahlzeiten kämpferisch auftretenden ÖGB zu Ergebnissen geführt. Es ist daher die Aufgabe des GLB gemeinsam mit anderen progressiven Kräften der organisierten ArbeiterInnenschaft den Druck auf die untätigen Verhinderer zu erhöhen. Freiwillig werden die Reichsten und deren schwarze und blaue Lobby im Parlament ihre im Steuersystem eingebauten Privilegien nicht aufgeben – wir werden schon darum kämpfen müssen.
Die FunktionärInnen der (noch) größten Partei im Nationalrat haben sich bislang, um den eigenen Machterhalt zu sichern, davor gescheut, diesen Kampf von den Plakaten und Foldern der Vorwahlzeiten in die Betriebe, auf die Strasse und vor allem ins Parlament zu tragen. Angst ist jedoch kein guter Ratgeber: Wer von sich behauptet, in der Tradition der ArbeiterInnenklasse zu stehen und gleichzeitig durch Untätigkeit verhindert, dass sich die steuerlichen Rahmenbedingungen für dieselbe verbessern, darf sich nicht wundern, wenn ihm die WählerInnen scharenweise davonrennen.
Ein gerechteres Steuersystem ist möglich – wenn man endlich damit beginnt, der steten Umverteilung von unten nach oben einen Riegel vorzuschieben. Durch die Einführung von Erbschafts- und Vermögenssteuern sowie Steuern auf Kapitalerträge und Unternehmensgewinne von Großkonzernen, durch die Abschaffung der Gruppenbesteuerung und eine deutliche Anhebung des Spitzensteuersatzes ließe sich eine Beseitigung der kalten Progression sowie eine Entlastung der unteren Einkommen locker gegenfinanzieren.
Nikolaus Lackner ist Koch in Krems an der Donau
Manche Begriffe lösen in Gesprächen mit KollegInnen eher gelangweilte Blicke denn hitzige Debatten aus: „Steuerreform“ und „kalte Progression“ sind Beispiele dafür. Doch wenn man diese Begriffe in einer Sprache erklärt die leicht verständlich ist, wendet sich das Blatt. Vereinfacht: Es geht um „Gerechtigkeit“ und „Lohnkürzungen“. Der Finanzminister betont gebetsmühlenartig: Erstens muss gespart werden und zweitens will er keine neuen Steuern. Warum er sich so in seiner Position einbetoniert ist, dass er mit der „kalten Progression“ über ein Werkzeug verfügt, welches ihm stetig steigende Einnahmen aus der Lohnsteuer beschert.
Die ohnehin viel zu geringen Lohnsteigerungen bewirken bei vielen Lohnabhängigen genau das Gegenteil: Sie rutschen in eine neue Steuerklasse und haben dadurch weniger im Börserl als zuvor. De facto handelt es sich bei diesem Instrument um nichts anderes als effektive Lohnkürzungen an denen der Staat verdient. Die Beseitigung der „kalten Progression“ muss daher ein integraler Bestandteil eines gerechten Steuersystems sein.
Apropos Gerechtigkeit
Das Mantra „keine neuen Steuern“, welches uns abwechselnd von VertreterInnen der Wirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung und der ÖVP via Medien vorgebetet wird, dient nur dazu, den Blick auf die größte Ungerechtigkeiten unseres Steuersystems zu vernebeln: Wer über viel, sehr viel oder gar extrem viel Vermögen verfügt zahlt einen international gesehen lächerlich geringen Steuersatz. Dies gilt für die Kapitalerträge ebenso wie für in Stiftungen geparkte Großvermögen.
Damit selbst bei der Weitergabe dieser Reichtümer an die nächste Generation kein Beitrag für die Allgemeinheit geleistet werden muss, hat man auch gleich die Erbschaftssteuer abgeschafft. Und man verhindert deren Wiedereinführung mit einer weiteren Nebelgranate: Selbst beim kleinsten Häuslbauern und den WohnungsbesitzerInnen wird die Angst geschürt, eine Erbschaftssteuer beträfe sie, obwohl es in Wahrheit um die Großvermögen geht. Das Kapital nimmt hier via Kleinformat gekonnt die Kleinen in Geiselhaft bei der Verteidigung des eigenen Vorteils.
Richtig übel kann einem werden, wenn man sich die Steuerleistung der multinationalen Konzerne ansieht. Die Gruppenbesteuerung ermöglicht es diesen nämlich, die Gewinne und Verluste zwischen verschiedenen Tochtergesellschaften im In- und Ausland solange hin- und herzuschieben, bis eine den Aktionären genehme Steuerlast entsteht, die aberwitzig gering ausfällt. Der Allgemeinheit entgehen hier Milliarden die direkt in die Taschen der AktionärInnen wandern - wiederum gering besteuert.
Soll das Spitze sein?
Die meisten Lohnabhängigen kommen nie in den Genuss, den Spitzensteuersatz auf ihr Einkommen bezahlen zu dürfen. Denn sie verdienen dafür zu wenig. Man muss schon über 60.000 Euro im Jahr erhalten, um für das darüber hinaus gehende Einkommen mit 50 Prozent besteuert zu werden.
Dabei ist es egal, ob man 65.000 oder 6,5 Millionen Einkommen hat – der Spitzensteuersatz bleibt gleich. Besonders perfide ist aber der lächerlich geringe Unterschied zwischen Eingangs- und Spitzensteuersatz: Er beträgt knapp zwölf Prozentpunkte. Die Putzfrau zahlt also auf ihren kargen Lohn nur um zwölf Prozent weniger als der Konzernmanager. Die Anhebung dieses Spitzensteuersatzes muss also auf jeden Fall Teil einer Steuerreform sein, die diesen Namen wirklich verdient.
Druck erzeugen
Bislang haben weder die Lippenbekenntnisse der regierenden SPÖ noch die Forderungen des nur in Wahlzeiten kämpferisch auftretenden ÖGB zu Ergebnissen geführt. Es ist daher die Aufgabe des GLB gemeinsam mit anderen progressiven Kräften der organisierten ArbeiterInnenschaft den Druck auf die untätigen Verhinderer zu erhöhen. Freiwillig werden die Reichsten und deren schwarze und blaue Lobby im Parlament ihre im Steuersystem eingebauten Privilegien nicht aufgeben – wir werden schon darum kämpfen müssen.
Die FunktionärInnen der (noch) größten Partei im Nationalrat haben sich bislang, um den eigenen Machterhalt zu sichern, davor gescheut, diesen Kampf von den Plakaten und Foldern der Vorwahlzeiten in die Betriebe, auf die Strasse und vor allem ins Parlament zu tragen. Angst ist jedoch kein guter Ratgeber: Wer von sich behauptet, in der Tradition der ArbeiterInnenklasse zu stehen und gleichzeitig durch Untätigkeit verhindert, dass sich die steuerlichen Rahmenbedingungen für dieselbe verbessern, darf sich nicht wundern, wenn ihm die WählerInnen scharenweise davonrennen.
Ein gerechteres Steuersystem ist möglich – wenn man endlich damit beginnt, der steten Umverteilung von unten nach oben einen Riegel vorzuschieben. Durch die Einführung von Erbschafts- und Vermögenssteuern sowie Steuern auf Kapitalerträge und Unternehmensgewinne von Großkonzernen, durch die Abschaffung der Gruppenbesteuerung und eine deutliche Anhebung des Spitzensteuersatzes ließe sich eine Beseitigung der kalten Progression sowie eine Entlastung der unteren Einkommen locker gegenfinanzieren.
Nikolaus Lackner ist Koch in Krems an der Donau