Dublin II und III muss weg
- Samstag, 18. Juli 2015 @ 22:58
Franz Grün über die Asylpolitik der EU
Traumatisierten Menschen, geflohen aus ihrer Heimat aus Angst vor Verfolgung, Folter und Ermordung, wird, wenn sie in die EU flüchten, kein angenehmer Empfang bereitet. Die Dublin II Verordnung trat im März 2003 in Kraft und wurde im Juli 2013 durch die Dublin III Verordnung ergänzt. Sie betrifft alle EU Mitgliedsstaaten einschließlich der EU Nicht-Mitgliedsstaaten Norwegen, Island, Liechtenstein und der Schweiz.
Die Verordnung regelt, welcher Mitgliedsstaat für einen im Geltungsbereich gestellten Asylantrag zuständig ist. Damit soll erreicht werden, dass ein Asylsuchender innerhalb der Mitgliedstaaten nur noch einen Asylantrag stellen kann. Sie geht aber von der falschen Annahme aus, dass die sozialen Standards in allen EU-Mitgliedstaaten gleich hoch sind. Im Klartext heißt das, wenn ein Flüchtling das Gebiet eines Staates der Union betritt, befindet er sich auf sicherem Boden und derjenige Staat ist für das Asylverfahren zuständig.
Manche Staaten überfordert
Die Länder an den Küsten – Griechenland, Malta, Spanien und Italien – werden mit den zigtausenden Flüchtlingen, welche versuchen über das Meer nach Europa zu kommen, überschwemmt. Dabei sind sie schlichtweg überfordert. In den Lagern eingepfercht fristen sie ein kaum menschenwürdiges Dasein.
Aber auch in jüngeren EU-Staaten fehlt es an Strukturen, die für ein europaübergreifendes Asylsystem nötig wären. Aus Ungarn berichtet man von massiven rassistischen Übergriffen. Die dortige derzeitige Regierung fällt immer wieder im Europarat durch extrem rechte Ausschreitungen und Ideen auf, welche im Staat selbst durch Fremdenfeindlichkeit gelebt wird. Asylpolitik ist dort eher nicht auf Menschenfreundlichkeit sondern auf Strafverfolgung ausgerichtet.
In Bulgarien hat man scheinbar eine Lücke gefunden, indem man die Asylanträge ohne nachhaltige Prüfung positiv bescheinigt. Damit können die Flüchtlinge schnell ausreisen und dies auch tun, da sie in dem armen EU Mitgliedstaat für sich keine Zukunft sehen. Viele der Flüchtlinge schlagen sich dann in die reichen Länder im Norden durch. Doch eine Reisefreiheit sieht das Dublin Abkommen nicht vor. Somit begeben sie sich in einen Art rechtlosen Raum.
Abschiebung
Die Abkommen von Dublin sehen also vor, dass das Asylverfahren von jenem Staat abgewickelt werden muss, auf dessen Boden der Flüchtling das erste Mal den Fuß gesetzt hat. Was aber, wenn er in einem anderen Land aufgegriffen wird oder den Asylantrag stellt? Grundsätzlich wäre zu eruieren, wo der Flüchtling erstmals sicheren Boden betreten hat. Den Behörden dient dazu das EURODAC-System. Dort werden von allen Asylwerber-innen und illegalen Grenzgänger-innen die Fingerabdrücke registriert. Dieses System garantiert, das Asylwerber-innen in das EU-Land abgeschoben werden, über das sie in die EU eingereist sind.
In Österreich wird die Zulassung zum Asylverfahren in einem der drei Erstaufnahmestellen (EAST) geprüft. Erst wenn diese Frage geklärt und der Asylantrag zugelassen ist, folgt die inhaltliche Prüfung. Die Fluchtgründe sind also zweitrangig. In Österreich wurden 2013 insgesamt 6474 Menschen abgeschoben, davon 1903 normale Abschiebungen, 1059 Dublin Überstellungen und 3512 freiwillige Ausreisen. Die österreichische Lösung mit dem Angebot der freiwilligen Ausreise basiert natürlich nicht aus Menschenfreundlichkeit sondern mit sanftem Druck. Wer nicht freiwillig ausreist, riskiert Schubhaft und Abschiebung oder ein Leben in der Illegalität.
Deutsche Gerichte hingegen untersagen eine Abschiebung (Dublin Überstellung) in bestimmte EU-Staaten mit der Begründung, dass dies eine Menschenrechtsverletzung darstellt. Aber wie viele der Flüchtlinge haben die Mittel und die Zeit ein derartiges Verfahren durchzustehen, vor allem im Bewusstsein nicht erwünscht zu sein.
Gedanken
Die Europäische Union wird sich schnell und intensiv mit der Flüchtlingsproblematik auseinandersetzen müssen und zwar nicht national sondern Europaweit denkend. Flüchtlingszentren im Norden Afrikas anzudenken wäre schon im Hinblick auf den Nährboden für IS-Terroristen ein fataler Fehler. Das Fördern von Diktatoren in Afrika, welche verhindern, dass das eigene Volk flieht und sie lieber gleich ermordet, ein weiterer.
Das Aufziehen einer Grenze vor der Europäischen Union birgt die Frage, ob man sich dann nicht selbst einsperrt. Wie dringend eine rasche Lösung und eine gemeinschaftliche Umsetzung der Flüchtlingsproblematik ist, zeigen auch die Wahlergebnisse in verschiedenen Ländern der Union. Sonst kann man die Regierungssitze gleich den Rechtspopulisten überlassen. Zuallererst jedoch gehören die Dublin-Abkommen entsorgt.
