Eine gemeinsame Perspektive in Europa

Dienstag, 25. März 2008 @ 11:16

Von Gerald Kemski

Am 11. November 2006 kamen in Berlin 26 VertreterInnen aus 11 europĂ€ischen LĂ€ndern und aus 14 linken Parteien zusammen und grĂŒndeten das Netzwerk der Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in und bei der Partei der EuropĂ€ischen Linken (ELP). Eingeladen hatte die AG betrieb & gewerkschaft der Partei Die Linke.PDS (jetzt DIE LINKE) aus der BRD. Bisher gab es zwei Folgetreffen im Mai 2007 in Athen und im Februar 2008 in Wien. Die GrĂŒndung dieses Netzwerkes war ĂŒberfĂ€llig aus zwei GrĂŒnden. Erstens ist es auch in den linken Parteien Europas nicht selbstverstĂ€ndlich, dass die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter die an den Klasseninteressen der abhĂ€ngig BeschĂ€ftigten orientierten Positionen eigenstĂ€ndig und organisiert zum Ausdruck bringen. Das gilt erst recht fĂŒr die gesamteuropĂ€ische Ebene.

Zweitens haben die europĂ€ische Sozialdemokratie und die Konservativen schon seit Jahren derartige ZusammenschlĂŒsse um beispielsweise ihren Einfluss auf den EuropĂ€ischen Gewerkschaftsbund (EGB) geltend zu machen. Mit Sicherheit nicht im Interesse einer kĂ€mpferischen Interessenvertretung. Auch wenn wir unsere Wirkung nicht ĂŒberschĂ€tzen und noch TeilnehmerInnen aus vielen LĂ€ndern Europas fehlen, so haben wir doch schon deutliche Schritte nach vorne gemacht.

In Athen wurde ein Dokument (eingebracht von Teilnehmern aus Estland, DĂ€nemark, Griechenland und der BRD) zu EuropĂ€ischen Verkehrspolitik angenommen, dass die Interessen der abhĂ€ngig BeschĂ€ftigten in diesem Sektor zum Ausdruck bringt und sich generell gegen Privatisierung und fĂŒr Re-Kommunalisierung ausspricht. Dieses Dokument wurde zwischenzeitlich auf dem 2. Parteitag der ELP in Prag zur Position der Gesamtpartei auf europĂ€ischer Ebene.

Beim dritten Treffen des Netzwerkes in Wien formulierten wir fĂŒr die ELP als Ganzes die Positionen zu den sozialen Mindeststandards in Europa, vor allem die zur Frage nach einem europĂ€ischen Mindestlohn. Keine einfache Aufgabe, sind doch die Bedingungen in den einzelnen LĂ€ndern doch sehr unterschiedlich. Beachten wir, dass im Rahmen der ELP keine Mehrheits- sondern nur KonsensbeschlĂŒsse möglich sind, können wir einigermaßen stolz auf das Geleistete sein.

Bedenken wir vor allem die Tatsache, dass dies in ehrenamtlicher Arbeit geschieht und die Probleme der sprachlichen VerstÀndigung uns immer neu fordern. Aber auch die Teilnahme des Parteivorstandes der ELP an unserer Beratung hat deutlich gemacht, dass unser Wort ernst genommen wird.

Gleichwohl haben wir noch riesige Aufgaben beispielsweise beim nĂ€chsten Treffen in Barcelona im Oktober dieses Jahres vor uns. Vermutlich werden wir noch eine deutliche Positionierung gegen jegliche Form der Privatisierung und fĂŒr eine Re-Kommunalisierung bereits privatisierter Betriebe vornehmen mĂŒssen.

Eindrucksvolles Beispiel dafĂŒr ist beispielsweise der fast gleichzeitig vorgetragene Versuch die stĂ€dtischen Hafenbetriebe in Hamburg (BRD) und PirĂ€us (Griechenland) zu privatisieren und an Global Players zu verschachern. Wir werden erhebliche Anstrengungen unternehmen mĂŒssen weitere LĂ€ndern in unser Netzwerk einzubeziehen. Aber der Anfang ist gemacht.

Nicht zuletzt bedarf eine solche TĂ€tigkeit auch immer einer Vision, auch wenn es sich dabei um den gesamten Kontinent handelt. Wie schrieben Marx und Engels bereits im Jahre 1865:“Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstandes gegen die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck zum Teil, sobald sie von ihrer Macht einen unsachgemĂ€ĂŸen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihren Zweck gĂ€nzlich, sobald sie sich darauf beschrĂ€nken, einen Kleinkrieg gegen die bestehenden Wirkungen des bestehenden Systems zu fĂŒhren, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu Ă€ndern, statt ihre organisierten KrĂ€fte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeitklasse, d.h. zur endgĂŒltigen Abschaffung des Lohnsystems.“ (MEAW Bd. III, Seite 128).

Gerald Kemski (Hamburg) ist Koordinator des Netzwerkes der GewerkschafterInnen in und bei der Partei der EuropÀischen Linken (EL)


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