Franz Grün ist Bundessekretär des GLB vida
Traumatisierten Menschen, geflohen aus ihrer Heimat aus Angst vor Verfolgung, Folter und Ermordung, wird, wenn sie in die EU flüchten, kein angenehmer Empfang bereitet. Die Dublin II Verordnung trat im März 2003 in Kraft und wurde im Juli 2013 durch die Dublin III Verordnung ergänzt. Sie betrifft alle EU Mitgliedsstaaten einschließlich der EU Nicht-Mitgliedsstaaten Norwegen, Island, Liechtenstein und der Schweiz.
Die Verordnung regelt, welcher Mitgliedsstaat für einen im Geltungsbereich gestellten Asylantrag zuständig ist. Damit soll erreicht werden, dass ein Asylsuchender innerhalb der Mitgliedstaaten nur noch einen Asylantrag stellen kann. Sie geht aber von der falschen Annahme aus, dass die sozialen Standards in allen EU-Mitgliedstaaten gleich hoch sind. Im Klartext heißt das, wenn ein Flüchtling das Gebiet eines Staates der Union betritt, befindet er sich auf sicherem Boden und derjenige Staat ist für das Asylverfahren zuständig.
Manche Staaten überfordert
Die Länder an den Küsten – Griechenland, Malta, Spanien und Italien – werden mit den zigtausenden Flüchtlingen, welche versuchen über das Meer nach Europa zu kommen, überschwemmt. Dabei sind sie schlichtweg überfordert. In den Lagern eingepfercht fristen sie ein kaum menschenwürdiges Dasein.
Aber auch in jüngeren EU-Staaten fehlt es an Strukturen, die für ein europaübergreifendes Asylsystem nötig wären. Aus Ungarn berichtet man von massiven rassistischen Übergriffen. Die dortige derzeitige Regierung fällt immer wieder im Europarat durch extrem rechte Ausschreitungen und Ideen auf, welche im Staat selbst durch Fremdenfeindlichkeit gelebt wird. Asylpolitik ist dort eher nicht auf Menschenfreundlichkeit sondern auf Strafverfolgung ausgerichtet.
In Bulgarien hat man scheinbar eine Lücke gefunden, indem man die Asylanträge ohne nachhaltige Prüfung positiv bescheinigt. Damit können die Flüchtlinge schnell ausreisen und dies auch tun, da sie in dem armen EU Mitgliedstaat für sich keine Zukunft sehen. Viele der Flüchtlinge schlagen sich dann in die reichen Länder im Norden durch. Doch eine Reisefreiheit sieht das Dublin Abkommen nicht vor. Somit begeben sie sich in einen Art rechtlosen Raum.
Abschiebung
Die Abkommen von Dublin sehen also vor, dass das Asylverfahren von jenem Staat abgewickelt werden muss, auf dessen Boden der Flüchtling das erste Mal den Fuß gesetzt hat. Was aber, wenn er in einem anderen Land aufgegriffen wird oder den Asylantrag stellt? Grundsätzlich wäre zu eruieren, wo der Flüchtling erstmals sicheren Boden betreten hat. Den Behörden dient dazu das EURODAC-System. Dort werden von allen Asylwerber-innen und illegalen Grenzgänger-innen die Fingerabdrücke registriert. Dieses System garantiert, das Asylwerber-innen in das EU-Land abgeschoben werden, über das sie in die EU eingereist sind.
In Österreich wird die Zulassung zum Asylverfahren in einem der drei Erstaufnahmestellen (EAST) geprüft. Erst wenn diese Frage geklärt und der Asylantrag zugelassen ist, folgt die inhaltliche Prüfung. Die Fluchtgründe sind also zweitrangig. In Österreich wurden 2013 insgesamt 6474 Menschen abgeschoben, davon 1903 normale Abschiebungen, 1059 Dublin Überstellungen und 3512 freiwillige Ausreisen. Die österreichische Lösung mit dem Angebot der freiwilligen Ausreise basiert natürlich nicht aus Menschenfreundlichkeit sondern mit sanftem Druck. Wer nicht freiwillig ausreist, riskiert Schubhaft und Abschiebung oder ein Leben in der Illegalität.
Deutsche Gerichte hingegen untersagen eine Abschiebung (Dublin Überstellung) in bestimmte EU-Staaten mit der Begründung, dass dies eine Menschenrechtsverletzung darstellt. Aber wie viele der Flüchtlinge haben die Mittel und die Zeit ein derartiges Verfahren durchzustehen, vor allem im Bewusstsein nicht erwünscht zu sein.
Gedanken
Die Europäische Union wird sich schnell und intensiv mit der Flüchtlingsproblematik auseinandersetzen müssen und zwar nicht national sondern Europaweit denkend. Flüchtlingszentren im Norden Afrikas anzudenken wäre schon im Hinblick auf den Nährboden für IS-Terroristen ein fataler Fehler. Das Fördern von Diktatoren in Afrika, welche verhindern, dass das eigene Volk flieht und sie lieber gleich ermordet, ein weiterer.
Das Aufziehen einer Grenze vor der Europäischen Union birgt die Frage, ob man sich dann nicht selbst einsperrt. Wie dringend eine rasche Lösung und eine gemeinschaftliche Umsetzung der Flüchtlingsproblematik ist, zeigen auch die Wahlergebnisse in verschiedenen Ländern der Union. Sonst kann man die Regierungssitze gleich den Rechtspopulisten überlassen. Zuallererst jedoch gehören die Dublin-Abkommen entsorgt.
Franz Grün ist Bundessekretär des GLB vida